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Ausstellung über Dada-KünstlerinnenDie Falle des Flüchtigen

Viele Protagonistinnen des Dadaismus sind heute vergessen. „der die Dada. Unordnung der Geschlechter“ im Arp Museum Remagen stellt sie vor.

Marta Hegemann, Ohne Titel (Selbstporträt als Torso vor Buch mit Katze), o. D. (1925-38), Nachlass Marta Hegemann (Ausschnitt) Foto: Mick Vincenz

Sie schrieb Gedichte mit erotischen Provokationen. Die Textzeilen, in Deutsch und Englisch, waren manchmal wie Treppenstufen angeordnet. Sie zeichnete. Sie ließ sich von Man Ray als Akt fotografieren, sie tanzte in exotischen und dadaistischen Kostümen. Eine kleine Skulptur aus Fundstücken, Federn, Zahnrädern und anderen mechanischen Elementen nannte sie 1922 „Porträt von Marcel Duchamp“.

Dass Duchamp, berühmt als Erfinder des Readymade, mit der Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven nicht nur befreundet war, sondern sie sich auch gegenseitig befeuerten im Spiel mit den Geschlechterrollen, im heute sogenannten Crossdressing, aber auch in der Arbeit mit vorgefertigten Waren, wurde lange nicht beachtet. Seit ihrer Wiederentdeckung wird häufig diskutiert, wie viel Baroness in Duchamps Werken steckt.

Elsa von Freytag-Loringhoven ist eine der vielen schillernden und lange nur in Nebenrollen erwähnten Protagonistinnen aus dem weiten Feld von Dada in Zürich, New York, Paris, Köln und Berlin, die in der Ausstellung „der die Dada. Unordnung der Geschlechter“ im Arp Museum in den Mittelpunkt gerückt werden.

Aus Dada New York wird auch Beatrice Wood vorgestellt, die mit Duchamp und anderen die dadaistische Zeitschrift „The Blind Man“ herausgab, Essays schrieb und in ihre Zeichnungen und Collagen Wortspiele einbaute.

Hannah Höch und ihre Puppen

Die Ausstellung

„der die Dada. Unordnung der Geschlechter“: Arp Museum, Bahnhof Rolandseck, Remagen, bis 12. Januar 2025. Katalog:

38 Euro

Dada, oft nur eine kurze Periode mit weitem Nachhall, scheint ein eigentlich gut ausgeleuchtetes Gebiet in der Kunstgeschichte. Als Künstlerin bekannt ist Hannah Höch, die in der Ausstellung mit Puppen dabei ist. Sie wirken wie improvisiert aus diesem und jenem Materialrest zusammengefügt, fragil und aufmüpfig.

Viele der Frauen aber, die mit auftraten in den dadaistischen Aktionen des Angriffs auf das Gewohnte, die schrieben, performten und ihre oftmals bekannteren Künstlerfreunde unterstützten, sind kaum sichtbar in der Geschichte.

Die Ausstellung, die dies ändern will, ist ein Projekt von Julia Wallner, seit zwei Jahren Direktorin im Arp Museum im Bahnhof Rolandseck (nahe Bonn). Zuvor leitete sie in Berlin das Georg Kolbe Museum und nutze auch dort viele Gelegenheiten, Künstlerinnen aus Kolbes Umfeld, darunter Tänzerinnen der Zeit, vorzustellen.

Sonia Delaunay: Kostümentwurf, 1923, in: Tristan Tzara, Le cœur à gaz, Jacques Damase Éditeur, Paris 1977 Foto: © Pracusa 20240606

„der die Dada“ folgt der These, dass das Vergessen der Beiträge von Künstlerinnen einerseits oft darauf beruhte, dass sie am Flüchtigen und Ephemeren auf den Dadabühnen mitarbeiteten und auch nicht immer Anspruch auf die Autorenschaft erhoben. Andererseits wurden sie, wenn sie etwa Kostüme entwarfen wie Sonia Delaunay für ein Stück von Tristan Tzara in Paris, oft dem minder beachteten Kunstgewerbe zugeschlagen.

Die Streuung des Dada-Geistes

Hans Arp, dem das Museum gewidmet ist, war nicht nur bei Dada in Zürich dabei, der ersten Keimzelle ab 1916, sondern spielte, wie Julia Wallner betont, eine große Rolle bei der Streuung des Dada-Geistes, in Zeitschriften, als Verleger, oft auch durch die Gestaltung grafischer Elemente.

Emmy Hennings, die mit Hugo Ball in Zürich 1916 das berühmte Cabaret Voltaire eröffnet hatte, beanspruchte, den Namen „Dada“ ins Spiel gebracht zu haben. In einer seltsamen Fotografie ist sie als Spinne auf einer kleinen Bühne zu sehen. Als Autorin hatte sie für die Zeit ungewöhnlich offen über Sexualität, Begehren, Drogen oder Abtreibung geschrieben. Ihr Leben war von vielen Entbehrungen gezeichnet, auch von der Erfahrung erzwungener Prostitution.

Von Reinhold Rudolf Junghanns sind Aktzeichnungen von ihr zu sehen, die das Düstere und Verstörende im Umgang mit einem Körper zeigen, der nicht zur Ruhe kommen kann.

Zu Dada in Köln gehörten Agnes Arntz, Angelika Hoerle und Marta Hegemann. Letztere hat 1926 August Sander fotografiert, mit einer Zeichnung von zwei Vögeln im Gesicht, die über ihre Wange fliegen. Von ihr zeigt die Ausstellung eine fantastische Landschaft (1939), in der Hände und Vogelköpfe aus amorphen Formen steigen: Sind es Hilferufe in einer Kulisse voller Ruinen? In einem Selbstporträt (mit kurzem Haarschnitt) hat sie sich als Torso dargestellt, eine klassische Form der Kunstgeschichte, in der ihr aber mit den Armen jeglicher Handlungsspielraum fehlt.

Teilweise wenig dokumentiert

Nicht alle der vorgestellten Frauen haben ein künstlerisches Werk so wie Hegemann hinterlassen, oft verlieren sich ihre Spuren auch in wenigen Dokumenten. Von Luise Straus-Ernst, der ersten Frau von Max Ernst, ist nur eine kleine Assemblage zu sehen. Sie war bei den ersten Ausstellungen von Dada in Köln dabei, die teils behördlicherseits verboten wurden. Trotzdem kennt man kaum noch Arbeiten von ihr.

Vor dem Nationalsozialismus flüchtete sie nach Frankreich und wurde von dort 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. So sind es oft auch die Biografien der Frauen, die von harten Ausschlüssen erzählen. Auch deshalb scheint es ein notwendiges Anliegen, wieder an sie zu erinnern.

Dass bei der Suche nach den Spuren vergessener Künstlerinnen die Materiallage oft erschreckend dünn ist, ist das eine. Dass die Bilder, die wir heute von ihnen entwerfen, aber teils auch Wunschbilder von emanzipierten Pionierinnen sind, ist das andere. Auch davon erzählt die Ausstellung, mit einem Film, den Barbara Visser über Elsa von Freytag-Loringhoven gemacht hat. Etwas sophisticated, aber mit Witz lässt ihre filmische Spurensuche auch die Wunschproduktion erahnen, die in den Lücken des gesicherten Wissens so gut gedeihen kann.

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