Parteitag der US-Demokraten: Frust, Hype und Präsidententränen

Draußen wird gegen die US-Unterstützung für Israels Krieg demonstriert. Drinnen feiert die Partei euphorisch ihre neue Kandidatin – und Joe Biden.

Kamala Harris trat beim Parteitag überraschend schon kurz am ersten Tag auf, die Proteste draußen waren drinnen aber kein Thema Foto: Mike Blake/reuters

CHICAGO taz | Der erste Tag des diesjährigen Nominierungsparteitags der Demokraten zeigte eindrucksvoll den Zwiespalt, mit dem viele demokratische Wähler in diesen Tagen kämpfen. Zwar wollen alle nicht erneut vier Jahre unter Ex-Präsident Donald Trump verbringen, doch zugleich sind viele im Augenblick auch nicht bereit, für Vizepräsidentin Kamala Harris zu stimmen. Der Grund ist die anhaltende Unterstützung der US-Regierung für Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza.

„Es ist unfassbar, dass beide großen politischen Parteien in den USA an der Unterstützung und Lieferung von Waffen und Munition zur Fortsetzung des am besten dokumentierten Völkermords in der Menschheitsgeschichte beteiligt sind“, sagte Sarah aus Chicago im Gespräch mit der taz.

Sarah, die ihren Nachnamen nicht nennen wollte, war eine von tausenden Demonstranten, die am Montag beim „March on the DNC“ teilgenommen haben. Sie gehört zu denen, die sich aufgrund des Kriegs im Gazastreifen aktuell nicht vorstellen können, Harris und die Demokraten zu wählen. Und das trotz der Gefahr einer möglichen zweiten Trump-Amtszeit.

Demonstranten berufen sich auf den Willen des Volkes

„Unsere Politiker verlieren gerade das Vertrauen des amerikanischen Volkes, doch Politiker sollten eigentlich für uns arbeiten. Wir wählen sie, damit sie die Werte des amerikanischen Volkes vertreten und umsetzen, und wenn sie den Willen des amerikanischen Volkes offen ignorieren, verurteilen und über ihn hinweg reden, entziehen sie sich ihrer Pflicht“, sagte Sarah, die mit einem „Black Lives Matter“-T-Shirt und einem schwarzen Sonnenhut bekleidet war.

Auch Yousef Khasho, der aus dem Vorort Skokie zur Demonstration nach Chicago kam, will im November für keine der beiden großen US-Parteien stimmen. „Ich weiß nicht, wer die Wahl gewinnen wird, aber weder Harris noch Trump werden meine Stimme erhalten“, sagte Khasho, der im Westjordanland geboren wurde und als Achtjähriger in die USA kam. Er wolle für die Spitzenkandidatin der Green Party, Jill Stein, stimmen, die eine klare Position zu Gaza bezogen habe.

Die Demonstranten marschierten von einem nahegelegenen Stadtpark bis zum Veranstaltungsort des Parteitags, dem United Center. Dort durchbrach eine kleine Zahl von ihnen einen Zaun, beschimpfte die Sicherheitskräfte und bewarf sie mit Wasserflaschen und anderen Gegenständen. Es gab einige Festnahmen.

Ansonsten blieb es aber ruhig. Unter den Demonstrierenden waren auch Familien mit kleinen Kindern. Die aggressive Stimmung mancher Protestteilnehmer zeigte allerdings, wie groß der Frust über die aktuelle Politik der US-Regierung bei manchen ist.

„Harris muss sich unsere Stimmen verdienen“

„Der Status quo ist nicht gut genug. Wir brauchen eine Veränderung und Harris gibt uns keine Veränderung. Wir werden nicht einfach für sie stimmen, nur weil wir Trump nicht wollen. Sie muss sich unsere Stimmen verdienen“, sagte die aus Milwaukee angereiste Demonstrantin Elaine.

Von all dem war in der Arena nur wenig zu spüren. Der Gaza-Krieg spielte bei der ganzen Euphorie über Harris und ihren Vizekandidaten, Minnesotas Gouverneur Tim Walz, nur eine untergeordnete Rolle. Die Demokraten reiten seit knapp einem Monat eine Welle der Begeisterung. Mit Harris ist die Energie unter den Anhängern zurück, die unter Präsident Biden verloren gegangen war. Und dies war am Montagabend deutlich zu spüren.

Mit der populären linken Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, Ex-Außenministerin Hillary Clinton und natürlich Biden selbst fuhren die Demokraten bereits am ersten Abend schwere Geschütze auf.

Ziel des Abends war es, den Unterschied zwischen Harris und Trump deutlich hervorzuheben. Ein Redner nach dem anderen erklärte, dass Harris eine Präsidentin sei, die sich für das Wohl von Amerikas Familien und Amerikas Arbeitern einsetzen werde. Trump hingegen habe rein egoistische Gründe.

Demokraten verbreiten positive Botschaften

„Kamala Harris arbeitet für die Menschen. Kamala Harris arbeitet für euch. Donald Trump geht es nur um sich selbst“, sagte beispielhaft Handelsministerin Gina Raimondo während ihrer Rede.

Es ging den Demokraten auch darum, eine positive Nachricht an die Bevölkerung zu senden. Die USA seien ein Land, in dem jeder Erfolg haben kann, in dem die Rechte der Menschen ausgeweitet und nicht beschränkt werden. Für das Highlight des Abends sorgte jedoch Biden selbst. Noch vor einem Monat hatte er damit gerechnet, in dieser Woche die Nominierung seiner Partei als Präsidentschaftskandidat für eine zweite Amtszeit anzunehmen.

Biden hatte Tränen in den Augen, nachdem ihn seine Tochter Ashley mit rührenden Worten vorgestellt hatte. In seiner Rede erklärte er dann, dass die Demokratie gesiegt habe und es nun darum gehe, sie mit einem Sieg von Harris im November zu festigen. „Thank You, Joe, Thank You, Joe“-Rufe wurden von den mehr als 20.000 Menschen im United Center immer wieder angestimmt.

Biden betont seine Erfolge, die Harris’ Erfolge seien

Biden unterstrich die Erfolge seiner Regierung und machte deutlich, dass Harris einen großen Anteil an diesen Erfolgen gehabt habe. „Ich frage Sie: Sind Sie bereit, für die Freiheit zu stimmen? Sind Sie bereit, für Demokratie und Amerika zu stimmen? Sind Sie bereit, Kamala Harris und Tim Walz zu wählen?“

Harris selbst überraschte viele, als sie am frühen Abend selbst die Bühne betrat und sich bei Biden für dessen Lebenswerk bedankte. „Joe, vielen Dank für deine historische Federführung, für deinen lebenslangen Dienst im Auftrag unserer Nation und für alles, was du weiterhin tun wirst. Wir sind dir für immer dankbar!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben