piwik no script img

Kamala ist „brat“

Die Gen Z feiert Kamala Harris im Internet. Aber was bedeutet „brat“ und welche Rolle spielen Memes eigentlich im US-Wahlkampf?

Von Anastasia Zejneli

Sie ist der Internetstar der Woche. Seit US-Präsident Joe Biden den Rückzug von seiner Kandidatur für eine zweite Amtszeit erklärt hat, feiern junge Ame­ri­ka­ne­r*in­nen auf allen Plattformen Kamala Harris. Die Politikerin, die wohl die neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wird.

Die Inspiration für den Hype um Harris ist ein Trend, den die britische Sängerin Charli XCX Anfang Juli auslöste. Ihr sechstes Studioalbum „brat“ – zu Deutsch Göre – illustriert seitdem das Sommergefühl der Generation Z. Das giftgrüne Cover mit der schwarzen, pixeligen Schrift ist omnipräsent. Tik­to­knut­ze­r*in­nen verbinden Harris’ neue Rolle mit dem bestehenden Trend und posten Videos von der 59-Jährigen mit grünem Filter und Songs des Albums im Hintergrund. Auch Charli XCX bestätigte auf X prompt: „kamala IS brat“. Aber was macht eine „brat“ aus?

Die Songs auf dem Album transportieren ein Gefühl von Freiheit: lange Sommernächte mit Freundinnen, verschmiertes Make-up, ein Drink zu viel, Hauptsache Spaß. Zu Harris’ Image passt das eigentlich so gar nicht – doch ihr Team nutzt den Moment und geht auf den Trend ein. Sie versuchen, die bisher als kühl geltende Politikerin nahbarer wirken zu lassen. Scheinbar mit Erfolg.

Memes sind seit Jahren Teil des Wahlkampfes in den USA und auch in Deutschland immer beliebter. Schon Donald Trump war mindestens seit dem Wahlkampf 2016 Inspiration und Thema vieler verschiedener Memes, die ihm viel Sichtbarkeit in den sozialen Medien verschafften. Und auch der unter Linken beliebte 82-jährige Demokrat Bernie Sanders erreichte Anfang 2021 Kultstatus bei jüngeren Internetnutzer*innen. Ein Foto von ihm in Winterjacke und übergroßen Fäustlingen, das bei der Amtseinführung von Joe Biden aufgenommen wurde, ging viral. Ähnliches ist nun bei Harris zu beobachten.

Das „brat“-Gefühl passt eigentlich gar nicht zu Harris’ Image

Welchen Einfluss Memes auf tatsächliche Wahlergebnisse haben, ist umstritten. Am Beispiel Harris zeigt sich aber, wofür sie im politischen Sinn genutzt werden können. Nachdem Nut­ze­r*in­nen die ersten giftgrünen Tiktoks posteten, veränderte das Social-Media-Team von Harris das Banner ihres Kampagnenaccounts auf X, färbte es giftgrün ein und setzte den Namen „Kamala“ in die gleiche Schriftart wie „brat“. Sie zeigen der Generation Z, dass sie den Trend verstanden haben, und vermitteln ein Gefühl von Zugehörigkeit. Kamala Harris inszeniert sich als eine von ihnen, ein spaßiges „cool girl“. Damit läuft sie jedoch auch Gefahr, die Kontrolle über den Witz zu verlieren.

Memes können sich im Internet verselbstständigen und in neue Kontexte gebracht werden – nicht immer zum Vorteil der Politiker*innen. So postete Trumps Social-Media-Team schon im vergangenen Jahr einen Ausschnitt aus einer Rede, die Harris im Weißen Haus über Chancengleichheit hielt. Darin zitierte sie ihre Mutter: „Glaubt ihr, ihr wärt aus einer Kokospalme gefallen?“ Alle Menschen hätten eine Geschichte und würden in ihrem gesellschaftlichen Kontext leben. Beim Zitat mit der Kokospalme lachte sie laut. Einige der älteren Kommentare darunter machen sich über die Vizepräsidentin lustig. Mehr als ein Jahr später taucht das Video wieder auf – befeuert jetzt aber den aktuellen Hype um Harris. Die Audiospur wird mit bekannten Songs von Künstler*innen, wie Beyoncé oder Taylor Swift auf Tiktok vermischt. Die Gen Z nutzt das Kokosnuss-Emoji, um ihre Unterstützung für die Demokratin auszusprechen.

Ob Harris den Zuspruch, den sie momentan auf Social Media erfährt, für sich nutzen kann, ist unklar. Textkacheln und Posts auf X versuchen den Hype um sie zu brechen und kritisieren ihre „law and order“-Mentalität. Und die Republikaner verbreiten vermehrt Falschinformationen über Harris.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen