Wutanfälle vor der Periode: Erster Platz in der Wut-Formel-1
Eines der vielen wunderbaren PMS-Symptome kann auch Wut sein. Besonders wenn der Ehemann zuhause nicht dazu in der Lage ist, Staub zu wischen.
M ir darf gratuliert werden! Ich habe den ersten Platz in der Wut-Formel 1 belegt. Es gibt nämlich Tage, jene kritischen Tage vor den blutigen Tagen, an denen rase ich vor Wut.
So erst gestern Abend um 22.30 Uhr. Woher die Energie für diese Wut kam, ließe sich wahrscheinlich wieder hormonell herleiten. Auf diese Recherche werde ich verzichten. Habe keine Geduld. Die Vorstellung, mich durch etliche Artikel mit medizinischen Fachausdrücken arbeiten zu müssen, macht mich wütend.
In diesem Moment spüre ich es schon wieder brodeln. Denn ich habe Hunger. Und müsste mir selbst etwas zubereiten. Wieso?? Das ist unfair. Es soll mir zubereitet und schön angerichtet mit Kerze auf einem Tablett im Bett serviert werden. Soll ich meinen Mann wecken und ihn davon in Kenntnis setzen, wie wütend mich seine Unterlassung dieser Serviceleistung macht?
Gestern Abend auf jeden Fall, da war ich derart wütend, ich wollte die Wohnung im Schlafanzug verlassen. Rausrennen. Abhauen. Durch die Nacht streunen, in meiner zu dünnen grauen Pyjamahose und meinem ebenso dünnen Einhorn-Shirt. Zusammengehalten alleine durch Wut und Selbstmitleid. Also ich, nicht das zu dünne Schlafgewand. Letzten Endes wurde ich von der Aussicht, mir Schuhe anzuziehen, abgehalten. Mein Leben als rasende Streunerin endete, bevor es begann.
Stimmen der Vernunft zu leise
Was war überhaupt passiert? Festhalten lässt sich: Mein Mann war schuld. Genauer gesagt seine Unfähigkeit, regelmäßig den Staublappen zu nutzen. Seine Unfähigkeit, sich meinen Vorstellungen von Sauberkeit und meinem Tempo bei der Erledigung alltäglicher Aufgaben anzupassen.
Jaja. Ich höre schon die Stimmen der Vernunft, die rufen, vielleicht könne ich das ja einfach mal so hinnehmen, ich sei schließlich erwachsen, Menschen seien verschieden und sowieso jeder nach seiner Fasson. Ich verliere die Fassung, bei jeder nach seiner Fasson. Nicht immer, aber ganz sicher an den kritischen Tagen vor den Tagen.
Eigentlich wollen wir heute unser zwei Wände umfassendes Bücherregal im Wohnzimmer abstauben. So richtig. Jedes Regalbrett absaugen, die oberen Buchschnitte vom Staub befreien, Spinnweben entfernen – die habe ich nämlich auch schon ausgemacht. Jetzt stellt sich die Frage – wird unsere Ehe das überstehen? Nachdem ich gestern bereits fast zur rasenden Streunerin wurde und auch unsere Nachbarn mittlerweile wahrscheinlich meinen Zyklus auswendig kennen.
Wut lauter als Vernunft
Hier ein kleiner Eindruck des Hörspiels, in das unsere Nachbarn allmonatlich kostenlos reinhören dürfen: „Microfasertuch! Swiffer! Staubsauger! Sind das dir geläufige Begriffe? Ich glaube nicht!! So kann man nicht leben! Ich kann so nicht leben!! Wo ist meine Jacke? Ich haue ab! Die Garderobe muss abgestaubt werden! SIEHST DU DAS DENN NICHT?“
Die kaum hörbare Stimme der Vernunft flüstert mir zu: Sarah, nicht heute, warte das Blut ab. Die lautstarke Wut schreit mich an: Wieso genau schlägt er eigentlich nicht vor, es alleine zu machen? Dieser staubige Schuft?! Ach ja, dann macht er es ja nicht ordentlich. Ordentlich in meinem Sinne. Zum siebten Hochzeitstag schenke ich dem einen Staubkurs. Einen Entstaubungskurs.
Wir sind nämlich im verflixten siebten Jahr. Dafür läuft’s sehr gut. Muss ich ja zugeben. Mag auch in unserer Wohnung überall Staub sein, auf unserer Liebe liegt keiner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?