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Prämenstruelle Wut und EskalationAbsage an die Scham

Nachdem unsere Autorin wegen eines abgesagten Wellnessurlaubs aus der Fassung geriet, schämte sie sich für ihr Handeln. Heute macht sie reinen Tisch.

Die Wogen haben sich geglättet – die Scham bleibt Foto: Chromorange/imago

J ahresende. Ein guter Zeitpunkt, die schlimmsten prämenstruellen Zusammenbrüche des Jahres Revue passieren zu lassen. Mein Tiefpunkt 2023 war definitiv die Fast-Anzeige eines Wellness-Hotels. Davon zu schreiben, kostet mich Überwindung. Ich schäme mich nämlich.

Meist verstecke ich diese Scham gekonnt hinter Humor, den ich wie ein Schutzschild vor mir hertrage. Scham ist eigentlich Angst. Angst davor abgewertet zu oder gar verstoßen zu werden, weil „die Wahrheit“ ans Licht kommt. Es gibt nicht vieles im Leben, für das ich mich schäme. Für meine riesigen Emotionen allerdings – denen PM(D)S als Brennglas dient -, für die schäme ich mich häufig.

Das gesamte Ausmaß meiner Wut zum Beispiel, ist derart schambehaftet, dass eine Offenlegung einem Liebesgeständnis gleichzusetzen ist. Sicher fühle ich mich bei den Menschen, die sagen „wir nehmen sie, wir behalten sie, wir lieben sie auch mit dieser Wut“. Nun soll die PMS-Ultras Kolumne aber auch der Entlastung dienen und deshalb habe ich all meinen Mut zusammengenommen und der Scham kurzzeitig eine Absage erteilt.

Scham ist Angst

Meine Freundin U. und ich hatten uns seit Monaten auf ein Wellness-Wochenende an der Nordsee gefreut. Pool, Sauna, maritim gestaltete Zimmer. Ich wollte gerade aufstehen, um mich reisefertig zu machen, als auf meinem Handy eine WhatsApp mit „Scheiße ich hab Corona“ aufploppte. Fuck. Musste ich wohl alleine fahren. Erstmal weinen.

Der ideale Nährboden für einen Nervenzusammenbruch findet sich an einem Freitagnachmittag im Regionalexpress HH-Altona – Sylt. Wird sich dann noch einen Tag später die Gebärmutterschleimhaut ablösen, ist alles verloren.

Kurz nach dem Einstieg forderte der Zugführer die Fahrgäste auf wieder auszusteigen. Irgendwas mit Rangierunfall in Itzehoe. Wann und ob ein Zug gen Nordsee fahren würde? Ungewiss. Erstmal weinen.

Völlige Eskalation

Mein Unterleib krampfte, es war kalt, es regnete, ich war allein, das Gepäck war schwer, die Vorfreude dahin. Ich entschied mich zurück nach Hause zu gehen, um das Wochenende selbstmitleidig im eigenen Bett zu verbringen. Auf Kulanz hoffend kontaktierte ich noch auf dem Heimweg das Hotel.

Schlechte Nachrichten: sollten unsere Zimmer nicht anderweitig vermietet werden können, so müssten wir uns – bei allem Verständnis für unsere Lage – den normalen Stornobedingungen beugen. Diese Information brachte das Fass zum Überlaufen und binnen Minuten eskalierte ich vollkommen.

Ich verlinkte das Hotel in meiner Instagram-Story. Natürlich als Druckmittel. Dafür schäme ich mich am allermeisten. Als das nicht half, schrieb ich dem Hotel mehrere Nachrichten mit dem Hinweis, gute Werbung sei das ja nun nicht gerade. Das Hotel antwortete mir, meine Nachrichten, die sie als Erpressung verstünden (leider verständlich), nun ihrem Anwalt vorzulegen.

Anzeige statt Wellness

Statt eines Wellness-Wochenendes eine Anzeige? Erstmal weinen. Verzweifelt schluchzend rief ich im Hotel an und flehte mich nicht anzuzeigen. Anzeigen wolle mich niemand, die Weiterleitung an den Anwalt diene lediglich der eigenen Absicherung. Auf diese Erleichterung folgte die große Scham.

Ich löschte die Stories, schrieb dem Hotel mehrere Entschuldigungsnachrichten und schwor mir nie wieder über diesen Ausfall zu sprechen. Bis heute.

Am Mittag des nächsten Tages kam meine Periode.

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Sarah Lorenz
Sarah Lorenz wurde 1984 in Eckernförde geboren, lebt und schreibt auf St.Pauli. Seit 2023 Kolumne PMS-Ultras in der taz. Im Internet bringt sie unter dem Pseudonym Buchi Schnubbel allabendlich eine Kleinstadt an Menschen zu Bett.
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4 Kommentare

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  • Sollte Frau sich für solche wiederkehrende Situationen nicht besser eine Verhaltensstrategie mit Plan B entwickeln, um damit im Leben besser klar zu kommen.



    Schließlich ist das Leben keine Generalprobe.



    So etwas spart viel Leid und Kraft.

  • Ich bin letztens im Unterricht völlig ausgerastet. So, wie es mir noch nie passiert ist.

    Am nächsten Tag fragt mich ein Schüler (6. Klasse), der zu den liebsten gehört, warum ich so schlecht drauf war.

    Und ich schaffte es, ganz ehrlich zu sagen:



    Ich bekomme bald meine Tage, da bin ich immer sehr empfindlich. Und gestern kam irgendwie viel zusammen.



    Er nahm es völlig gelassen hin. Und ich war so wahnsinnig stolz auf mich, dass ich das so kommuniziert habe.

    Ich merke es an meiner Stimmung, wenn ich meine Tage bekomme. Es ist beeindruckend. Und ich glaube, nicht Menstruierende können das nicht nachempfinden.

    • @KeineHeldin:

      Natürlich kann ich das als Mann nicht nachvollziehen, ich durchlebe es ja nicht. Ich finde solche Texte daher sehr hilfreich, um besser zu verstehen, was meine Partnerin durchlebt, um besser darauf eingehen zu können.

      Rein gesellschaftlich ist es aber ein Minenfeld für uns Männer: Ich manchen Situationen oder Bubbles soll man Leute (innerhalb oder außerhalb des eigenen Haushalts) zum Zeitpunkt ihrer Menstruation auf gar keinen Fall anders behandeln als den Rest und in manchen Situationen oder Bubbles wird genau das als engstirning und fies gesehen, man möge bitte Verständnis haben und darauf eingehen. Man(n) will einfach nur alles richtig machen, bekommt aber egal wie ein's auf den Deckel.

  • Liggers. Nach Ebbe kommt Flut.