Scarlett Johansson gegen OpenAI: Nimm das, KI!
OpenAI darf Scarlett Johansson Stimme nicht als KI-Version verwenden. Das ist ein Teilerfolg.
S am Altmann, Chef des ChatGPT-Entwicklers OpenAI, fragte den Hollywood-Star Scarlett Johansson im Herbst 2023, ob sie ihre Stimme für eine neue Assistenzsoftware bereitstellen würde. Johansson lehnte ab. Nach ihrer Darstellung, die von OpenAI nicht bestritten wird, wurde auch eine erneute Nachfrage vor zwei Wochen abgelehnt.
In jedem gewöhnlichen Geschäftsfeld wäre die Geschichte damit zu Ende gewesen. Nicht jedoch in der Blase des Größenwahnsinns, in der Technologie-Milliardäre zu leben scheinen. Bei der Vorstellung neuer Sprachassistenten präsentierte OpenAI vor einigen Tagen unter anderem die Stimme „Sky“, die verdächtig nach Scarlett Johansson klang. In einem Social-Media-Post drückte Sam Altman seine Begeisterung mit nur einem Wort aus: „her“. Rein zufällig ist das der Titel eines Films, in dem Johansson einer künstlichen Intelligenz die Stimme leiht.
Hinter den Kulissen folgte der eilige Austausch anwaltlicher Schriftsätze, an deren Ende OpenAI, nach Angaben Johanssons „nur widerwillig“, die Stimmkopie abschaltete. Das Unternehmen erklärte nun, dass die verwendeten Stimmen nicht absichtlich Prominente nachmachen sollten und behauptet, dass „Sky“ keine Imitation von Scarlett Johanssons Stimme sei. Das kann die Schauspielerin gelassen übergehen.
In ihrem Statement macht Johansson deutlich, dass sie mehr Transparenz über die Mechanismen des AI-Geschäfts und besseren gesetzlichen Schutz individueller Rechte der Kreativen erwartet. Damit befindet sich die Schauspielerin auf einer Linie mit ihrer Gewerkschaft, SAG-AFTRA, die mit Nachdruck für Gesetze lobbyiert, die die unautorisierte Verwendung von Stimmen und Abbildern ihrer Mitglieder verhindern sollen. Das ist ein wichtiger Schritt zum Schutz kreativer Arbeit. Es ist aber nur ein Anfang, um mit Produktionsbedingungen im digitalen Zeitalter umzugehen.
Die Stimme verkaufen
Die Pseudoentschuldigung von OpenAI gibt einen Hinweis darauf, wohin die Reise künftig gehen soll. So wird behauptet, dass die Stimmen der Sprachassistenten, inklusive der Johansson-Kopie, von bezahlten Schauspieler*innen eingesprochen seien. Man könne deren Identitäten aber zum Schutz der Privatsphäre nicht offenbaren. Privatsphäre ist ein etwas unplausibles Argument in einem Geschäft, in dem sich Marktwert doch aus öffentlicher Wahrnehmung errechnet und unbekanntere Schauspieler*innen jeden Werbespot, an dem sie mitgewirkt haben, stolz in der Vita präsentieren.
Aber die Anonymität der Stimmen ergibt durchaus Sinn. Schließlich müssen Voice Actors etwa in Videospielen und Hörbüchern oft die Verwertungsrechte an ihren Stimmen über die eingesprochenen Rollen hinaus den Studios einräumen. Die können das Material bequem verkaufen und verändern.
So werden Stimmdatenbanken aufgebaut, die sich aus der Arbeit realer Schauspieler*innen speisen. OpenAI kann aus diesem Pool die benötigten Stimmen ungefragt kaufen und das Studio verdient ohne Aufwand extra. Keine Schauspielerin kann dagegen vorgehen – die Fremdnutzung ist von vornherein autorisiert.
Noch ist jedoch nicht alles verloren, solange die mächtigen Gewerkschaften der Schauspieler*innen und Autor*innen in Hollywood sich mit Blick auf AI nicht ausschließlich auf Copyrights, sondern zunehmend auf weiter gefasste Regeln für eine faire Weiterverwertung konzentrieren. Dann kann in Zukunft nicht nur Scarlett Johansson mit ihren teuren Anwälten Figuren wie Sam Altman in ihrer ganzen Peinlichkeit vorführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“