10 Jahre Dating-App Bumble: Revolution gescheitert
Die App Bumble wollte vor zehn Jahren das Dating feministisch revolutionieren. Doch das ging mächtig daneben.
F eminismus, Revolution, Frauen in Aktion: Die Worte waren groß, als sich die Dating-App Bumble nach ihrem US-Start vor fast zehn Jahren allmählich auf deutschen Smartphones einnistete. Und sie verfingen auch bei mir. Vielleicht lag es an dem Frust nach den zahllosen Tinder-Dates. Vielleicht war es auch das gelbe Bumble-Design, das mich hoffen ließ: Hier scheint die Sonne, hier haben Macker keinen Platz.
Denn anders als auf Tinder, das in Deutschland die Ära der App-gesteuerten Partnersuche eingeläutet hat, muss auf Bumble die Frau die erste Nachricht schreiben. Sonst verfällt das Match. Tinder in feministisch also. Das war die Idee der Bumble-Gründerin Whitney Wolfe Herd, die einst Teil des Tinder-Teams war. 2014 verließ sie das Unternehmen, nachdem sie es wegen sexueller Belästigung und missbräuchlichem Verhalten verklagt hatte. Noch im gleichen Jahr brachte sie ihre eigene App auf den Markt, die die traditionellen Geschlechterrollen aufmischen sollte, wie es rebellisch auf der Bumble-Website heißt.
Die App sagt auch klar Nein zu Dickpics, sexueller Belästigung und Diskriminierung. Wer dagegen verstößt, muss mit einem gesperrten Account bis zu juristischen Konsequenzen rechnen. Bumble setzt sich für intersektionalen Feminismus ein, das Recht auf Abtreibung und kämpft gegen geschlechtsspezifische Cybergewalt. Gründerin Whitney Wolfe Herd will nicht weniger als ein „Internet der Frauen“ erschaffen, eine „digitale Welt, in der Respekt, Gleichberechtigung und Rücksichtnahme regieren“, wie es in einem NZZ-Beitrag steht.
Das ist alles ganz wunderbar, wären da nicht all die Männer auf Bumble, für die Feminismus ein Fremdwort ist. Da jammern manche, wie unfair es sei, dass die Frauen zuerst schreiben dürfen. Oder machen im eigenen Profil klar: Kein Bock auf komplizierte Frauen. Also solche, die ihre Meinung sagen, für ihre Bedürfnisse einstehen, streiten?
Doch keine kritische Männlichkeit
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Jetzt zwingt mich Whitney Wolfe Herd nicht, mit diesen Männern auf ein Date zu gehen. Doch beweist der Blick in ihre Profile, dass auf Bumble doch nicht die Sonne scheint, zumindest nicht für Feministinnen.
Da war etwa der Berliner Architekt, der online ohne offensichtliches Mackertum auszukommen schien und mich mit lackierten Fingernägeln und dem Gebrauch des Gender-Sternchens auf ein Mindestmaß an kritischer Männlichkeit hoffen ließ. Bis er mir bei unserem Café-Date dann tiefenentspannt zusah, wie ich in mehreren Runden Espresso, Kuchen, Wasser und Aperol Spritz an unseren Tisch trug. Er habe uns doch einen Stuhl besorgt, konterte er gekränkt, als ich fragte, warum er mir nicht helfe. Auch wollte er nichts über mich erfahren, sondern genoss stattdessen mein Interesse an ihm.
Ähnlich viel Arbeit hatte ich mit einem Ingenieur, der während unseres zweistündigen Treffens an der Elbe auf genau eine Frage zu meiner Person kam. Als ich versuchte, die hörbare Leere mit Nachfragen zu füllen, gab er mir den Hinweis, dass ich ihn kaum zu Wort kommen lasse. Also hielt ich mich zurück und horchte, was da kommen würde. Es kam nichts.
Umso mehr dagegen hatte ein anderer Mann zu sagen, als ich ihn auf Bumble kürzlich fragte, was er von Feminismus halte. „Ich bin hier, um jemanden kennenzulernen und nicht gleich eine Grundsatzdiskussion zu führen“, erklärte mir der Dresdner. „Ich glaube, du verschreckst auch eher mit so einer Frage, anstatt dadurch jemanden kennenzulernen.“
Aber ich rege mich nicht länger auf, sondern deute seine Nachricht als ein Zeichen: Es ist nun langsam gut. Sorry, Whitney. Bye-bye, Bumble. Laura Catoni
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“