Angeblicher Putschversuch in Brasilien: Ermittlungen gegen Bolsonaro
Nach seiner Abwahl im Jahr 2022 soll der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro zum Staatsstreich aufgerufen haben. Dies bestätigen nun ranghohe Ex-Militärs.
Brasília afp | Ranghohe Ex-Militärs haben Anschuldigungen gegen den früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem mutmaßlichen Putschversuch erhoben. Der Rechtsaußen-Politiker habe eine Putscherklärung verfasst, die er bei einem Treffen mit Armeevertretern im Dezember 2022 und damit drei Wochen vor der Vereidigung seines Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva vorgelegt habe, hieß es in Ermittlungsakten, die am Freitag auf Anordnung des Obersten Gerichts veröffentlicht wurden.
Der damalige Armeechef Marco Antônio Freire Gomes räumte demnach bei seiner Vernehmung durch die Polizei ein, dass er an dem Treffen in Bolsonaros Präsidentenresidenz in Brasília teilgenommen habe. Ein Berater habe dabei die Rechtsgrundlage für den geplanten Staatsstreich erläutert. Freire Gomes sagte der Polizei, er habe deutlich gemacht, dass sich die Armee an solchen Plänen zur „Umkehr des Wahlprozesses“ nicht beteiligen werden.
Der ehemalige Chef der Luftwaffe, Carlos Almeida Baptista Júnior, sagte den Ermittlern, Bolsonaro habe ihn gedrängt, nach „Mechanismen“ zu suchen, um die Vereidigung Lulas zu verhindern. Der Staatsstreich wäre „möglicherweise“ vollzogen worden, wenn sich Freire Gomes nicht so entschlossen dagegen positioniert hätte, sagte Baptista Júnior.
Die Ermittler werfen Bolsonaro vor, er habe versucht, Brasiliens elektronisches Wahlsystem mit einer „Desinformationskampagne“ zu diskreditieren, um im Falle einer Niederlage eine „Militärintervention zu legitimieren“.
Der Ex-Präsident weist die Vorwürfe eines Putschversuchs zurück. Er war im Juni vergangenen Jahres vom Obersten Wahlgericht des Landes wegen unbelegter Wahlbetrugsvorwürfe für acht Jahre von allen politischen Ämtern ausgeschlossen worden.
Außerdem ermittelt derzeit der Oberste Gerichtshof gegen den Ex-Präsidenten wegen des Verdachts, zu Unruhen nach seiner Wahlniederlage im Oktober 2022 angestiftet zu haben. Am 8. Januar 2023 hatten Bolsonaro-Anhänger zu Tausenden das Regierungsviertel in Brasília gestürmt. Sie attackierten und verwüsteten das Parlament, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast. Bolsonaro hatte den Wahlsieg seines linksgerichteten Nachfolgers Lula nicht explizit anerkannt; vor und nach der Wahl hatte er immer wieder von Wahlbetrug gesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Spaniens Staatschef im Nahkampf
Ein König mit Cojones