Daniel Bax über Einschränkungen der Versammlungsfreiheit
: Polizeistaatsräson

Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden – das hat Rosa Luxemburg einmal gesagt, es ist ihr berühmtestes Zitat. Diese Freiheit ist in Europa bedroht, wie Amnesty International in einem aktuellen Bericht zur Versammlungsfreiheit aufzeigt. Europaweit trifft das vor allem propalästinensische Proteste. Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die Lage deutlich verschärft. Zum Palästina-Kongress in Berlin mit weniger als 250 Teil­neh­me­r:in­nen wurden 2.500 Polizeibeamte abkommandiert, prominente Teilnehmer per Verbot an der Einreise gehindert und der Kongress selbst wurde nach nur zwei Stunden aufgelöst.

Dass deutsche Gerichte solche präventiven Einreiseverbote oder das pauschale Verbot bestimmter Parolen inzwischen für rechtswidrig erklärt haben, scheint Politiker hierzulande nicht zu beirren. Mehrere Pro-Palästina-Camps an Hochschulen wurden seitdem mit Gewalt aufgelöst, die Teilnehmer mit fragwürdigen Strafanzeigen überzogen. Das hat einen „Chilling Effect“ – es schreckt andere davon ab, selbst zu protestieren.

Nach der Räumung eines Pro-Palästina-Camps im Mai in Berlin verteidigten über 1.000 Lehrende in einem offenen Brief das Recht auf friedlichen Protest an ihren Hochschulen. Dass die Bildungsministerin sie dafür diffamierte und in ihrem Ministerium geprüft werden sollte, ob man den Unterzeichnern Fördermittel entziehen könnte, passt in das autoritäre Bild. Dass die Bundesregierung beschlossen hat, Ausländer künftig schon für ein „Like“ in den sozialen Medien auszuweisen, macht es nicht besser.

Dass ausgerechnet die Ampelregierung so stark auf Repression setzt, ist fatal. Die ersten Versammlungsverbote in Berlin wurden sogar unter einem rot-rot-grünen Senat verfügt. Der Union geht das alles noch nicht weit genug. Und sollte die AfD jemals an die Macht kommen, muss sie sich nur noch ins gemachte Nest setzen. Sie muss nur neue Gesinnungsstraftatbestände schaffen, um ihre Gegner zu verfolgen – zum Beispiel „Deutschenfeindlichkeit“. Die Methoden sind schon alle da – und bereits erprobt.

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