Drohender Krieg zwischen Iran und Israel: Große und größere Gefahren
Viele Israelis leben derzeit in Todesangst vor dem Regime in Teheran, aber fürchten auch den politischen Überlebenskampf von Benjamin Netanjahu.
W ieder einmal scheint der Schuldige der Eskalation klar. Das Regime in Teheran. Die Frage scheint nur noch zu sein, wann die iranischen Raketen in Richtung Tel Aviv, Haifa und Jerusalem fliegen. Und ob die mit Teheran verbündeten Proxys, Hisbollah im Libanon, Huthis im Jemen, zeitgleich angreifen und damit erstmals Israels Raketenschutzschirm Iron Dome in die Knie zwingen. Die Botschaften zahlreicher Länder fordern ihre Bürger auf, aus dem Libanon auszureisen.
Erst langsam wird vielen Israelis klar, dass es der eigene Premierminister und seine radikalen Koalitionspartner sind, die auf Eskalation setzen. Tatsächlich sieht die derzeitige israelische Regierung nun eine einmalige Chance gekommen, die in Beirut und dem Süden des Libanon populäre, von Deutschland als Terrororganisation eingestufte Hisbollah zu zerstören. Die dafür nötige US-Unterstützung wäre nach einer iranischen Vergeltung für das Attentat auf Ismael Hanijeh sicher. Mit einem Hisbollah-Rückzug aus der Grenzregion würde nur ein sowieso nötiger Krieg lediglich verschoben. Darin sind sich die israelischen Offiziere einig. Der Norden Israels ist seit Monaten unter Beschuss, Zehntausende Israelis wurden deshalb evakuiert.
In Europa ignoriert man bislang, was ein zu erwartender israelischer Angriff auf die Hisbollah für die Infrastruktur im gesamten Libanon bedeutet: ein endgültiger Zusammenbruch der angeschlagenen Wirtschaft. Die Mehrheit der Libanesen sieht die Hisbollah als ausländische Okkupation, wird aber wie die Palästinenser im Westjordanland am meisten unter einem Krieg leiden. Netanjahu wird die so entstehende Flüchtlingswelle nach Europa nicht stören. Ein weiteres Ziel seiner radikalen Koalitionspartner ist die Ausweitung der jüdischen Siedlungen und neue Siedlungen in Gaza.
Teheran verliert mit einem Krieg gegen Israel wohl das Raketenarsenal seiner Verbündeten und damit einen Drohfaktor. Viele Israelis leben derzeit wieder einmal in Todesangst vor dem Regime in Teheran, aber fürchten auch den politischen Überlebenskampf von Benjamin Netanjahu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“