Die braune Eminenz

Im November trafen sich in einem Potsdamer Hotel Rechtsextremisten und AfD-Politiker. taz-Recherchen zeigen: Unter den Anwesenden war auch ein Unternehmer, der seit Jahrzehnten in rechtsextremen Kreisen unterwegs ist und christliche Autoren verlegt – darunter ein Buch von Papst Benedikt XVI

Hans-Ulrich Kopp bei dem Treffen in Potsdam  Foto: Greenpeace Investigativ

Von Jean-Philipp Baeck
und Anne Fromm

Der Mann trägt einen langen schwarzen Mantel, sein Haar ist grau. Mit zwei Koffern in den Händen verlässt er den Hof des Landhaus-Hotels Adlon bei Potsdam.

Es ist Sonntag, der 26. November 2023. An diesem Wochenende treffen sich in dem Hotel Po­li­ti­ke­r*in­nen der AfD, Mitglieder der CDU-nahen Werteunion und Rechtsextremisten. Das Treffen wird sechs Wochen später von der Rechercheplattform Correctiv publik gemacht werden und bundesweit für Empörung sorgen. Hunderttausende Menschen werden gegen die AfD auf die Straße gehen, namhafte Politiker ein AfD-Verbot fordern.

Doch an diesem Tag im November fühlt sich der Mann im schwarzen Mantel wohl unbeobachtet. Er dürfte nicht ahnen, dass er von einer versteckten Videokamera aufgenommen wird. Der Mann heißt Hans-Ulrich Kopp. Nach Recherchen der taz und Correctiv hat auch er an dem Treffen teilgenommen. Das war bisher nicht bekannt.

Kopp ist ein Bauunternehmer aus Stuttgart und seit Jahrzehnten in rechtsextremen Kreisen unterwegs. Er ist eine Art graue Eminenz des Rechtsextremismus – Burschenschaftler, Publizist, Vertriebenen-Lobbyist.

Kopp ist ein Funktionär alter reaktionärer Kreise, die auch für den Erfolg der AfD eine Rolle spielen. Aber nicht nur das: Er steht auch für die Verbindung zu rechten Christen, mit Kontakten bis in höchste Kreise des Vatikan. Er betreibt einen Buchverlag, den Lepanto Verlag. Mit dem bekannten Kopp-Verlag, der rechtsextreme und verschwörungstheoretische Bücher vertreibt, hat er nichts zu tun.

Nach den Recherchen von Correctiv wurde auf dem Treffen in Potsdam das Konzept der „Remigration“ besprochen. Dahinter steht die Idee, dass Menschen ohne deutschen Pass, aber wohl auch deutsche Staatsbürger massenhaft zum Verlassen des Landes gezwungen werden sollen. Einige der Teilnehmer hatten diese Diskussion nach der Correctiv-Veröffentlichung relativiert.

Hans-Ulrich Kopp äußerte sich auf taz-Anfrage nicht zu seiner Teilnahme an dem Treffen.

Kopp betreibt in Stuttgart das Straßenbau-Unternehmen „Lautenschlager + Kopp“. Seine Firma baut Radwege und Kreisverkehre und markiert Parkplätze in Süddeutschland. Als Unternehmer bekommt er Staatsaufträge, als Aktivist hat er Verbindungen in die einschlägigen rechten Kreise.

Sein politisches Engagement beginnt in den 1980er Jahren. 1989 gründet er den Republikanischen Hochschulverband mit, eine Nachwuchsorganisation der rechten Kleinpartei Republikaner, die zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Kopp ist seit vielen Jahren im Witikobund aktiv und wird 2006 dessen 2. Bundesvorsitzender. Der Witikobund ist eine Vertriebenenorganisation der Sudetendeutschen, der viele ehemalige Nationalsozialisten angehören. Dem Verein wird vorgeworfen, sich für eine deutschnationale, wenn nicht sogar völkische Politik einzusetzen.

Bei der rechtsextremen Burschenschaft Danubia, einer schlagenden Verbindung, war Kopp Vorsitzender der Alten Herren. Für die jüngeren Studenten der Danubia berichtet der Bayerische Verfassungsschutz zuletzt von gemeinsamen Aktivitäten mit der AfD und Identitären Bewegung. Auf Veranstaltungen ging es – wie bei dem Treffen in Potsdam – um „Remigration“. Kopp engagierte sich zudem in dem Verein „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit e. V.“, der sich die „Sicherung eines wahren deutschen Geschichtsbildes“ zum Ziel gesetzt hatte.

Sowohl sein Engagement im Witikobund, bei den Republikanern als auch im „Archiv der Zeit e.V.“ hat Kopp mit Andreas Kalbitz gemeinsam, parteiloses Mitglied der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag. Laut Verfassungsschutz war Kalbitz Mitglied der verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend, der AfD-Bundesvorstand warf ihn 2020 aus der Partei.

In den 1990er Jahren war Hans-Ulrich Kopp Redakteur der rechten Zeitung Junge Freiheit. Auch nach seinem Ausscheiden blieb er als Autor diverser rechter Publikationen aktiv.

Und Kopp betreibt mit einem Nürnberger Anwalt den Lepanto Verlag. Zwanzig Au­to­r*in­nen veröffentlichen dort, darunter einige mit Verbindungen zur Neuen Rechten.

Diese Autoren haben Vorträge gehalten beim Institut für Staatspolitik des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek oder schreiben für dessen Zeitschrift Sezession. Das Institut für Staatspolitik wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Der mit Abstand prominenteste Autor des Verlags ist der mittlerweile verstorbene Papst Benedikt XVI. Der Geistliche veröffentlichte im Jahr 2012 bei Lepanto sein Buch „Kirchenlehrer der Neuzeit“. Zu dieser Zeit war Benedikt noch Papst, später verzichtete er auf das Amt.

Sein Buch ist nicht das einzige von einem hochrangigen Kirchenvertreter in dem kleinen Verlag. Erst im Oktober 2023 erschien dort ein Interviewband mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Müller gehört bis heute zur obersten Riege des Vatikans. Der frühere Bischof von Regensburg ist Mitglied des höchsten Gerichts der katholischen Kirche. Vorher war er „Präfekt der Glaubenskongregation“ und bekleidete damit das dritthöchste Amt im Vatikan. Müller gilt als konservativer Hardliner. Während der Coronapandemie fiel er mit verschwörungstheoretischen Positionen auf.

Als Verleger hat Kopp also höchste Vertreter des Vatikans im Programm, ist gleichzeitig seit Jahrzehnten für seine rechtsextremen Kontakte bekannt und saß im November im Landhaus Adlon mit am Tisch, wo Pläne zur „Remigration“ geschmiedet wurden.

Ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz verurteilte auf taz-Anfrage das Treffen in Potsdam und die dort besprochenen Pläne. Zu den Publikationen von Kardinal Müller und Papst Benedikt im Lepanto Verlag äußerte er sich nicht. Die Bischofskonferenz ist für die Geistlichen nicht zuständig, sondern der Vatikan. Der antwortete auf taz-Anfrage nicht.

Ein Sprecher des katholischen Medienverbands, in dem auch der Lepanto Verlag Mitglied ist, schrieb auf Anfrage, für rechtsextreme Verfassungsfeinde sei kein Platz im Medienverband. Sollte sich die taz-Recherche bewahrheiten, werde man umgehend einen Verbandsausschluss einleiten.