Musiker Frank Farian ist tot: Er wollte ein Diskokönig sein
Frank Farian – Schöpfer von Boney M. und Milli Vanilli – war häufig auch die Stimme, zu der Bandmitglieder tanzten. Nun ist er 82-jährig gestorben.
Immer war er auf Suche nach dem richtigen „Ding“, einer „Masche“, die in kollektiv genutzte Tonstraßen neue Spuren zu setzen weiß. Frank Farian hat das wenigstens zweimal vermocht: in den mittleren Siebzigern mit einer Band, die er als Produzent Boney M. nannte – und eine Dekade später, als er danceflooreinladende Musik in seinen Studios erbastelte und die dazu passenden Vokalisten erst bei Fertigstellung der Tracks rekrutierte.
Denn die brauchte Farian, 1941 in Kirn geboren und aufgewachsen im Saarland, nicht: Die Stimmen für Milli Vanilli waren seine eigenen. Das war, als das bei einer Grammy-Verleihung in den USA herauskam, dass also nicht Fab Morvan und Rob Pilatus sangen, sondern irgendwelche anderen tonspursicheren Studiokräfte, im Notfall eben Farian selbst, ein Skandal.
Ein Musikprodukt, dessen Gesichter nicht konnten, was sie vorspielten zu können, dafür aber schöner, sexier, begehrenswerter und cooler aussahen als eben der Produzent selbst: Das warf kulturelle Vorstellungen vom Echten, Authentischen und Natürlichen nicht nur über den Haufen, sondern machten sie lächerlich. Was auf der Verpackung stand, entsprach nicht dem, was die Verpackung verhieß.
Frank Farian, zeitlebens nie eine männliche Beauty, war das egal, wie ihm auch die Pop- oder gar Popdiskurskritik gleichgültig war. Er wollte Erfolg, er wollte Villen und Wohnplätze auf Ibiza, er wollte ein Diskokönig sein, dem man huldigt.
Der Erfinder von Boney M.
Sein erstes Gesellenstück war gleich ein Projektmeisterwerk: Frank Farian war der Erfinder von Boney M., einer Formation aus Deutschland, die mit Titeln wie „Daddy Cool“, „Rivers of Babylon“, „Brown Girl in the Ring“, „Ma Baker“ und „Rasputin“ in der Popularmusik der mittleren Siebziger bis frühen Achtziger in Europa alles dominierten, was nur so zu beherrschen war.
Dabei war auch diese Band, die erste Made in Germany und ohne jeden politischen Anspruch, nichts als ein Produkt des Musikproduzenten Farian, der mit dem Titel „Rocky“ immerhin einmal einen erwähnenswerten Single-Chart-Erfolg hatte.
Sängerinnen bei Boney M. waren austauschbar, sie mussten nur telegen aussehen, ebenso wie die Männer, die meist lippensynchron die Lieder playback zu singen hatten – denn der männliche Gesang, der kam eben von Farian selbst.
Kürzlich wurde ein Kinofilm öffentlich, der sich dem Leben von Milli Vanilli widmete, in der Tendenz beklagend, dass die beiden Männer doch womöglich von Frank Farian eine echte (!) Stimme hätten erhalten müssen. Der sagte nur, schon erkrankt, er habe für ein künstlerisches Casting keine Zeit gehabt.
Pop war damals eben auch schon eine schnellstlebendige und (durch die Ups and Downs der Moden) leicht verderbliche Ware, da war keine Zeit für ästhetische Feinarbeit am Menschen.
Boney M. sind bis heute eine Marke, ihre Musik trägt viele Radiowellen, die auf Marktanteile setzen, ihre Lieder sind Oldies & Goldies.
Frank Farian, der mit seinem abgefuckt scheinenden Popbewusstsein schwerreich wurde, ein freundlicher, nicht aufdringlicher, nicht ranschmeißerischer Mann, ist jetzt in Florida im Alter von 82 Jahren gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen