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Musiker Frank Farian ist totEr wollte ein Diskokönig sein

Frank Farian – Schöpfer von Boney M. und Milli Vanilli – war häufig auch die Stimme, zu der Bandmitglieder tanzten. Nun ist er 82-jährig gestorben.

Frank Farian, der Schöpfer von Boney M. und Milli Vanilli, im Jahr 2005 Foto: Hoffmann/imago

Immer war er auf Suche nach dem richtigen „Ding“, einer „Masche“, die in kollektiv genutzte Tonstraßen neue Spuren zu setzen weiß. Frank Farian hat das wenigstens zweimal vermocht: in den mittleren Siebzigern mit einer Band, die er als Produzent Boney M. nannte – und eine Dekade später, als er danceflooreinladende Musik in seinen Studios erbastelte und die dazu passenden Vokalisten erst bei Fertigstellung der Tracks rekrutierte.

Denn die brauchte Farian, 1941 in Kirn geboren und aufgewachsen im Saarland, nicht: Die Stimmen für Milli Vanilli waren seine eigenen. Das war, als das bei einer Grammy-Verleihung in den USA herauskam, dass also nicht Fab Morvan und Rob Pilatus sangen, sondern irgendwelche anderen tonspursicheren Studiokräfte, im Notfall eben Farian selbst, ein Skandal.

Ein Musikprodukt, dessen Gesichter nicht konnten, was sie vorspielten zu können, dafür aber schöner, sexier, begehrenswerter und cooler aussahen als eben der Produzent selbst: Das warf kulturelle Vorstellungen vom Echten, Authentischen und Natürlichen nicht nur über den Haufen, sondern machten sie lächerlich. Was auf der Verpackung stand, entsprach nicht dem, was die Verpackung verhieß.

Frank Farian, zeitlebens nie eine männliche Beauty, war das egal, wie ihm auch die Pop- oder gar Popdiskurskritik gleichgültig war. Er wollte Erfolg, er wollte Villen und Wohnplätze auf Ibiza, er wollte ein Diskokönig sein, dem man huldigt.

Der Erfinder von Boney M.

Sein erstes Gesellenstück war gleich ein Projektmeisterwerk: Frank Farian war der Erfinder von Boney M., einer Formation aus Deutschland, die mit Titeln wie „Daddy Cool“, „Rivers of Babylon“, „Brown Girl in the Ring“, „Ma Baker“ und „Rasputin“ in der Popularmusik der mittleren Siebziger bis frühen Achtziger in Europa alles dominierten, was nur so zu beherrschen war.

Dabei war auch diese Band, die erste Made in Germany und ohne jeden politischen Anspruch, nichts als ein Produkt des Musikproduzenten Farian, der mit dem Titel „Rocky“ immerhin einmal einen erwähnenswerten Single-Chart-Erfolg hatte.

Sängerinnen bei Boney M. waren austauschbar, sie mussten nur telegen aussehen, ebenso wie die Männer, die meist lippensynchron die Lieder playback zu singen hatten – denn der männliche Gesang, der kam eben von Farian selbst.

Kürzlich wurde ein Kinofilm öffentlich, der sich dem Leben von Milli Vanilli widmete, in der Tendenz beklagend, dass die beiden Männer doch womöglich von Frank Farian eine echte (!) Stimme hätten erhalten müssen. Der sagte nur, schon erkrankt, er habe für ein künstlerisches Casting keine Zeit gehabt.

Pop war damals eben auch schon eine schnellstlebendige und (durch die Ups and Downs der Moden) leicht verderbliche Ware, da war keine Zeit für ästhetische Feinarbeit am Menschen.

Boney M. sind bis heute eine Marke, ihre Musik trägt viele Radiowellen, die auf Marktanteile setzen, ihre Lieder sind Oldies & Goldies.

Frank Farian, der mit seinem abgefuckt scheinenden Popbewusstsein schwerreich wurde, ein freundlicher, nicht aufdringlicher, nicht ranschmeißerischer Mann, ist jetzt in Florida im Alter von 82 Jahren gestorben.

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10 Kommentare

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  • Respekt für Frank Farian. Und Respekt für Herrn Feddersen - als Spezialist für Nachrufe ist er unübertroffen. Vielen Dank dafür.

  • Ja wie? Milli Vanilli? Ach was! ©️ Loriot

    “Kultkneipen und Kaschemmen: Davon gibt es in Marburg viele. Die ... Wie das „Milli Vanilli“, Marburgs erstes und ehemaliges Hippie-Tanz ...“ eben



    & Däh



    Pop-Skandal Milli Vanilli. Wie meine Stimme ohne mich Karriere machte, in: Der. Spiegel v. 2.9.2008,



    www.spiegel.de/ges...illi-a-949577.html



    Ausriß “…Noch heute stehe ich deshalb in einem Rechtsstreit mit Frank Farian - 20 Jahre später! Und noch heute glaubt mir kaum jemand, wenn ich erzähle, dass ich "Girl You Know It's True" gesungen habe. Die Leute sind dann oft irritiert und halten sich mit ihrer Begeisterung zurück: "Ehrlich? Du?". Aber so ist das Leben - da muss man durch. Manche halten mich für einen Hochstapler, für die Musikindustrie war ich ein Nestbeschmutzer. Sie waren alle sauer, weil ich die Wahrheit gesagt hatte. Das war für mich die schlimmste Erfahrung an der ganzen Geschichte - als Verräter zu gelten.

    Im Januar 1989 starteten Rob und Fab in Amerika durch. Mit meiner Stimme landeten sie auf Platz zwei der Charts und wurden mit Platin ausgezeichnet - die nachfolgenden Singles "Baby Don't Forget My Number", "Girl I'm Gonna Miss You" und "Blame It on the Rain" erreichten alle Platz Eins der US-Hitparade. Milli Vanilli verkauften insgesamt ungefähr 30 Millionen Singles.



    Bei einem Konzert in Bristol, im US-Staat Connecticut passierte es dann: Die Playbackmaschine blieb hängen - mitten im Refrain, der sich in einer Endlosschlaufe wiederholte. Rob Pilatus sagte später, das sei der Anfang vom Ende gewesen. Er rannte panisch von der Bühne. Lustigerweise war das Publikum von dem Vorfall völlig unbeeindruckt, der Skandal blieb aus. Ich selbst habe natürlich alles mitgekriegt. Aber es schien, als wollte niemand die Wahrheit sehen. Selbst als sich Rob Pilatus mit einem schweren, deutschen Akzent für den Grammy bedankte, fiel niemandem auf, dass er unmöglich alle Songs akzentfrei hätte singen können.

    JAF JAF schlägt sich drauf n 🍳

    • @Lowandorder:

      Ja nu.. die (Auto)biographie von Schlagzeuger Jürgen Zöller gibt einen schönen Einblick in die Produktionsweise von Meister Farian:



      "Farians Produktionen waren ein Puzzle-Kunstwerk an Miniaturschritten, schon ein flüchtiger Blick an die Studiowand zeigte es: Da hingen Bandschnipsel in jeder Länge, von zehn Zentimetern aufwärts. Ob die der Kategorie 'Braucht man jetzt', 'Braucht man später' oder 'Braucht man vielleicht überhaupt nicht' angehörten, wusste ganz allein der Produzent. Er konnte aufgezeichnete Töne aus zehn Metern Entfernung sehen." (Thomas Zimmer: Jürgen Zöller Selbst, 2008, S. 121.)

  • Ein absolutes Genie!

    Seiner Zeit weit voraus, KI von damals!

    Einen Psalm aus der Bibel in einen Hit zu verwandeln, zu dem hunderttausende in den Discos tanzen, das ist absolut genial!

  • Es steht noch der Longplayer mit Rasputin drauf im Schrank. Wird immer wieder gerne gehört.

    Lieben Dank für die Musik!

  • Auf jeden Fall ein Pionier in der Musikbranche. Ich frage mich immer nur eins. Warum Milli Vanilli als Skandal betrachtet wurden, Boney M aber nicht, obwohl er bei Boney M schon die gleiche Herangehensweise hatte. Das waren schon damals nur Performer. Die Mukke haben andere Leute eingesungen. Und das war über ein Jaherzehnt vor Milli Vanilli. Was man sagen kann, er war ein ziemlich guter Musiker umd Schreiber mit viel Fantasie. Die Produktionen klingen noch immer frisch und zeitlos. Hut ab und R.i.P.

    • @Jungle Warrior:

      Liz Mitchell hat wirklich gesungen. Die war vor bei "Hair" und den Les Humphries.

    • @Jungle Warrior:

      Hm, hing womöglich damit zusammen, dass es bei Boney M. eigentlich nie verheimlicht wurde, dass der Gesang z.T. nicht von den Bühnenperformer*innen selbst kam, während das bei Milli Vanilli erst durch eine hängenbleibende Playback-CD sowie den Anspruch von Fab & Rob, selbst als Vokalisten aktiv zu werden, zutage kam.. macht beim Publikum evtl. doch einen Unterschied, ob der Schwindel offen oder heimlich verübt wird.

      • @Rein subjektiv betrachtet:

        Ja. Da ist was dran

  • Mir ist neben Boney M. auch seine Version von "Stairway to Heaven" in Erinnerung. Sie reicht natürlich nicht an das Original ran, war aber für meine Ohren im Gegensatz zu vielen anderen Coverversionen hörbar.