US-Gerichtshof urteilt zu Trump: Ein gefährlicher Weg

US-Gerichtshof bestätigt Immunität für Amtshandlungen eines Präsidenten. Das öffnet Tür und Tor für künftige autoritäre Populisten. Zuallererst Trump.

Vor dem Gebäude des Obersten Gerichtshofes in Washington steht ein Mann mit einer Pro-Trump-Mütze

Ein glücklicher Trump-Anhänger am Montag vor dem Supreme Court in Washington Foto: Kevin Mohatt/reuters

Wenn man sich irgendwann einmal fragen wird, wie es so weit hat kommen können mit dem Niedergang von Demokratie und Rechtsstaat in den USA, dann wird der 1. Juli 2024 in Erinnerung bleiben. Das Urteil der konservativen Mehrheit des Obersten Gerichtshofes vom Montag, das amtierenden wie ehemaligen US-Präsidenten absolute Immunität für alle offiziellen Amtshandlungen zusichert, die Definition dessen, was als „offizielle“ Amtshandlung anzusehen sei, aber den unteren Instanzen überlässt, öffnet dem Machtmissbrauch Tür und Tor.

Unmittelbar besteht der Effekt des Urteils darin, dass Donald Trump sich nunmehr mit fast 100-prozentiger Sicherheit nicht mehr vor dem Wahltag am 5. November für seine betrügerischen Versuche vor Gericht verantworten muss, die Wahlergebnisse von 2020 in ihr Gegenteil zu verkehren. Darum war es Trumps Anwälten zunächst vor allem anderen gegangen, und die Obersten Rich­te­r*in­nen spielten Trumps Spiel mit und verzögerten das Verfahren bis zum letztmöglichen Moment vor ihrer Sommerpause.

Aber die Gefahr des Urteils besteht nicht vor allem darin, Trump ein bisschen dabei zu helfen, im November erneut die Wahlen zu gewinnen. Dafür dürften die Unbeliebtheit des Präsidenten Joe Biden, dessen nicht wiedergutzumachende Debattenkatastrophe vom vergangenen Donnerstag und die absehbare Unfähigkeit der Demokratischen Partei, die Reißleine zu ziehen, die wichtigeren Faktoren sein.

Alles möglich für künftige autoritäre Populisten

Das Schlimmste an dem Urteil ist, welche Möglichkeiten sich damit Trump oder zukünftigen autoritären Populisten ergeben. Bei der Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof Ende April stellten die Rich­te­r*in­nen Trumps Anwälten die Frage, ob sie sich unter „absoluter Immunität“ auch vorzustellen hätten, dass ein Präsident, der als Oberbefehlshaber das Militär anweist, einen politischen Gegner zu ermorden, dafür straffrei bliebe. „Kommt drauf an“, war die Antwort.

Das hätte alle Alarmglocken schrillen lassen müssen – aber dennoch folgten die Rich­te­r*in­nen im wesentlichen Trumps Argumentation. Demnach müsse ein Präsident vor späterer Strafverfolgung geschützt bleiben, wenn er im Interesse des Landes jene oftmals harten Entscheidungen mutig treffen solle, die das Amt nun einmal erfordere.

Hätten die Rich­te­r*in­nen wenigstens klar definiert, was als offizielle, also vor Strafverfolgung geschützte und was als nicht-offizielle Handlungen anzusehen sei, könnte es noch ein paar Leitplanken geben. Aber genau das überließen die Rich­te­r*in­nen unter Vorsitz von John Roberts den unteren Instanzen.

Womöglich sorgt jetzt Trump wider Willen selbst dafür, dass erste Präzedenzfälle recht bald entschieden werden. Nur Stunden nach dem Urteil schickte er am Montag seine Anwälte nach New York, um seine dortige Verurteilung im Schweigegeldverfahren aufgrund des Supreme-Court-Urteils anfechten zu lassen. Ein Urteil also, das sich auf Taten vor dem Amtsantritt Trumps bezieht und erkennbar mit den Aufgaben eines Präsidenten überhaupt nichts zu tun hat.

Dann ist wirklich alles verloren

Sollte irgendein Gericht diesem irrsinnigen Begehren von Trump folgen, dann ist wirklich alles verloren. Wahrscheinlicher ist, dass sein Antrag lediglich dazu führt, dass die für Mitte Juli geplante Verkündung des Strafmaßes und das anschließende Berufungsverfahren dadurch ebenfalls so in die Länge gezogen werden, dass vor dem Wahltag nichts mehr passiert.

Die von Trump beschaffte konservative 6:3-Mehrheit im Obersten Gerichtshof zeigt ihre fatale Wirkung. Die von der rechten Juristenorganisation Federalist Society nach einem klar politischen Fahrplan vorgeschlagenen Rich­te­r*in­nen liefern, was von ihnen erwartet wird. Das Gericht ist nach wie vor formal unabhängig – es urteilt ja nun erkennbar nicht im Sinne oder gar auf Weisung der derzeitigen US-Regierung – folgt aber einer politischen Agenda.

Kommt Trump wieder an die Macht, kann er auf allen Ebenen der Justiz viele weitere Richter von der Liste der Federalist Society einsetzen. Das Recht, das vor Übergriffen der politisch Mächtigen schützt, könnte dann tatsächlich in den USA der Vergangenheit angehören.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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