Streit um Erneuerbare Energie: Cuxhaven verheizt den Wald
Umweltverbände kritisieren das neue Holzheizkraftwerk in Cuxhaven. Holz zu verbrennen sei weder nachhaltig noch notwendig.
Bei einer Informationsveranstaltung Anfang August machten Robin Wood, der BUND, die Parents4Future und Bio-Fuelwatch einmal mehr deutlich, was sie von den Plänen eines Holzheizkraftwerks halten: gar nichts. Weltweit geht der Bestand an Wald zurück. Den wertvollen CO2-Speicher Wald zu verfeuern, um Wärme zu generieren, sei aus der Zeit gefallen.
Die Betreiber behaupteten in der Planungsphase lange, nur Holz aus heimischen Wäldern nutzen zu wollen. Eine richtige Entwarnung wäre auch das für die Umweltverbände nicht: In den letzten vier Jahren seien „alleine in Deutschland bereits 600.000 Hektar Wald abgestorben“, sagt Jana Ballenthien, Waldreferentin bei Robin Wood.
Ein großer Anteil des in Cuxhaven verbrannten Holzes werde Frischholz sein, für welches extra Wald gerodet wird. Dieses solle lieber für die Herstellung von Gegenständen verwendet, anstatt verbrannt zu werden, fordert Tobias Söhl von den Parents4Future.
Holzimport befürchtet
Die Umweltverbände vermuten außerdem, dass Forte Energie auch Holz importieren wird. Bei der geplanten Menge von bis zu 140.000 Tonnen Holz jährlich sei es schwer, alles aus dem näheren Umkreis zu beziehen. Tatsächlich hat das Unternehmen seit 2021 öffentlich auch über Lieferungen aus Skandinavien und den baltischen Ländern nachgedacht.
Das Unternehmen wirbt dennoch mit seiner Nachhaltigkeit. Man sei CO2-neutral, schließlich habe „unser verwendetes Holz in seinem Lebenszyklus mindestens genauso viel CO2 aufgenommen, wie wir im Verbrennungsprozess wieder freigeben“. Diese Rechnung funktioniert für Forte Energie: Aufgrund der Berechnungslogik des Weltklimarats IPCC wird die CO2-Freisetzung am Ort der Abholzung berechnet, nicht am Ort der Verbrennung.
Tatsächlich aber werde bei der Verbrennung viel CO2 freigesetzt, argumentieren die Umweltverbände. Die Wiederaufforstung, durch die sich die Emission irgendwann rechnerisch ausgleiche, benötige Zeit – und werde, je nach Herkunft des Holzes, nicht überall praktiziert. Vor allem die Pelletproduktion finde häufig in North Carolina in den USA statt, die Nachhaltigkeitszertifikate wurden von der Pelletindustrie selbst ins Leben gerufen und seien lasch.
Die Stadt Cuxhaven wägt ab. „Holz ist ein nachwachsender Rohstoff wie andere Biomasse auch“, sagt Pressesprecher Marcel Kolbenstetter. „Die Frage ist jedoch, welche Holzqualitäten in dem Kraftwerk verbrannt werden. Sicherlich ist fraglich, wenn man dafür wertvolle Holzqualitäten verwendet, die jederzeit noch einer anderen Nutzung zugeführt werden können.“
Konkrete Pläne zum Bezug der Energie aus dem Kraftwerk für öffentliche Gebäude gebe es nicht. Jedoch sei das Kraftwerk als genehmigter Bestand im Rahmen der Wärmeplanung als eine mögliche Energiequelle zu berücksichtigen.
Der Umgang der Stadt mit der Genehmigung ist ein großer Kritikpunkt der Umweltverbände. Das Kraftwerk hat bei der Antragstellung eine Leistung von 49,9 Megawatt (MW) beantragt. Ab 50 MW wäre eine Bürgerbeteiligung notwendig gewesen. Die tatsächlich verbauten Kessel hätten jedoch eine höhere Leistung – das ergaben Nachfragen beim Gewerbeaufsichtsamt.
Forte Energie bekräftigt zwar, dass die Leistung technisch auf die vereinbarte Leistung reduziert werde; die Umweltverbände befürchten jedoch, dass das Unternehmen mittelfristig immer mehr Haushalte mit seiner Energie versorgen wolle, um Gewinne zu steigern.
Das Holzheizkraftwerk soll rentabel sein – dazu trägt auch bei, dass es durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert wird. „Absurd“ sei die Förderung, so die Umweltverbände. Gerade in der Region Cuxhaven mit viel Wind und der Nähe zum Meer müssten andere Formen der Energiegewinnung forciert werden: Man könnte mittels Großwärmepumpen und Power-to-Heat-Systemen Fernwärme erzeugen.
Noch eine Kritik zielt auf Politik und Verwaltung in Cuxhaven: Die wisse gar nicht, wie viel Energie überhaupt benötigt werde. An einem Wärmeplan werde noch gearbeitet, erklärt dazu die Stadt Cuxhaven.
Gar nichts sagen will Forte Energie. Auch nach zwei Wochen und mehrmaligen Nachfragen äußert sich das Unternehmen nicht gegenüber der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen