Nach Angriff auf Öltanker: Rotem Meer droht Umweltkatastrophe
Nach einem Angriff der Huthi-Rebellen auf einen Öltanker droht eine Umweltkatastrophe im Roten Meer. Der Tanker muss geborgen werden. Doch wie?
Wenige Tage nach dem Angriff veröffentlichten die Huthi-Rebellen ein Video, das den genauen Ablauf der Attacke zeigt. Darin ist zu sehen, wie maskierte Männer das Schiff stürmen, Sprengstoff anbringen und die Bomben zünden. Rauchwolken steigen empor, gefolgt von einem lauten Knall. Dann steht das Schiff in Flammen. Auf den Aufnahmen sind fünf Brandherde, die sich über die gesamte Länge des Schiffs erstrecken, zu erkennen.
Das Video offenbart auch das drohende Ausmaß einer sich anbahnenden Umweltkatastrophe. Ohne rasche und wirksame Maßnahmen könnten bis zu 159.000 Tonnen Öl ins Rote Meer fließen – mehr als viermal so viel, wie bei der Havarie der Exxon Valdez 1989 vor der Küste Alaskas.
Damals prallte der Schiffsrumpf des Öltankers auf den Meeresgrund und bekam Risse, so dass etwa 35.000 Tonnen Rohöl in den Ozean gelangten. Die Folgen waren verheerend: Hunderttausend Fische und Seevögel verendeten durch die Verseuchung.
Schiff darf nicht kentern
Laut Angaben des US-Außenministeriums scheinen die Huthis entschlossen zu sein, „das Schiff und seine Ladung im Meer zu versenken“. Nadja Ziebarth, Meeresschutzbeauftragte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), mahnt: „Das wäre das Schlimmste, das passieren könnte.“ Denn wenn ein Schiff erst einmal sinkt, verliert man die Kontrolle darüber und somit auch über das an Bord gelagerte Öl.
So ein Vorfall ereignete sich zum Beispiel 2010, als die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko explodierte und absank. Knapp 800 Millionen Liter Öl und 500.000 Tonnen Gas traten aus. Der Vorfall ging als die größte Ölkatastrophe in die Geschichte ein. Und die Bilder von ölverschmierten Pelikanen, braunen Ölteppichen und an Strand gespülten Delfinen um die Welt.
Ziebarth sieht dennoch einen Hoffnungsschimmer: „Solange das Schiff schwimmt und es kein Leck gibt, kann eine Naturkatastrophe abgewendet werden“. Aber sie warnt: „Jeder Tropfen Öl ist eine Gefahr für Meeresböden, Vögel und Meerestiere.“
Ein weiteres Problem ist allerdings der anhaltende Brand auf dem Tanker. Am Mittwoch wüteten die Flammen noch immer, was die Bergungsarbeiten erheblich erschwert. „Bevor die Bergung beginnen kann, muss eigentlich der Brand gelöscht werden“, erklärt Rudolf Kreutzer, Professor für Seefahrt und Maritime Wissenschaften.
Brand löschen, Leine legen, Öl umpupmen
Um den Brand zu löschen, wird Löschschaum, der aus Luft, Wasser und Schaum besteht, verwendet. Wie ein Teppich legt sich der Schaum auf das Feuer und entzieht ihm den Sauerstoff.
Erst dann können Fachkräfte versuchen, das Schiff zu sichern und ein Kentern zu verhindern. Zum Beispiel wird eine Leine gelegt, um das Schiff zu stabilisieren. Oder um es in einen Hafen zu ziehen, wo das Öl am besten abgepumpt werden kann. „Über Schläuche wird das Rohöl dann in kleinere Tanker gepumpt“, beschreibt der Schifffahrtexperte Kreutzer den Vorgang, den meist hochspezialisierte private Unternehmen übernehmen.
Doch im Jemen kompliziert die politische Situation die Bergung zusätzlich. Denn: Einen sicheren Hafen gibt es in unmittelbarer Nähe nicht. Die Huthis kontrollieren weite Teile des Küstenabschnitts, so auch den zweitgrößten Hafen des Landes in Hudaida.
Am Dienstag erklärte die für die Bergung zuständige EU-Operation Aspides die Bergungsarbeiten erstmals für beendet: „Die verantwortlichen Unternehmen sind zu dem Schluss gekommen, dass die Bedingungen für die Durchführung des Abschleppens nicht erfüllt waren und dass es nicht sicher war, fortzufahren“. Als direkte Reaktion auf die Schiffsangriffe der Huthi, die vom Iran unterstützt werden und sich mit den Palästinensern solidarisieren, wurde die Marinemission Aspides im Februar 2024 gegründet. Sie soll für Law und Order auf dem Roten Meer sorgen.
Seerettung ohne Verpflichtungen
Auf die Frage, ob die Unterbrechung der Bergungsarbeiten durch den Brand oder die politisch instabile Lage im Jemen, einschließlich drohender Huthi-Angriffe, verursacht wurde, gab die zuständige EU-Operation eine vage Antwort und verwies auf die beteiligten Unternehmen. Diese hätten wegen „technischer Gründe“ entschieden, „die Aktion zu unterbrechen“, teilte ein Sprecher der taz mit.
Neben der EU-Marinemission arbeiten derzeit auch die US-Streitkräfte für den Nahen Osten und Zentralasien (Centcom) an der Rettung des Tankers. Dass die EU und die USA an der Bergung eines Schiffes außerhalb ihres Territorialgewässers beteiligt sind, sei unüblich, erklärt Nele Matz-Lück, Professorin für Seerecht an der Universität Kiel.
„Weder die USA noch die EU sind rechtlich dazu verpflichtet, sich um die Bergung zu kümmern – sie tun es, weil es sonst niemand macht.“ Zwar sind die Betreiber der Öltanker dazu verpflichtet, sich gegen Schäden zu versichern, doch ob diese Versicherungen auch dann greifen, wenn man beschossen wird, ist unklar. „Wohl eher nicht“, so Matz-Lück.
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