Verletzlichkeit im Beruf: Der unheimliche Besuch vom Nichts

Im Job ständig Absagen zu bekommen, ist so üblich wie unangenehm. Besonders, wenn wegen PMS das Selbstwertgefühl ohnehin auf dem Tiefpunkt ist.

Gebrauchte Papiertaschentücher liegen auf dem Boden

Weinen hilft – Taschentücher auch Foto: Eckhard Stengel/imago

Mit PMS eine Absage zu erhalten, schaltet nochmal ein neues Level an Selbstzweifeln frei. Leider keine leere Phrase, sondern gelebte Erfahrung. Wegen einer Seitenstrangangina (ja, auch das noch!) durfte ich meine Therapiestunde online zu Hause abhalten.

Gerade widmeten wir uns meinen Krankheitsängsten, als am rechten Bildschirmrand eine Mail aufploppte. Die ersten Sätze ließen mich bereits nichts Gutes erahnen und tatsächlich war es die Absage für einen Pitch. Damit muss man als Au­to­r*in umgehen können. Dauernd muss man Ideen anpreisen, im besten Fall verkaufen, muss mit den Änderungen klarkommen und muss dann noch die Kritik von außen aushalten können.

Muss, muss, muss, hätte, hätte Fahrradkette. Ich kann damit nicht so gut umgehen. Und mal ehrlich, wahrscheinlich bin ich damit auch nicht alleine. Nur ist es als unprofessionell und unerwachsen verschrien, diese Verletzlichkeit zu zeigen.

Überhaupt große Gefühle, lieber alles kleiner darstellen, freundlich nicken, bloß nichts anmerken lassen. Dieses Credo der Erwachsenenwelt gilt nicht für Therapiestunden.

Ein Glück. Konnte ich mich nun also ausgiebig der Abwertung meiner Persönlichkeit widmen. Getreu meinem Motto „Erst mal weinen“, begannen mit Erhalt der E-Mail einige Tränen zu fließen und ich informierte meinem Therapeuten darüber, „ein kleines Nichts“ zu sein.

„Also Frau Lorenz, was Sie schon alles erreicht haben!“ „Ja, nein, ja, aber trotzdem ich kann einfach nichts, das müssen Sie zugeben, schließlich waren Sie live dabei, als der Beweis hierfür mich eben erreichte. Jetzt muss ich gleich auch noch zur Krebsvorsorge und bin krank und habe PMS. Wie kann einem kleinen Nichts derart viel zugemutet werden?“

Außerhalb kapitalistischer Verwertbarkeitskriterien

Wusste er jetzt auch nicht. Etwas beruhigen konnte er das kleine Nichts aber doch noch. Und so kam ich, Sarah Lorenz, 40 Jahre, wieder zum Vorschein. Das Gefühl der Unzulänglichkeit, der Talentfreiheit und des Imposters – auch bekannt als das Hochstaplersyndrom – klopfte dennoch alle paar Minuten wieder bei mir an. Und weil wir uns so gut kennen, ließ ich es jedes einzelne Mal erneut herein, fehlte nur noch, dass ich ihm ein Käffchen angeboten hätte.

Am wohlsten fühlt es sich bei mir – wie jedes unangenehme Gefühl – wenn ich PMS habe. Da kann es seine volle Wucht entfalten. Mich vergessen machen, was ich – außerhalb kapitalistischer Verwertbarkeitskriterien – noch bin. Mir einreden, bisher viel Glück gehabt zu haben, aber irgendwann fliegt man eben doch auf, siehste mal, jetzt auch du!

Nun ist es ja normal, geknickt zu sein wenn man eine Absage erhält. Ob für einen Text, eine neue Arbeitsstelle oder eine Wohnung. Deswegen seine gesamte Persönlichkeit in Frage zu stellen, erscheint mir jedoch unverhältnismäßig.

Dass mich diese – ach so erwachsene – Reflexion ob der Unverhältnismäßigkeit davon abhalten wird, die nächste Absage (während PMS) souveräner handzuhaben, bezweifle ich. Auch nächstes Mal werde ich wieder ALLES anzweifeln, denn das kleine Nichts fühlt sich einfach zu wohl bei mir.

Im Übrigen ist das Akronym PMS im Wort IMPoSter enthalten und das kann wohl kaum ein Zufall sein. Merkt euch das bitte, wenn das Nichts euch das nächste Mal Lügen ins Ohr schreit.

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Sarah Lorenz wurde 1984 in Eckernförde geboren, lebt und schreibt auf St.Pauli. Seit 2023 Kolumne PMS-Ultras in der taz. Im Internet bringt sie unter dem Pseudonym Buchi Schnubbel allabendlich eine Kleinstadt an Menschen zu Bett.

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