Raed Saleh und die Vergesellschaftung: Plötzlich Kommunist

SPD-Fraktionschef Saleh fordert vom Senat mehr Tempo beim Rahmengesetz zur Vergesellschaftung. Die Reaktionen auf den Vorstoß fallen sarkastisch aus.

Macht jetzt richtig Druck für eine revolutionäre Zeitschiene: SPD-Fraktionschef Raed Saleh Foto: Carsten Koall/dpa

BERLIN taz | Raed Saleh entdeckt sein Herz für die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen. Das Land Berlin dürfe nicht „einfach tatenlos zuschauen“, wenn Vonovia und andere Konzerne die Mieten in der Stadt, wie jüngst angekündigt, um bis zu 15 Prozent erhöhen, erklärte der SPD-Fraktionschef am Mittwoch.

Seine Forderung: Es brauche mehr Tempo bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Erarbeitung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes. Zumindest wolle er „jetzt eine Zeitschiene“ vom Senat sehen, „bis wann ein entsprechendes Gesetz als Entwurf ausgearbeitet wird“.

Falls sich der Senat dem verweigere, werde seine SPD-Fraktion „noch in der Legislaturperiode selbst parlamentarisch einen Gesetzentwurf vorlegen und unserem Koalitionspartner präsentieren“, so Saleh.

Mit dem vor eineinhalb Jahren von CDU und SPD als Regierungsziel ausgegebenen Rahmengesetz sollen eigentlich nur „Kriterien für eine Vergesellschaftung“ nach Artikel 15 Grundgesetz „definiert“ werden. Kri­ti­ke­r:in­nen sahen darin von Beginn an eine Nebelkerze, um die Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ von 2021 zu torpedieren.

Opposition zweifelt an Glaubwürdigkeit

Tatsächlich ist seit dem Amtsantritt des Senats im Frühjahr 2023 in der Hinsicht nichts passiert. Nicht einmal beim eigenen Kriteriendefiniergesetz. Stattdessen erklärte Senatschef Kai Wegner (CDU) im April: „Mit mir als Regierendem Bürgermeister wird es Enteignungen von Wohnungsunternehmen in dieser Stadt nicht geben. Punkt.“ Kaum anders hatte sich in der Vergangenheit die Ex-Regierende und heutige SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey geäußert.

Dementsprechend uneuphorisch fallen nun die Reaktionen auf den Vorstoß von SPD-Fraktionschef Raed Saleh aus. So erinnert die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger daran, dass sich die „Dauerregierungspartei SPD“ seit 2021 bei allen Versuchen, „aus der Mietpreisspirale herauszukommen“, als „Bremsklotz“ erwiesen hätte.

„Es wäre daher allen Mie­te­r:in­nen geholfen, wenn die SPD nicht nur schöne Sommerinterviews gibt, sondern Mieterschutz auch ernsthaft umsetzt“, sagt Schmidberger zur taz. Doch selbst hier sei die SPD-Bilanz „mehr als mau“, vom längst auf Eis gelegten Thema Vergesellschaftung ganz zu schweigen.

Niklas Schenker von der Linken nennt die Ankündigung von Saleh gegenüber der taz „geradezu zynisch und wenig glaubwürdig, nachdem die SPD drei Jahre die Umsetzung des Volksentscheids verhindert hat“. Sollte es eine ehrliche Meinungsänderung der So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen geben, seien die Abgeordneten der Linksfraktion „die ersten, die mit größter Freude ein Vergesellschaftungsgesetz im Parlament beschließen“, so Schenker.

Achim Lindemann, Deutsche Wohnen & Co enteignen

„Schön, dass Raed Saleh aufgewacht ist und merkt, dass die Mieten steigen“

Ähnlich sarkastisch reagiert man bei der Vergesellschaftungs-Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. „Schön, dass Raed Saleh aufgewacht ist und merkt, dass die Mieten steigen“, sagt Sprecher Achim Lindemann zur taz. Wie Katrin Schmidberger und Niklas Schenker weist dann auch Lindemann darauf hin, dass die SPD als Teil des Senats „die Vergesellschaftung seit 2021 aktiv blockiert“.

Raed Saleh selbst habe auch nie den Kontakt zu Deutsche Wohnen & Co enteignen gesucht oder im Sinne der Initiative gehandelt. Zudem sei die Forderung weder ausreichend noch zielführend, so Lindemann: „Anstelle eines sinnlosen Rahmengesetzes sollte ein echtes Vergesellschaftungsgesetz geschrieben werden.“

An einem solchen arbeitet die Initiative seit einer Weile selbst. Spätestens 2025 will man ein fertiges Vergesellschaftungsgesetz vorlegen. Lindemann sagt: „Wir kommen mit unserem Gesetz sehr gut voran.“ Wenn der Senat den Prozess, wie angenommen, weiter blockiert, will Deutsche Wohnen & Co enteignen ein neues Volksbegehren auf Grundlage dieses Gesetzes starten. Sollte der anschließende Volksentscheid erfolgreich sein, träte das Gesetz sofort in Kraft. Völlig unabhängig von der SPD.

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