Schiffs-Recycling in Deutschland: Vom Wrack zum Rohstoff

Zwei deutsche Werften würden gerne hier Schiffe recyceln, doch die Hürden sind hoch. Bisher geschieht das unter schlechten Bedingungen in Südasien.

Zwei große Schiffe liegen an einem Strand, davor laufen Arbeiter herum

Mit „Beaching“ soll in Zukunft Schluss sein: Schiffsrecycling soll künftig Umwelt- und Arbeitsschutzstandards einhalten Foto: dpa/Zuma Press

HAMBURG taz | Das Abwracken von Schiffen ist ein schmutziges und viel kritisiertes Geschäft, das vor allem in Südasien betrieben wird. Jetzt schicken sich zwei deutsche Werften an, hierzulande sauber und sicher ausgediente Schiffe zu recyceln. Das ist allerdings nicht ganz einfach. „Hohe Lohnkosten, bürokratische Hürden sowie hohe Finanzierungsvolumina stellen in Deutschland erhebliche Markteintrittsbarrieren dar“, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Maritimen Zentrums, einer Organisation zur Stärkung der Branche, in der die fünf Nord-Bundesländer und die großen maritimen Verbände vertreten sind.

Mehr als 70 Prozent aller außer Dienst gestellten Schiffe werden in Indien, Pakistan und Bangladesch auf den Strand gesetzt und dort von Hand zerlegt. Umwelt- und Arbeitsschutzstandards spielen bei diesem „Beaching“ kaum eine Rolle. „Arbeiter kommen zu Tode, sie verletzen sich oder entwickeln Krankheiten aufgrund der gefährlichen Arbeitsbedingungen und der Gifte, denen sie ausgesetzt sind“, kritisiert die Brüsseler Shipbreaking Platform, ein Zusammenschluss von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen.

Zudem schädige der unzulängliche Umgang mit giftigen Abfällen die lokalen Ökosysteme und Gemeinden. Das Abwracken von Schiffen gehöre zu den „gefährlichsten Arbeiten überhaupt, mit inakzeptablen Raten an Todesfällen, Verletzungen und Arbeitskrankeiten“, warnt die Internationale Arbeitsorgansisation (ILO).

Das Problem ist schon lange bekannt. Schon 2009 hat die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) das sogenannte Übereinkommen von Hongkong verabschiedet, nach dem von jedem größeren Schiff ein Gefahrstoffinventar angelegt werden muss. Schiffe dürfen nur auf Werften verschrottet werden, die nachweislich alle Umwelt- und Sicherheitsauflagen des Hongkong-Übereinkommens erfüllen. Nachdem zuletzt Bangladesch und Liberia beigetreten waren, kann das Abkommen am 26. Juni 2025 in Kraft treten.

Im Durchschnitt 40 Jahre alt

Die Organisation Shipbreaking Platform sieht das Hongkong-Übereinkommen kritisch. „Beinahe 100 Beaching-Plätze in Indien sind nach dem Hongkong-Übereinkommen zertifiziert worden“, sagte die Gründerin und Geschäftsführerin Ingvild Jenssen der taz. „Keiner von ihnen dürfte sich in der EU bewerben.“

Hinzu komme, dass das Hongkong-Übereinkommen für Flaggenstaaten gelte. Fahren die Schiffe unter der Flagge eines Landes, das nicht beigetreten ist, wie Palau, die Komoren oder die Mongolei, die ja noch nicht einmal eine Küste hat, brauchen sie sich um die Vorgaben nicht zu scheren. „Die Schiffe wechseln ihre Flagge einfach kurz bevor sie die Abwrackwerften in Südasien anlaufen“, sagte Jenssen. Ihre NGO ermutige daher Firmen wie die Bremer Leviathan und die Emder Werft sicherere und umweltfreundlichere Wege zu finden, um Schiffe zu verschrotten.

Die Emder Werft und Dock GmbH (EDW) hat im März angekündigt, kleinere Schiffe – von Behörden, Binnenschiffe, Küstenfähren – verschrotten zu wollen. „Der Bedarf ist da“, stellte EDW-Geschäftsführer Björn Sommer fest. Bei Hafenbetriebsgesellschaften oder der Wasserschutzpolizei hätten die Schiffe ein Durchschnittsalter von mehr als 40 Jahren.

Die nötige Vorerfahrung habe die EWD. „Bei der Renovierung des Museumsschiffs ‚Amrumbank‘ haben wir seinerzeit das Schiff komplett entkernt und schon damals ist bei uns die Erkenntnis gewachsen, dass sich das Team mit Stoffen und Materialien und dem Rückbau eines Schiffes auskennt“, sagte Sommer. Jetzt sei EDW fest entschlossen, in dieses Geschäftsfeld einzusteigen. Das notwendige Zertifizierungsverfahren laufe.

Roboter, KI und erneuerbare Energie

Ebenfalls einsteigen, aber beim Recycling großer Einheiten, will die Bremer Firma Leviathan. Sie hat sich nicht weniger vorgenommen, als „das Drehbuch für das Schiffsrecycling neu zu schreiben“. Zum Einsatz kommen sollen dabei Roboter, KI, erneuerbare Energie und ein Schneideverfahren mit einem Strahl aus Wasser und Sand.

Leviathan hat im September eine Fläche von der Hansestadt Stralsund gepachtet, um „Deutschlands erste und nahezu emissionsfreie Schiffsrecyclinganlage zu eröffnen“. Geschäftsführer Simeon Hiertz findet: „Es braucht eine Lösung, die im positiven Sinne industrialisiert ist.“ Wie er der taz sagte, sollen zunächst die Gefahrstoffe aus den Schiffen geholt und diese davon durch Roboter von außen in normierte Teile zerlegt werden, die wie am Fließband abtransportiert würden.

Hiertz hofft, auf diese Weise ein Schiff binnen zwei bis drei Wochen statt vier bis sechs Monaten zurückbauen zu können. Abnehmer könnte die Stahlindustrie sein, die mit dem hochwertigen Recyclingstahl ihren CO2-Ausstoß verringern könnte.

Genehmigung dauert lange

Hiertz kritisiert, das Genehmigungsverfahren für das Schiffsrecycling dauere übermäßig lange. Schließlich gebe es ja eine EU-Verordnung dazu. Allerdings kommen hier mehrere Rechtsgebiete und Zuständigkeiten zusammen oder infrage: das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Abfallrecht, eventuell eine Öffentlichkeitsbeteiligung.

Das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns kann Hierz’ Kritik nur bedingt nachvollziehen. Leviathan sei 2022 mit der Idee einer Abwrackanlage an das Ministerium herangetreten. Die Unterlagen für ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz lägen allerdings erst seit dem 11. März dieses Jahres vor. Weil eine Stelle gerade nicht besetzt sei, könne der Antrag nicht sofort bearbeitet werden.

Für den gesamten technologischen Prozess der Schiffszerlegung gebe es keine Erfahrungen, teilte das Ministerium mit. „Dies stellt an die Genehmigungsbehörde, welche die Vermeidung umweltgefährdender Einwirkungen zu beurteilen hat, außerordentliche Anforderungen dar“, sagte Sprecherin Eva Klaußner-Ziebarth der taz. Allein schon Leviathans Wasserstrahl-Schneideverfahren schließe weitere schädliche Umweltwirkungen nicht aus.

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