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Black History Month 2024Organisiert euch

In Deutschland wird auf Großdemos gegen Rechte protestiert. Unsere Autorin fordert: Es ist Zeit für einen Schwarzen schwarzen Block.

Redebeitrag von Fatuma Musa Afrah beim Protest gegen Rechtsextremismus in Berlin am 3. Februar Foto: Ann-Christine Jansson

E s ist wieder Februar. Jedes Jahr wird für den Black History Month Schwarze Geschichte kuratiert und jedes Jahr stellt sich erneut die Frage: Wessen gedenken wir und woran wollen wir erinnern?

Einige Jahre ging es besonders um Schwarze Role Models. Wer sind die Vorbilder aus Kunst, Kultur und Wissenschaft, die zeigen können, dass Schwarze Menschen nicht nur im Sport brillieren? In dieser Phase waren besonders einzelne Biografien gefragt. Da Stars nicht so mein Ding sind und ich auch nicht wirklich an das Konzept von Einzelleistungen glaube, habe ich für meine Black-History-Beiträge im letzten Jahr besonders nach Gruppen und Kollektiven gesucht: nach Spuren Schwarzer Organisierung.

Doch die Frage danach, welche Aspekte unserer Geschichte wir betrachten wollen, beinhaltet auch die Frage: „Was kann uns dieses Jahr helfen, die Gegenwart zu verstehen, und uns voranbringen?“

Im Zuge der durch eine Correctiv-Recherche veröffentlichten Deportationspläne ist es vielen wichtig, noch einmal klarzumachen, wie lange Schwarze Menschen schon in diesem Land leben. Um zu begründen, dass man weiterhin an einem Ort bleiben will, ist es üblich zu betonen, wie lange man schon da ist.

Schwarze Bewegung in Deutschland hat lange Tradition

Das gilt nicht nur aktuell, und es gilt für alle Minderheiten und marginalisierte Communitys. Doch die bloße Anwesenheit ist nur ein Aspekt. Wir sollten uns vor Augen führen, wie lange Schwarze Menschen und Poc in diesem Land für bessere Lebensbedingungen und Anerkennung ihrer Themen und Sorgen kämpfen. Das erste dokumentierte Vernetzungstreffen Schwarzer Menschen in Deutschland fand bereits 1895 statt. 1918 entstand der afrikanische Hilfsverein. Der Vereinszweck? Die Organisierung der in Deutschland lebenden Afri­ka­ne­r*in­nen zur gegenseitigen Unterstützung und als „Ersatz für die Stammesgemeinschaft und Familie im Heimatland“ – oder wie wir sagen würden: für Community-Building in der Diaspora.

Was zwischen den vielen Repräsentations- und identitätspolitischen Fragen oft untergeht: Auch in Deutschland gibt es eine Tradition Schwarzer Menschen in der Ar­bei­te­r*in­nen­be­we­gung mit sozialistischen Vereinigungen, Veranstaltungen und Publikationen. 1930 machte die in Hamburg erscheinende Schwarze Arbeiterzeitung The Negro Worker auf faschistischen Terror gegenüber Schwarzen Menschen aufmerksam. Das war der Beginn vom Ende aktiver Schwarzer Communitys in Deutschland – und der Grund, warum die jüngere Schwarze Bewegung der 80er Jahre fast von vorne anfing.

Politisieren und mobilisieren

Im letzten Jahr wurden in Berlin mehrere Stolpersteine für Schwarze Menschen verlegt: vor die letzten bekannten Adressen mehrerer afrodeutscher Familien, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Die Lehre aus all diesem Horror und Verlust für Schwarze Communitys muss sein: Wir müssen auf uns und das, was uns wichtig ist, aufpassen. Und wir müssen es verteidigen. Neben „Black Girl Magic“ geht es um politische Organisierung, Solidarität und Selbstverteidigung. Um widerständige, antifaschistische Bewegungen, die innerhalb Schwarzer Communitys politisieren und mobilisieren.

Vielleicht ist jetzt die Zeit für einen Schwarzen schwarzen Block. Auch wenn die aktuellen Demos gegen rechts für uns nicht besonders einladend wirken: Weder haben wir es nötig, noch können wir es uns leisten, auf eine Einladung zu warten.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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5 Kommentare

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  • Den Schluss habe ich nicht ganz verstanden.

    Warum wirken die aktuellen Demos nicht einladend?

    Hat irgendjemand sonst eine Einladung bekommen?

    Was spricht jetzt genau dagegen, einfach mit den anderen zu demonstrieren?

    • @rero:

      Ehrlich, mir geht es ähnlich. Ich verstehe den Schluss des Textes ebenfalls nicht.

