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Antimuslimischer Rassismus„Verfälschte Darstellung“

Medien sollten Mus­li­m*in­nen sprechen lassen, statt Stereotype zu reproduzieren, sagt Elena Kountidou von den Neuen deutschen Medienmacher*innen.

Elena Kountidou, Publizistikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin der NdM, die sich für mehr Vielfalt im Journalismus einsetzen Foto: Stefan Boness/ipon
Livio Koppe
Interview von Livio Koppe

taz: Frau Kountidou, derzeit ist ein Bericht über Muslimfeindlichkeit, den das Bundesinnenministerium (BMI) beauftragt hatte, wieder offline, nachdem der Publizist Henryk M. Broder geklagt hatte. Er sah sich zu Unrecht im Zusammenhang mit Muslimfeindlichkeit erwähnt.

Elena Kountidou: Ich hoffe, dass das Bundesinnenministerium diesen sehr wertvollen Bericht bald wieder online stellt. Er wurde nach dem rechtsextremen Terror von Hanau beauftragt, um das Phänomen von antimuslimischem Rassismus besser zu verstehen. Von ausgewiesenen Ex­per­t*in­nen wird das Ausmaß dieser Diskriminierungsform auf 400 Seiten untersucht, das gab es bis dato nicht.

Im Interview: Elena Kountidou

ist Publizistikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin der Neuen Deutschen Me­di­en­ma­che­r*in­nen (NdM), die sich für mehr Vielfalt im Journalismus und gegen Hass im Netz einsetzen.

Die Neuen deutschen Me­di­en­ma­che­r*in­nen haben den Bericht gelesen und Vorschläge formuliert, was sich an der Islamberichterstattung in Deutschland ändern soll. Wieso ist das wichtig?

Gerade in Zeiten von polarisiert geführten Debatten haben Jour­na­lis­t*in­nen die Verantwortung, ausgewogen zu berichten und marginalisierte Gruppen wie Mus­li­m*in­nen zu Wort kommen zu lassen. Medienschaffende prägen die Stimmung im Land. Studien zeigen, dass das Meinungsklima in Deutschland stark von Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus geprägt ist, was wiederum dazu führt, dass Mus­li­m*in­nen gesellschaftliche Ablehnung und sogar Gewalt erfahren.

Sie sprechen von stereotypen Markierungen, die Mus­li­m*in­nen in Medien erfahren. Wie sehen die zum Beispiel aus?

Medienschaffende verfallen immer wieder in dieselben ausgrenzenden und pauschalisierenden Dynamiken. Die Straßenbeleuchtung zum Ramadan war ein gutes Beispiel dafür, wie schnell ein Symbol für ein friedliches Miteinander zur großen Gesellschaftsdebatte gemacht wurde. Ein Klassiker ist: 72 Prozent der muslimischen Frauen in Deutschland tragen kein Kopftuch. Trotzdem wird muslimisches Leben meist mit einer Frau mit Kopftuch von hinten bebildert. Das ist eine verfälschte und stereotypisierende Darstellung.

Was bedeutet das?

Mus­li­m*in­nen werden oft fremd und anders dargestellt, als würden sie nicht zu unserer Gesellschaft dazugehören. Das ist eine Form des sogenannten Otherings. Das hat gesamtgesellschaftliche Konsequenzen. Es leben fast sechs Millionen Mus­li­m*in­nen in unserem Land, wir müssen aufpassen, dass sie nicht als kollektives Fremd- oder Feindbild stilisiert werden – das ist etwas, das vor allem Rechtsextreme vorantreiben und worauf vor allem Medienschaffende achten müssen.

Die Neuen deutschen Me­di­en­ma­che­r*in­nen glauben, dass „mehr personelle Vielfalt“ in Redaktionen ein Mittel gegen Fremddarstellung sein könnte. Wie kann diese Vielfalt gelingen?

Vielfalt muss in der Führungsetage gewollt sein. Daran arbeiten wir als Neue deutsche Me­di­en­ma­che­r*in­nen seit 15 Jahren und wir sehen auch, dass viel passiert. Trotzdem ist der durchschnittliche Redakteur in Deutschland immer noch ein 45-jähriger Mann ohne Einwanderungsgeschichte und mit Hochschulabschluss. Seine Perspektive ist dann auch in der Medienberichterstattung abgebildet. Hier empfehlen wir unterschiedliche Maßnahmen: inklusive Redaktionskultur, dass Beförderungen an Diversitätskriterien geknüpft sind, Diversity Monitoring sowie rassismuskritische Fort- und Weiterbildungen. Auch wegen des wirtschaftlichen Drucks auf Verlage ist Vielfalt wichtig: Wenn sich Menschen nicht in der Berichterstattung wiederfinden, dann werden sie auch nicht dazu tendieren, diese Medien zu konsumieren.

