BSW-Verbände in Sachsen-Anhalt und NRW: Mit und doch ohne Wagenknecht
Das BSW hat zwei neue Landesverbände. Doch in Sachsen-Anhalt und NRW steht die Partei vor unterschiedlichen Voraussetzungen.
In Sachsen-Anhalt sprach statt Wagenknecht die Co-Bundesparteivorsitzende Amira Mohamed Ali zu Beginn der Versammlung. Unweit des Landtags in Magdeburg trafen sich am Samstag rund 40 Mitglieder im Theater in der Grünen Zitadelle. Mohamed Ali forderte eine diplomatische Lösung für Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und eine Begrenzung der Migration.
Auf der anschließenden Versammlung wählten laut BSW 100 Prozent der Delegierten den 19-jährigen Studenten John Lucas Dittrich und 95 Prozent den 59-jährigen Verwaltungsbeamten Thomas Schulze zu den Landesvorsitzenden. Dittrich war vorher bei der Linken in Sachsen-Anhalt. Sein Co-Vorsitzender Schulze gehört zu den Neulingen der Politik. Weil bei der Gründungsversammlung in Magdeburg alles reibungslos abgestimmt wurde, sei sie schneller vorbei gewesen als geplant, berichtete John Lucas Dittrich der taz. Es habe kaum inhaltliche Differenzen gegeben.
Und das, obwohl ein Teil der Mitglieder des Bündnisses in Sachsen-Anhalt vorher in anderen Parteien gewesen sei: SPD, CDU, FDP und in der Linken. Darunter auch die früheren Landtagsabgeordneten Bianca Görke und Katja Wendland. Letztere wurde am Samstag zur BSW-Landesgeschäftsführerin gewählt. Die 48-jährige Wirtschaftsfachwirtin wurde 2017 als Nachrückerin Mitglied der Linken-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, schied bei der Wahl 2021 aber wieder aus. Im Oktober 2023 trat sie wegen inhaltlicher Differenzen aus der Partei die Linke aus und wurde im Januar BSW-Mitglied.
BSW schließt Presse aus
Welche Diskussionen es gab und wie gewählt wurde, das war nicht öffentlich nachvollziehbar: Presse schloss das BSW aus. Das ist unüblich. Landesvorsitzender Dittrich begründete: „Zwei Drittel der Delegierten machen das zum ersten Mal. Wir wollten, dass es konzentriert abläuft.“ Zukünftig sei die Presse aber zugelassen.
Bei dem parallel tagenden Landesparteitag der Linken in Sachsen-Anhalt war Presse nicht nur zugelassen, sondern lief ununterbrochen ein öffentlicher Livestream. Auch dort war das BSW Thema, denn bei der vergangenen Europawahl hat die Linke an keine andere Partei mehr verloren, berichtete Co-Landesvorsitze Janina Böttger. Trotz der Verluste: Sie und Hendrik Lange wurden als Landesvorsitzende bestätigt – allerdings mit nicht ganz so deutlicher Zustimmung wie beim BSW: Böttger bekam rund 70 Prozent der Delegiertenstimmen und Lange 53 Prozent.
Der taz sagte Hendrik Lange danach, das sei ein „ehrliches Ergebnis“. Die Wiederwahl zeige trotzdem, dass es Vertrauen in sie und ihre Pläne gebe. „Eine Trendwende funktioniert nur mit der Basis“, erklärte er. Darum wolle die Linke in Sachsen-Anhalt ihre Kommunikation weiter ausbauen. An einer „sozialen, gerechten Politik, die nicht ausgrenzt“, halte die Partei aber fest. Das spreche viele Menschen an, ist sich Lange sicher.
Welches Ergebnis das BSW in Sachsen-Anhalt erwarten kann, dafür gab die Europawahl am 9. Juni einen ersten Hinweis. Bei der Europawahl am 9. Juni bekam das BSW deutschlandweit 6,2 Prozent der Stimmen. Aber in Sachsen-Anhalt setzten 15 Prozent ihr Kreuz bei der neuen Partei – genauso viele wie in Thüringen, wo die Partei bei der Landtagswahl am 1. September dann 15,8 Prozent wählten. In Sachsen wählten das BSW bei der Europawahl 12,6 Prozent, bei der Landtagswahl etwas weniger: 11,8 Prozent.
Größter Landesverband mit 113 Mitgliedern
In Nordrhein-Westfalen lag das Europawahlergebnis deutlich niedriger: Insgesamt stimmte 4,4 Prozent für das BSW. Trotzdem ist der dort ebenfalls am Samstag gegründete Landesverband mit 113 Mitgliedern der bisher größte in Deutschland. Dazu gehören auch die Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht, die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen und der frühere SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf Thomas Geisel.
Anders als in Sachsen-Anhalt war bei der Gründungsversammlung in Bochum die Presse zugelassen. Mit ebenfalls je mehr als 90 Prozent wählten die 84 Delegierten Amid Rabieh und Jan Ristau zu den Landesvorsitzenden.
Rabieh war seit 2009 bei den Linken, zeitweise sogar im NRW-Landesvorstand und Bundesausschuss. Während der Jurist sich damals in Bewerbungen dafür aussprach, an der Seite von Geflüchteten zu stehen, ist er heute – im Einklang mit seiner neuen Partei – für konsequentes Abschieben. Der Düsseldorfer Anwalt Jan Ristau ist hingegen neu in der Politik. Laut WDR sprach er sich vor allem für Meinungsfreiheit aus. Die sei in Deutschland bedroht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen