+++Nachrichten im Nahost-Krieg+++: Israel öffnet Grenzübergang Erez
Erstmals seit dem 7. Oktober wird der Grenzübergang Erez geöffnet. Nahe Ramallah haben israelische Sicherheitskräfte einen Siedlungsaußenposten geräumt.
Israels Sicherheitskräfte räumen Siedlungsaußenposten
Bei Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften sind 30 israelische Siedler im Westjordanland festgenommen worden. Das teilte ein Sprecher der Grenzpolizei der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Israels Armee und Mitarbeiter der israelischen Zivilverwaltung im Westjordanland hätten am Mittwoch einen illegalen Siedlungsaußenposten nahe der Stadt Ramallah geräumt, berichteten mehrere israelische Medien übereinstimmend. Dutzende israelische Siedler versammelten sich den Berichten zufolge auf dem Gelände und versuchten, den Einsatz zu verhindern. Der Außenposten sei auf privatem palästinensischem Gelände errichtet gewesen, zitierten Medien die israelische Regierungsbehörde im Westjordanland.
Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700 000 israelische Siedler. Israel unterscheidet zwischen Siedlungen, die mit Genehmigung der Regierung entstanden sind, und „wilden Siedlungen“, die mitunter per Gesetz rückwirkend legalisiert werden. Aus internationaler Sicht sind dagegen alle Siedlungen illegal. 2016 bezeichnete der UN-Sicherheitsrat die Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu stoppen. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staats.
Israels rechts-religiöse Führung treibt den Siedlungsbau trotz internationaler Kritik voran. Laut der israelischen Menschenrechtsorganisation Peace Now wurden seit Amtsantritt der Regierung Ende 2022 so viele neue israelische Wohneinheiten im besetzten Westjordanland genehmigt wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung durch die Organisation im Jahr 2012. (dpa)
Israel öffnet Grenzübergang Erez
Erstmals seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober ist der reguläre Grenzübergang Erez von Israel in den Gazastreifen wieder geöffnet. Dies sei der erste Tag, an dem der Übergang wieder passierbar sei und dauerhaft als Route für Hilfslieferungen genutzt werden solle, sagte Mosche Tetro von der für Palästinenserfragen zuständigen israelischen Behörde Cogat am Mittwoch. Er gehe davon aus, dass der Grenzposten von nun an täglich geöffnet bleibe.
Israel hatte zuletzt bereits einige Hilfslieferungen über temporäre Grenzübergänge in der Nähe erlaubt sowie im Süden nahe der ägyptischen Grenze. Doch vor allem in den weitgehend zerstörten Norden gelangte nur wenig Hilfe.
Der Grenzübergang Erez wurde bei dem von der Hamas angeführten Terrorangriff vom 7. Oktober, der den Gaza-Krieg auslöste, stark beschädigt und war seitdem geschlossen.
Die neuesten Hilfslieferungen wurden Berichten zufolge mindestens zwei Stunden lang von israelischen Demonstranten blockiert, nachdem der Konvoi auf dem Weg in den Gazastreifen vom benachbarten Jordanien aus ins Westjordanland gefahren war. Das jordanische Außenministerium beschuldigte israelische Extremisten, dafür verantwortlich gewesen zu sein, und warf der israelischen Regierung vor, die Lastwagen nicht ausreichend zu schützen.
Polizei räumt besetztes Gebäude an Columbia-Universität
Die Polizei hat das von pro-palästinensischen Demonstranten besetzte Verwaltungsgebäude der Columbia-Universität in New York gestürmt. Beamte drangen über eine Leiter und ein Fenster in das Gebäude ein. Bei der Aktion am späten Dienstagabend (Ortszeit) wurden Dutzende Menschen festgenommen. Polizeisprecher Carlos Nieves sagte, Berichte über Verletzte hätten zunächst nicht vorgelegen. Auch ein Zeltlager wurde geräumt.
Protestteilnehmer hatten das als Hamilton Hall bekannte Gebäude gut 20 Stunden zuvor besetzt. Die Hochschule erklärte, sie habe die Polizei gerufen. „Nachdem die Universität über Nacht erfahren hatte, dass die Hamilton Hall besetzt, verwüstet und blockiert worden ist, blieb uns keine andere Wahl“, erklärte die Universität. Bei der Entscheidung sei es nicht um die Ziele gegangen, für die Demonstranten eintreten, sondern um die Art und Weise ihres Vorgehens. Das Universitätsleben dürfe nicht endlos von Protestierern unterbrochen werden, die sich nicht an Gesetze und Vorschriften hielten.
Aus Protest gegen das Vorgehen Israels im Gazakrieg gegen die militant-islamistische Hamas hatten Aktivisten vor knapp zwei Wochen auf dem Universitätsgelände ein Zeltlager errichtet. Nach einer ersten Räumung kehrten sie zurück.
In den USA sind bei Protesten gegen den Gaza-Krieg an Universitäten landesweit insgesamt mehr als 1000 Menschen festgenommen worden. Die Demonstranten kritisieren finanzielle Beziehungen ihrer Hochschulen zu Israel und bezeichnen ihre Proteste als Ausdruck der Meinungsfreiheit. Jüdische Studentinnen und Studenten beklagten dagegen, dass die Proteste in Antisemitismus umgeschlagen seien. Sie hätten deshalb Angst, den Campus zu betreten. (ap)
Zusammenstöße von Protestierenden auch in Kalifornien
Wenige Stunden nach der Räumung an der New Yorker Universität ist es bei propalästinensischen Protesten an einer Hochschule in der Westküstenmetropole Los Angeles in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) zu Ausschreitungen gekommen. Rivalisierende Protestgruppen seien an einem propalästinensischen Protestcamp an der University of California Los Angeles (UCLA) gewaltsam aneinandergeraten, berichteten der US-Sender CNN und andere US-Medien.
Die Polizei traf nach Mitternacht ein, bildete eine Kette und forderte Anwesende auf, das Gelände zu verlassen, wie die Zeitung „Los Angeles Times“ berichtete. Die angespannte Lage auf dem Campus hielt demnach weiter an. Über Festnahmen oder Verletzte war zunächst nichts bekannt.
Auf Aufnahmen, die CNN live zeigte, war unter anderem zu sehen, wie Teilnehmer einer Gegendemonstration versuchten, zum Schutz des Camps aufgestellte Holzbarrikaden einzureißen und in das Zeltlager vorzudringen. Die im Camp versammelten Demonstranten hätten dagegengehalten und dabei auch Pfefferspray eingesetzt, schrieb „Los Angeles Times“. Auch seien Objekte, darunter Feuerwerkskörper, geworfen worden.
Die Universitätsleitung hatte das Camp zuvor als rechtswidrig bezeichnet und die Demonstranten zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Es handele sich um die schlimmsten Ausschreitungen auf dem Campus, seit proisraelische Gegendemonstranten in der Nähe des propalästinensischen Protestlagers ein rivalisierendes Camp eingerichtet hätten, schrieb die „Los Angeles Times“. (dpa)
US-Außenminister Blinken in Nahost
US-Außenminister Antony Blinken hat auf eine sofortige Waffenruhe im Gazakrieg gedrängt. „Die Zeit dafür ist reif“, sagte Blinken am Mittwoch bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog. „Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erreichen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt, und der einzige Grund, warum das nicht möglich ist, ist die Hamas“, sagte Blinken mit Blick auf die militant-islamistische Palästinenserorganisation im Gazastreifen.
Später traf Blinken Angehörige von Geiseln, die die Hamas Anfang Oktober entführt hatte. Demonstranten forderten ihn in Sprechchören auf, alles für die Freilassung der Verschleppten zu tun. Blinken versicherte ihnen, die Befreiung der Geiseln sei „das Herzstück all unserer Bemühungen“.
Vor seinem Israelbesuch hatte Blinken in Saudi-Arabien und Jordanien verhandelt. In Jerusalem wollte er noch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprechen. Nach Angaben des US-Außenministeriums stand auch ein Besuch in einem israelischen Hafen auf dem Programm, über den Hilfsgüter für den Gazastreifen geliefert werden.
Die Hamas forderte ägyptische und katarische Vermittler auf, Einzelheiten des jüngsten Vorschlags für eine Waffenruhe zu klären. Die Hamas verlange eindeutige Bedingungen für die bedingungslose Rückkehr der Vertriebenen in den Norden des Gazastreifens, sagte ein ägyptischer Regierungsvertreter am Mittwoch. Außerdem wolle sie sicherstellen, dass in der zweiten Phase eines Abkommens auch über den schrittweisen und vollständigen Abzug aller israelischen Truppen aus dem gesamten Gazastreifen gesprochen wird.
In den Gesprächen zeichnete sich ab, dass die Hamas 33 zivile und kranke Geiseln freilassen könnte – im Austausch gegen Hunderte palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen und einen Stopp der Kämpfe. Ein entscheidender Knackpunkt ist aber immer noch die Frage, ob in dem Abkommen auch ein Ende des Krieges vereinbart wird – eine Forderung, an der die Hamas festhält und die Israel ablehnt. (ap)
Rechtsextreme Minister sorgen in Sachen Geiseldeal für Zorn
Eine rechtsextreme israelische Ministerin hat mit Äußerungen gegen einen Deal zur Freilassung von Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas für Empörung gesorgt. Man dürfe nicht für die Rückkehr einer kleinen Anzahl von Geiseln die Kriegsziele Israels opfern, sagte Orit Strock, Ministerin für Siedlungen und Nationale Projekte, am Mittwoch dem israelischen Armeesender. Für diese Kriegsziele habe man „Soldaten in den Kampf geschickt, einige von diesen Soldaten sind nicht zurückgekommen“, sagte die 64-jährige Ministerin von der Partei Religiöser Zionismus.
Strock sprach von einem „schrecklichen Deal“, der auch die Geiseln gefährde, die nicht Teil davon seien. Man könne nicht die Kriegsziele „in den Müll werfen, um jetzt 22 oder 33 Menschen zu retten“. Eine Regierung, die einen solchen Deal billige, habe „kein Existenzrecht“. Auch andere rechtsextreme Minister hatten im Fall eines Geisel-Deals und einer Absage der Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens mit einem Ende der Regierung gedroht.
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid schrieb daraufhin bei X, vormals Twitter, eine „Regierung mit 22 oder 33 extremistischen Koalitionsmitgliedern hat kein Existenzrecht“. Die israelische Bewegung für Qualitätsregierung rief den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu auf, Strock wegen ihrer „empörenden Äußerungen“ zu entlassen. (dpa)
Vertreter von EU-Staaten aus Museum in Westjordanland vertrieben
Im Westjordanland haben Studenten einer palästinensischen Universität am Dienstag Vertreter mehrerer EU-Staaten aus einem Museum vertrieben. Unter den Besuchern des Palästinensischen Nationalmuseums in der Ortschaft Birzeit war nach Angaben des Auswärtigen Amts auch der deutsche Leiter des Vertretungsbüros im nahegelegenen Ramallah, Oliver Owcza. Die Demonstranten wollten nach eigenen Angaben ihren Protest gegen die Haltung mehrerer Staaten zum Gaza-Krieg ausdrücken.
Auf im Internet verbreiteten Aufnahmen war der italienische Generalkonsul Domenico Bellato zu sehen, der das Museum in Birzeit fluchtartig verließ, ihm folgte eine Menschenmenge aus Demonstranten. Nach Angaben eines Augenzeugen wollten die Demonstranten ihren Protest aber insbesondere gegen deutsche Vertreter wegen der Unterstützung Deutschlands für Israel richten.
Auf weiteren Aufnahmen war ein Auto zu sehen, das zur Delegation der Diplomaten gehört haben soll. Demonstranten klopften an dessen Scheiben und warfen Gegenstände auf das Fahrzeug.
Die Leiterinnen und Leiter der EU-Missionen in den Palästinensischen Gebieten hätten angesichts der Lage aus Sicherheitsgründen entschieden, den Ort zu verlassen, erklärte das Auswärtige Amt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Der deutsche Vertretungsbüro-Leiter Owcza erklärte im Onlinedienst X, die deutsche Vertretung bedaure es, dass das Treffen der EU-Diplomaten am Nationalmuseum von Demonstranten „unnötig gestört“ worden sei. Deutschland stehe dessen ungeachtet dazu, „konstruktiv“ mit den „palästinensischen Partnern“ zusammenzuarbeiten. (afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Jeff Bezos und die Pressefreiheit
Für eine Zwangsabgabe an Qualitätszeitungen!
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln