Lösungen für Angriffe auf PolitkerInnen: Funzelfahrt mit Rieslingsschorle
Wer politisch aktiv sein will, muss damit rechnen, bedroht zu werden. Das verändert vor allem die Kommunalpolitik – doch unser*e Autor*in hat Ideen.
G ewalt gegenüber Politiker*innen wird normaler. Hier ein Video, in dem eine grüne Wahlkämpferin bedroht wird, weil sie es wagte, Plakate aufzuhängen. Dort ein SPD-Europakandidat, der von Teenagern ins Krankenhaus geprügelt wird. Wer sich heute politisch engagieren will, weiß, dass er oder sie im Zweifelsfall mit politisch motivierter Gewalt rechnen muss. Diese Gewissheit verändert die große, aber vor allem die kleine Politik, die Kommunalpolitik.
Denn während Nancy Faeser und Robert Habeck von einem Sicherheitsstab beschützt werden, haben Kommunalpolitiker*innen wie ich das nicht. Wir sind direkt damit konfrontiert, dass man uns im Zweifel zu Hause aufsucht oder unsere Familie bedroht. Das macht etwas mit uns. Wer will sich schon ehrenamtlich engagieren, wenn er zusätzlich noch Gefahr läuft, zur Zielscheibe von Rechtsextremen zu werden?
Mir macht es Angst, wenn mir anonyme Accounts auf sozialen Medien vor einer Stadtratssitzung schreiben, ob ich mich denn langsam mal auf den Weg machen würde und wie sehr sie sich freuen würden, mir „mal über den Weg zu laufen“. Es verändert mindestens die Art und Weise, wie ich abends durch die Stadt gehe, welche Fotos aus meiner unmittelbaren Wohngegend ich poste und wann ich das Auto statt den Bus nehme.
Bei vielen anderen sorgt es dafür, dass sie gar nicht erst den Weg in die Kommunalpolitik oder den Verein vor Ort gehen werden. Rechtsextreme gehen gezielt vor. Sie wollen die Säulen, auf denen unsere Gesellschaft steht, langsam zum Einbrechen bringen. Die Gewalt gegenüber Mandatsträger*innen und Wahlkämpfer*innen ist ein weiterer Versuch auszuloten, wie weit sie gehen können.
Die Resultate sind bereits da: Wer queer, weiblich oder migrantisch ist, wird sich in diesem Umfeld noch einmal mehr überlegen, ob er oder sie sich engagieren soll. Das ist der Triumph derer, die sich eine Gesellschaft wünschen, in der langsam wieder das Recht des Stärkeren gilt.
Bürger*innen könnten beim Plakatieren mitgehen
Politisch profitiert von dieser Verschiebung die AfD. Dafür braucht es im Jahr 2024 keine besonders große Interpretationsfähigkeit mehr. Ankündigungen wie Alexander Gaulands „Wir werden sie jagen“ werden nicht naiv formuliert. Wer so redet, weiß, wie sie das eigene politische Umfeld versteht. Und trotzdem sind wir darauf schlecht vorbereitet. Zeit, das zu ändern.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Der Sicherheitsapparat sollte für kommunale Mandatsträger*innen und andere Ehrenamtliche zugänglicher werden. Wie oft werden Bedrohungen, die hinterher in Gewalt münden, von der Polizei abgetan? Wie oft muss erst etwas wirklich passieren, bevor Polizei und Staat das Problem ernst nehmen? Und wie soll sich jemand guten Gewissens an die Polizei wenden, wenn alle paar Jahre eine neue rechtsextreme Chatgruppe auftaucht?
Oder eine kreative Idee: Wir brauchen Bürger*innen, die mitgehen beim Plakatieren – auch wenn sie nicht Mitglied der Partei auf dem DIN-A2-Plakat sind. Bürger*innen könnten auf die Veranstaltung des Ortsbürgermeisters gehen, nur damit Rechtsextreme dort keine Stimmung der Gewalt erzeugen können.
Die Lösungen können regional gestaltet werden: Warum nicht eine Funzel-Fahrt mit Anhänger und Rieslingschorle während die örtliche FDP, SPD oder Linke am Plakatieren ist? Dadurch käme man sogar mal ins Gespräch. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass ein paar wenige diese Demokratie bewahren. In diesem Sinne: Bildet Banden! Demokratische natürlich.
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