Islam in Deutschland: Mazyek will nicht mehr
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime tritt vorzeitig ab. Die deutschen Islamverbände verlieren damit ihr bekanntestes Gesicht.
Mazyek ist der prominenteste Vertreter der Islamverbände in Deutschland und eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Islams. Vor seiner Tätigkeit als Vorsitzender war er bis 2010 Generalsekretär des Zentralrats, davor von 2001 bis 2004 bis dessen Pressesprecher. Insgesamt stand er damit 22 Jahre an der Spitze des Zentralrats. „Es ist nun an der Zeit, dass andere das Ruder übernehmen“, erklärt er nun. Weitere Gründe für seinen Rückzug nannte er nicht.
Mazyek engagiert sich seit langer Zeit für den interreligiösen Dialog und war für die deutsche Politik viele Jahre lang ein bevorzugter Ansprechpartner. Bei der Islamkonferenz 2018 teilte er sich ein Podium mit dem damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU), mit dem er über die Ausbildung von Imamen in Deutschland sprach. Unter anderem mit dem damaligen Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) rief er 2015 nach den Anschlägen von Paris zu einer religions- und parteiübergreifenden Mahnwache gegen den Terror am Brandenburger Tor in Berlin auf.
Für den Zentralrat der Muslime war Mazyek über etliche Jahre immer wieder regelmäßig bei der Deutschen Islam Konferenz (DIK) dabei. Zuletzt schien die Politik aber wieder auf Distanz zu ihm zu gehen. Zu einem Gespräch mit Vertretern muslimischer Verbände über Folgen des Hamas-Angriffs auf Israel und des darauf folgenden Kriegs in Gaza lud das Bundesinnenministerium im November vergangenen Jahres zwar Vertreter von verschiedenen islamischen Verbänden ein, nicht aber den Zentralrat der Muslime.
Verfassungsschutz hat Vorbehalt
Ein Grund für die distanzierte Haltung der Bundesregierung war lange Zeit die Rolle der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) in dem Verband. Der Verfassungsschutz wirft der DMG vor, Teil des weltweiten Netzwerks der Muslimbruderschaft und „deren zentrale Organisation in Deutschland“ zu sein. Die Muslimbruderschaft wolle eine „islamische Herrschaftsordnung“ errichten, die nicht mit demokratischen Prinzipien wie der Meinungsfreiheit, der Volkssouveränität und der Gleichberechtigung vereinbar sei. 2022 trennte sich der Zentralrat von der DMG.
Umstritten ist aber auch ein weiterer Verband, der dem Zentralrat angehört. Die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“, kurz Atib, wird den türkischen Rechtsextremisten der Grauen Wölfe zugerechnet. Sie ist der größte türkeistämmige Verband in dem ansonsten eher arabisch geprägten Zentralrat.
Dennoch ist der Zentralrat der Muslime für öffentlichkeitswirksame und integrative Aktionen bekannt. Im Januar 2024 rief er Muslime in Deutschland dazu auf, an den landesweiten Kundgebungen gegen Rechtsextremismus teilzunehmen. Bereits im Oktober 2018 beteiligte er sich als Islam-Verband am zivilgesellschaftlichen Bündnis #unteilbar, Aiman Mazyek hielt auf dem Berliner Alexanderplatz auch eine Rede.
Bekannt ist aber vor allem der „Tag der offenen Moschee“, den der Zentralrat im Jahr 1997 initiierte. Seitdem öffnen Moscheen bundesweit jedes Jahr am 3. Oktober ihre Türen für Gäste. Fast alle wichtigen Moscheen in Deutschland beteiligen sich inzwischen verbandsübergreifend und regelmäßig an dieser Aktion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei