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Massenexodus aus KubaDer Revolución entfliehen die Kinder

Kommentar von Knut Henkel

Anders als bei früheren Auswanderungswellen verlassen gerade ganze Familien Kuba – ohne Option auf Rückkehr. Die Regierung hat Vertrauen verspielt.

Der frühere kubanische Präsident Raúl Castro während der Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag der Revolution am 1. Januar in Santiago Foto: Ismael Francisco/ap

A uswanderung ist eine Konstante in Kuba. Nicht erst seit der Revolution von 1959 suchen Ku­ba­ne­r:in­nen immer wieder bessere Perspektiven außerhalb der Insel. Drei große Auswanderungswellen prägen die jüngere Geschichte: die direkt nach der Revolución, als rund 50.000 Menschen die Insel verließen. 1980 folgte die nächste, als rund 120.000 desillusionierte Ku­ba­ne­r:in­nen die Insel verließen, und schließlich die Balsero-Krise von 1994. Da drehten 35.000 bis 50.000 Ku­ba­ne­r:in­nen der größten Antilleninsel auf allem, was schwimmen konnte, den Rücken – und entflohen der gravierenden Versorgungskrise.

Allen drei Migrationswellen ist eines gemeinsam: Das Ziel waren die USA. Das ist auch beim derzeit laufenden Massenexodus, der alles vorher Gewesene in den Schatten stellt, nicht anders. 500.000 Ku­ba­ne­r:in­nen haben 2022 und 2023 die USA erreicht, weitere 60.000 bis 70.000 sind in andere Länder emigriert.

Anders als früher gehen ganze Familien. Die Menschen verlassen Kuba, ohne etwas zurückzulassen. Alles wird versilbert; die Option der Rückkehr, die viele früher immer mitdachten, ist heute keine Konstante mehr. Das hat Gründe. Viele sehen im ökonomischen Modell der Insel keine Perspektive für sich: zu wenig Freiraum, zu viel ökonomische Kontrolle von oben.

Trotz aller Reformen der letzten Jahre bietet die Inselökonomie für die jüngeren, oft gut qualifizierten Ku­ba­ne­r:in­nen zu wenig Perspektive. Hinzu kommt, dass die Hoffnung auf einen Wandel innerhalb des politisch-ökonomischen Modells spätestens mit der martialischen Niederschlagung der Proteste vom Juli 2021 zerstoben ist. Mindestens 1.600 Menschen wurden im Anschluss an die inselweiten Proteste inhaftiert, kriminalisiert und zu Haftstrafen von bis zu 30 Jahren verurteilt.

Darunter auch Minderjährige – die vermeintlich sozialistische Regierung von Miguel Díaz-Canel hat damit viel Glaubwürdigkeit verspielt. Das manifestiert sich im Massenexodus der Qualifizierten, mit dem die ökonomischen Perspektiven der Insel quasi erodieren.

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8 Kommentare

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  • Unter Barack Obama gab es mal eine Zeit der Hoffnung. Doch Raúl Castro ist ein Diktatot, wie er im Buche steht. Da sollte Biden mehr Druck machen.

  • Mit Diktatur ist eben kein Staat zu machen. Jedenfalls nicht mit einem freiheitsliebenden Volk wie den KubanerInneN.

    Wenn nur hierzulande die Besinnung rechtzeitig käme, dass wir selbst ein freiheitsliebendes Volk sind und daher auf AfD-Ministerpräsidenten getrost verzichten können.

    Immerhin haben die ExilkubanerInnen einen Vorteil gegenüber den MigrantInnEn aus dem Süden: Sie haben in USA eine Unterstützerbasis im mitunter wahlentscheidenden Bundesstaat Florida. Da würde selbst ein wiedergewählter Trump keine Mauer bauen gegen diese Flüchtlinge. Die würde die Sicht aufs Meer von Mar-al-Lago stören.