Sie kritisieren auch, dass Jour­na­lis­t*in­nen Polizeimeldungen häufig nicht genug hinterfragen, dabei seien rassistische Einstellungen in der Polizei keine Einzelfälle. Können Sie das belegen?

Eine Studie der Uni Duisburg-Essen zeigt, dass rassistische Einstellungen unter Po­li­zis­t*in­nen keine Einzelfälle sind. Klassische Aufgaben des Qualitätsjournalismus sind recherchieren, hinterfragen und kontextualisieren. Das gilt auch für Pressemitteilungen von Sicherheitsbehörden wie im Falle des Anschlags in Hanau.

Ist der vom Bundesministerium des Innern beauftragte Bericht ein Zeichen dafür, dass Muslimfeindlichkeit in Deutschland ernst genommen wird?

Es ist ein wichtiger Anfang, aber das Thema bekommt noch nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient. Laut diesem Bericht stimmt jeder zweite Deutsche muslimfeindlichen Aussagen zu. Das ist sehr beunruhigend. Ich würde mir wünschen, dass wir gesamtgesellschaftlich in Deutschland das Thema stärker in den Fokus nehmen. Nur so können wir nachhaltig antimuslimischen Rassismus bekämpfen.

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4 Kommentare

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  • Sind biodeutsche Muslime eigentlich auch von „Rassismus“ betroffen, wenn sie wegen ihrer Religion diskriminiert werden?

    Und wenn arabische Christen diskriminiert werden, liegt das dann nur daran, dass Rassisten sie für Muslime halten?

    Wenn afrikanische Muslime diskriminiert werden, würden sie weniger stark diskriminiert, wenn es Christen wären?

    Das ganze Konzept „antimuslimischer Rassismus“ passt logisch hinten und vorne nicht. Es ist einfach nur Muslimfeindlichkeit und/oder Rassismus. Das ganze ist ein Kampfbegriff. Merkt man schon daran, dass kein Mensch auf die Verwendung des Begriffes „antjüdischer Rassismus“ oder gar „antikatholischer Rassismus“ käme.

  • Da der Islam nicht an eine Ethnie gebunden ist, sondern eine - aus zahlreichen unterschiedlichen Richtungen bestehende - Weltreligion ist, die jedem offen steht, ist der Begriff "antimuslimischer Rassismus" höchst fragwürdig. Keinem Menschen kann man von außen ansehen, ob er Muslim ist oder nicht. Wenn bestimmte Personengruppen von Rassismus betroffen sind, dann gilt das unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Dementsprechend ist niemals von "antichristlichem Rassismus" die Rede, obwohl in Deutschland zahlreiche von Rassismus betroffene Personengruppen leben, die mehrheitlich Christen sind.

    Und wer in Bezug auf Muslime eine Personalpolitik nach Diversitätskriterien fordert, muss sich schon fragen lassen, wie das gehen soll, ohne dass die Betriebsleitungen die Bewerber nach der Religion fragen - was sie gar nicht dürfen. Ohnehin ist es widersprüchlich, einerseits ein kollektives Fremdbild abzulehnen und andererseits eine "Vielfalt" in der Personalpolitik zu fordern, die nur dadurch gewährleistet werden kann, dass man Menschen eben diesem fremdkonstruierten Kollektiv zuordnet.

  • Menschen aus anderen Ländern bereichern das Leben.



    Nicht bereichetnd finde ich Religionen, auch umsere eigene ,christliche nicht.



    Deshalb sollte der Islam, wie auch jede andere Religion, nur privat sein.



    Eteas mehr Zurückhaltung der Popen und der Gläubigen, würden eine Akzeptanz sehr stärken.

    • @MIA R.:

      Bisschen mehr Entspanntheit und Neugier und Wissen über religiöse Vielfalt und religionsgeschichtliche Hintergründe wünsch ich mir auch von meinen Mit-Atheist:innen, dann klappt's auch mit den mehr oder minder gläubigen Freundinnen, Nachbarn und Kolleg:innen.



      Und was heißt "aus anderen Ländern" und "bereichern"? Falafel, Yoga, Mate und Nudeln mit Stäbchen, ja, habibi, aber erzähl mir nicht, dass du n deutschen Pass hast und womöglich an irgendwas glaubst, hier in Deutschland glauben wir nur an unseren Homöopathen, oder wie?

      Andere Menschen sind nicht auf der Welt, um die deine zu "bereichern", sie sind einfach da mit ihren Rechten, so wie du und ich.



      Und wenn das Christentum für dich nicht bereichernd ist, wieso nennst du es dann deine ("unsere") Religion? Kannste doch frei wählen. :)



      Alles bisschen oberflächlich, wie mir scheint...