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Steuererlass in ArgentinienSchwarzgeld wird weiß

Eine Steueramnestie soll unversteuertes Geld in Argentiniens Staatskassen spülen, nun wurde die Frist verlängert. Es profitiert auch ein Escort-Model.

Buenos Aires, 15. September: der Argentinische Präsident Xavier Milei stellt den Hauhaltsplan für das Jahr 2025 vor Foto: Augustin Marcarian/reuters

S eit Tagen ist das Escort-Top-Model Sofía Clerici das große Thema in den argentinischen Medien. Genauer gesagt seit bekannt ist, dass die 31-Jährige knapp 600.000 Dollar beim Blanqueo anmelden will. Also jener Steueramnestie, bei der nicht deklarierte Vermögenswerte ungestraft beim Finanzamt angegeben werden können. Das Geld war 2023 bei einer Hausdurchsuchung bei dem Model beschlagnahmt worden, aufgrund einer Anzeige wegen „unrechtmäßiger Bereicherung“. Nach Auffassung der Justiz konnte sie dessen Herkunft bislang nicht ausreichend erklären.

Seine Mandantin habe die Dollar ehrlich verdient, aber nicht versteuern können, da es für ihren Beruf beim Finanzamt keine Kategorie gebe, erklärte Clericis Anwalt. Ein Richter gab dem statt und wies die sofortige Rückgabe der exakt 569.911 Dollar an. Die Zeit drängt. Die Frist für das Blanqueo wäre am Montag ablaufen.

Beim „Blanqueo de capitales“ geht es um klandestines Kapitalvermögen – meist Schwarzgeld, das weißgewaschen wird. Eine solche Amnestie ist nichts Ungewöhnliches in einem Land, in dem die Hälfte der Wirtschaft und der Finanzen informell abgewickelt wird. Schätzungen zufolge beläuft sich das nicht registrierte Dollarvermögen der Ar­gen­ti­nie­r*in­nen auf rund 240 Milliarden. Sei es im Ausland, in Schließfächern oder unter der Matratze.

Meist wird eine Amnestie zu Beginn der Amtszeit eines neuen Staatspräsidenten angeboten. Der neue Amtsinhaber erhofft sich damit fresh money für den Staatshaushalt, dem es ständig an Devisen fehlt. Auch der libertäre Javier Milei hat einen Blanqueo verfügt, sogar zu besonders großzügigen Konditionen. Für bis zu 100.000 Dollar werden überhaupt keine Abgaben fällig. Von allem was darüber liegt, müssen fünf Prozent an den Fiskus abgeführt werden. „Das kostet die Clerici schlappe 25.000 Dollar“, rechnet ein Bekannter vor.

Entlastung im Hochsteuerland

Ein echtes Schnäppchen in einem Land, das sich selbst dafür kritisiert, weltweit die höchsten Steuern auf alles und jedes zu erheben. Der Bekannte überlegt jetzt auch ernsthaft, am Blanqueo teilzunehmen. „Wenn die Clerici ihre 600.000 Dollar weißwaschen kann, habe ich keine Skrupel mehr“, sagt er.

Das Escort-Top-Model ist zur Gratisbotschafterin für Mileis Steueramnestie mutiert. Und jetzt haben alle noch einen Monat mehr Zeit zum Waschen. Der Andrang ist so groß, dass die Regierung die Frist „auf Antrag zahlreicher Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ und „des großen Interesses an der Regularisierung von Vermögenswerten“ bis Ende Oktober verlängert hat. Inoffiziell wird kolportiert, dass die Dollareigentümer all das, was sie waschen wollen, gar nicht so schnell flottmachen könnten.

Der Run auf den Blanqueo erklärt sich aber noch aus einem anderen Grund. „Zwischen den Vereinigten Staaten und unserem Finanzamt ist vor Kurzem ein neues Steuerinformationsabkommen in Kraft getreten“, erklärt eine Steuerberaterin. Seitdem sei es einfacher, Informationen über die Auslandskonten ihrer Landsleute in den USA zu erhalten. „Viele haben kalte Füße bekommen, machen reinen Tisch und ziehen es vor, die fünf Prozent zu zahlen“, sagt sie.

Allerdings wird Mileis Blanqueo von der Financial Action Task Force mit Argwohn beobachtet. Die internationale Organisation zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat gewarnt, dass Argentinien auf die Liste der Steuerparadiese für Kapital ungewisser Herkunft gesetzt werden könnte. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass nicht auch Gelder aus kriminellen Aktivitäten gewaschen werden, wie etwa Narco- oder Korruptionsdollar.

Mein Bekannter hat sich noch nicht ganz entschieden. Er käme ohnehin nicht über die 100.000er-Marke wie Clerici, Auch müsse er jeden Monat immer mehr Dollar klandestin tauschen, um die steigenden Familienausgaben zu decken. „Wenn alles so weitergeht, liegt unter der Matratze bald sowieso nichts mehr.“

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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2 Kommentare

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  • In der Zwischenzeit reisst die Armutsquote in Argentinien die 50% [1]. Mögen die Argentinier*innen möglichst bald diese Plage loswerden (und ja, IWF ist mit Schuld an dieser Misere).

    [1] www.theguardian.co...te-argentina-milei

  • Ich wusste garnicht, dass Herr Milei die Taschen seines Anzugs "Staatskasse" genannt hat. Zumindest die spanischsprachige Bezeichnung.