    Wahrscheinlich sind die Mächtigen auf Kuba noch von der Betonkopf-Ära der Sowjetunion geprägt, wo bestimmt auch kubanische Kader politisch ausgebildet wurden. Ein demokratischer Sozialismus scheint daher in Kuba misslungen zu sein. Gebraucht wird also der Wille, es nochmal, aber besser, genuin demokratisch zu probieren, emanzipiert vom Irrweg des lateinamerikasozialistischen Leitwolf Maduro, aber mit einem ganzen Spektrum linker Parteien, von Sozialdemokraten über Sozialisten bis Kommunisten, für ein regelmäßig und stets frei und geheim zu wählendes Parlament. Einen Revolutionsrat können sie ja behalten, aber vielleicht eher im Sinne eines Bundesrates wie dem der Schweiz. Ein Kurs hin zu wirtschaftlichem Erfolg für ein auskömmliches Leben für Alle auf Kuba muss durch Freiheit und Rechtssicherheit gewährleistet werden. Einzig Schutzmaßnahmen wie Höchstanteile ausländischer Investoren an inländischen Unternehmen und Vorsichtsmaßnahmen gegen die neue politische Seuche des Mileiismus aus Argentinien wären wichtig, um einen eigenen, kubanischen Weg zur Freiheit zu gehen. Mit etwas anderem würden sich die Restkubaner ihren Reststolz nehmen und sich der Ausbeutung freigeben, zu einem Armutseiland a la Haiti verkommen. Auch Kuba muss sich also auf Werte besinnen, und lernen, Demokratie nachhaltig, wenn auch nicht unvorsichtig den Weg zu ebnen.

  • Das sage ich aus eigener Erfahrung und es ist sicher bitter für alle Linken, die Flüchtlinge sehen im Sozialismus keine Zukunft und betrachten die USA als Land des Fortschritts.

  • Vielleicht könnte Herr Henkel einmal erklären, warum Kuba nur vermeintlich sozialistisch ist, bitte?



    Die Produktionsmittel sind verstaatlicht, die Mittelschicht abgebaut, ein Bürgertum oder Aristokratie existiert nicht mehr.



    Gleichzeitig werden alle Belange des Lebens vom Staat kontrolliert. Kling für mich nach Sozialismus.

    • @Sybille Bergi:

      Da unterscheiden sich eben die Definitionen von Sozialismus. Allgemein sollen im Sozialismus alle Produktionsmittel in den Händen derer sein, die in den Betrieben tätig sind.



      Ob und welche Belange des Lebens vom Staat kontrolliert werden, interessiert nicht.

      Leider hat man das in der DDR und allgemein im Stalinismus anders gesehen. Leo Trotzki hat das schon in den 1920er Jahren erkannt. Doch diese Erkenntnis wurde erschlagen.

  • Na ja, dann guckt euch mal die jahrzehntelange massive Wirtschaftsblockade gegen Kuba an. Das Land möchte ich sehen, welches das ohne ökonomische Probleme wegstecken würde, zumal Kuba ja nun auch nicht das größte und rohstoffreichste Land der Erde ist.

    • @Uns Uwe:

      Ja, ich verstehe es nicht. Die Staaten könnten sich Cuba kaufen. Wenn die USA sichtbar Geld in das Land pumpen würden, würde Castro innerhalb kürzester Zeit weggefegt. Die Opposition ließe sich nicht mehr bremsen. Das gilt auch ähnlich für Nicaragua.

    • @Uns Uwe:

      Aus Wikipedia:

      "Auch der 2006 seinem Bruder Fidel als Präsident nachfolgende Raúl Castro lehnt eine einseitige Schuldzuweisung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Kubas an die „Blockade“ ab. Vielmehr seien strukturelle Probleme der staatlichen Zentralwirtschaft dafür verantwortlich, wie er zum Beispiel im Dezember 2010 in einer Rede vor der Nationalversammlung anmerkte."