Liegenschaftspolitik von CDU und SPD: Schwarz-Rot beerdigt Atelierprojekt

Die geplanten Ateliers an der Osdorfer Straße in Lichterfelde werden nicht gebaut. Die Abgeordneten von CDU und SPD haben ganze Arbeit geleistet.

Das Bild zeigt einen Künstler

Nichts da mit Kunst – zumindest nicht an der Osdorfer Straße im Steglitz-Zehlendorfer Ortsteil Lichterfelde Foto: Imago/Zoonar

BERLIN taz | Das war’s mit dem Atelierhaus am S-Bahnhof Osdorfer Straße in Lichterfelde. Am Freitag hat die Genossenschaft „Eine für Alle“ den Bauantrag für die von ihr geplante Errichtung eines Dreigeschossers mit 25 Ateliers zurückgenommen. „So müssen wir nur die Hälfte der 15.000 Euro Gebühren zahlen und haben zum Schluss wenigstens noch was gespart“, sagt Genossenschaftsgründer Frieder Rock im Anschluss zur taz.

Das alles sei, so Rock, „traurig, aber wahr“. Denn wenn jetzt auch 7.500 Euro gerettet werden konnten: Insgesamt hat „Eine für Alle“ in den vergangenen vier Jahren nach Rocks Angaben eine halbe Million Euro Eigenkapital in die Planungen für die Brache Osdorfer Straße 17/18 gesteckt. Oder, wie er jetzt weiß: versenkt. Viel Geld und vier Jahre Arbeit für nichts und wieder nichts.

Dabei schien lange Zeit alles schon in Sack und Tüten, unterschriebene Verträge inklusive. Bis CDU und SPD im Abgeordnetenhaus gemeinsam auf den Plan traten – und dafür sorgten, dass das Genossenschaftsprojekt auf dem landeseigenen Grundstück im Bezirk Steglitz-Zehlendorf erst wackelte und nun beerdigt wurde.

Erbbauvertrag mit kleinem Haken

Doch der Reihe nach. 2020 wurde das 2.000 Quadratmeter große Grundstück an der Osdorfer Straße vom Vorgängersenat aus SPD, Grünen und Linken im Rahmen eines an Ak­teu­r:in­nen mit gemeinwohlorientierten Vorhaben gerichteten Konzeptverfahrens zur Bebauung ausgeschrieben. Die zur Gewerbesicherung gegründete Genossenschaft „Eine für Alle“ bekam den Zuschlag für ihr Atelierprojekt. In Berlin fehlen immerhin über 2.500 Arbeitsräume für Künstler:innen.

So sollte „Eine für Alle“ also bauen und dafür für 60 Jahre das Erbbaurecht für das Grundstück erhalten. Anfang 2023 wurde schließlich ein Erbbauvertrag mit dem für das Gelände zuständigen landeseigenen Dienstleister Berliner Immobilienmanagement (BIM) geschlossen.

Verträge dieser Art stehen unter dem sogenannten Genehmigungsvorbehalt durch das Abgeordnetenhaus. Ein kleiner, aber in der Regel unbedeutender Haken. Doch genau davon machten CDU und SPD im Herbst vergangenen Jahres überraschend Gebrauch. Die beiden Fraktionen beschlossen, den Vertrag zwischen BIM und „Eine für Alle“ im Hauptausschuss des Landesparlaments mit ihrer Stimmenmehrheit ohne Aussprache abzulehnen.

Später hieß es zur Begründung seitens Schwarz-Rot, man könne doch auf dem Areal dringend benötigten Wohnraum errichten. Parallel dazu war von der Unterbringung von Geflüchteten die Rede. Einen in der Koalition abgestimmten Alternativplan gab es erkennbar nicht. Einig war man sich lediglich in der Abneigung gegen die von Rot-Rot-Grün auf den Weg gebrachte Atelieridee.

Ein ungewöhnlicher Vorgang

Selbst die Senatsfinanzverwaltung bestätigt in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger, dass es sich hierbei um einen ungewöhnlichen Vorgang handelt. Aus den vergangenen 30 Jahren seien „keine vergleichbaren Fälle bekannt“, bei denen ein Konzeptverfahren über den parlamentarischen Genehmigungsvorbehalt abgebrochen wurde, heißt es in der noch unveröffentlichten Antwort, die der taz vorliegt.

Mehr noch: Sowohl die an der Planung beteiligten Senatsverwaltungen als auch die BIM – die in das Verfahren nicht eben wenig Ressourcen gesteckt hat – wurden erst im Nachgang informiert. Kommentieren will man den unabgesprochenen Alleingang der eigenen Abgeordneten trotzdem nicht: „Es gebührt dem Senat nicht, Einzelfallentscheidungen des Abgeordnetenhauses zu einem Vermögensgeschäft zu beurteilen.“

Gleich mit abgeräumt werden in der Antwort aus dem Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) aber auch die aus der Koalition zur Begründung der Ablehnung der Atelierpläne präsentierten möglichen Alternativen für die Osdorfer Straße 17/18. So wird hier festgestellt: „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben bisher kein Interesse an der Übernahme des Grundstücks bekundet. Eine erste Prüfung der Eignung des Grundstücks zu Zwecken der Unterbringung von Geflüchteten wurde seitens des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten ebenfalls negativ beschieden.“

„Eine für alle“ hatte in der Zwischenzeit den Versuch unternommen, noch einmal nachzuverhandeln. Auch das hat nichts gebracht. Nur folgerichtig hat die Genossenschaft jetzt endgültig das Handtuch geworfen. Für das Gelände an der Osdorfer Straße bedeutet das: Die Brache bleibt weiter Brache. „Komplett idiotisch“, findet Frieder Rock von „Eine für Alle“.

„Reine Willkür“

Dass nun gar nichts auf dem Grundstück geschieht, mache das von den Haus­halts­po­li­ti­ke­r:in­nen von CDU und SPD im Parlament durchgedrückte Aus für das Atelierprojekt vollends absurd, kritisiert auch Katrin Schmidberger. Überhaupt, so die Sprecherin für Mieten und Wohnen der Grünen-Fraktion zur taz: „Dass Schwarz-Rot den Bau eines Atelierhauses an der Osdorfer Straße 17/18 aktiv verhindert hat, ist und bleibt widersinnig, reine Willkür und eine klare Abkehr von den Prinzipien der transparenten Liegenschaftspolitik“ – also der Vergabe landeseigener Grundstücke nach der Maßgabe des Nutzens für die Stadt.

Letztlich, sagt Schmidberger, sei die Entscheidung „nicht nur eine Absage an etablierte und demokratische Verfahren. Vor allem schwächt es das Vertrauen in die Politik.“ Denn: „Wer wird sich denn zukünftig noch auf Konzeptverfahren bewerben?“

Die Frage scheint nicht ganz unberechtigt. So erklärte der SPD-Haushaltspolitiker Sven Heinemann jüngst bei einer Dringlichkeitssitzung des Runden Tischs: „Natürlich steht die SPD für Verbindlichkeit, aber keiner kann Ihnen diese Verbindlichkeit garantieren.“

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