      Die Demonstrationen gegen Rechts werden von Gruppen etc.. organisiert. Entsprechend wird, oft auch einfach von selbst organisierten Bürgerinnen und Bürgern, dazu aufgerufen, mitzumachen. Für die Demokratie einzustehen und sich gegen deren Zerstörung zu wenden.



      Die Bürgerinnen und Bürger dieser Republik, meine ich, brauchen dafür keine Einladung. Sie sind es, die entscheiden, ob sie für das genannte demonstrieren wollen oder nicht. Das Demonstrationsrecht ist ein Teil des Fundaments einer freiheitlichen Ordnng. Und zu diesem Recht wird man nicht "eingeladen". Dieses Recht übt man aus - ohne dass man ein Einladungsschreiben vorweisen müsste.



      Dann allerdings wirkt ein Aufruf, für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Staße zu gehen doch auch einladend.

  • "uns" & "ihr" verhindert oft das "wir"



    wäre ein schwarzer Block eine weitere Spaltung der Linken?

    Sie schreiben völlig richtig, dass es wichtig ist auf das was einem wichtig ist aufzupassen.

    Ich gebe mal ein aktuelles Beispiel. Bei den Münchner Demos bin ich ein kleines Teilchen in der Veranstaltung gewesen - Ordner. In der gemeinschaftlichen Orga-Gruppe ist ein schwarzer Aktivist. Dieser hatte einige gute Argumente nach der ersten Demo angebracht und diese wurden auch ernstgenommen. Im weiteren Verlauf hat dieser Aktivist den gemeinsamen Signal Kanal dermaßen mit seinen teilweise wirklich für das Thema einer weiteren Demonstration belanglosen Ellenlangen Texten zugepflastert, dass viele den ÜBerblick verloren und dann auch manche die Freude, der gemeinschaftliche und nach der ersten Demo sehr positive Flow wurde wirklich merklich getrübt und gestört . Wenn jemand versucht etwas zu organisieren und dann wird man von allen Seiten angemeckert ist das nicht wirklich förderlich.

    Hier wäre es an der schwarzen Community sich an solchen Veranstaltungen offiziell zu beteiligen und dann auch in den gemeinsamen Kanälen moderierend zu wirken. Denn einen schwarzen, der dann mögliche Kritik an seinen Argumenten/Verhalten als latent rassistisch pauschal abschmettert ist schwer in einen gesunden Diskurs einzubinden.

    Ich bin Vater von 5 schwarzen Jungs. Wir haben leider sehr viel rassistische Erfahrungen erlebt. Auch mehrfache, gerichtlich als rechtswidrig eingestufte Polizeigewalt etc pp.



    Meine Gedanken kreisen seit vielen Jahren um fast nichts anderes, da es um die Zukunft unserer Gesellschaft - unserer Kinder geht.



    Aus meinem ganz persönlichen Empfinden heraus möchte ich hier festhalten, dass dieses "scharz/weiß" -Denken und Einteilen kontraproduktiv und schädlich ist. Es zerreisst Familien und Menschen. Meine Kinder sind "weder noch". Werden aber "zu den schwarzen" gezählt.



    Für mich sind sie das nicht. Sie sind alles für mich.

    Ich fühle mich als Mensch und nicht weiß.

  • Den Versuch US-amerikanische Gesellschaftsphänomene (black history month) 1:1 auf Deutschland zu übertragen finde ich immer schwierig.



    Bei uns gibt es größere Baustellen, wir hatten keine institutionalisierte Sklaverei, und auch keine schwarten Minderheiten in dem Umfang wie die USA.

    Rein zahlenmäß wäre sicherlich ein türkischer oder arabischer Gedenkmonat sinnvoller.

    Am Besten würde mir ein Monat gefallen, in dem der vielfältigen Einwanderung gedacht wird, die wir seit Jahrhunderten haben.

  • Die unkritische Nachahmung amerikanischer Diskurse ist nicht besonders überzeugend. Die Zusammenhänge sind doch sehr anders.



    Die genannten "schwarzen Traditionen" bestehen aus dem Handeln von Einzelpersonen oder Kleinstorganisationen. Mehrheitlich handelt es sich bei den heutigen Schwarzen hier um afrikanische Migranten und nicht um schwarze Deutschen analog zu den USA - sprich: um ethnische Minderheiten mit eigenen nationalen/nationalistischen Interessen (siehe den Eritrakonflikt).

    Anders als in Übersee, betrifft die deutsche Kolonial- und Unterdrückungsgeschichte nur am Rande schwarze Menschen. Opfer von Versklavung und Kolonisierung waren hauptsächlich Balten und Slawen - und natürlich Juden. Das mag schwarze Aktivisten vielleicht nerven, aber das ist die Realität.