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EU-Parlament kippt Ackergift-SenkungPestizidpest bleibt

Das EU-Parlament hat die Senkung des Einsatzes von Ackergiften abgelehnt. Erst im Sommer hatte es die Verordnung zur Renaturierung verwässert.

Pestizideinsatz beim Weinanbau im Moseltal Foto: blickwinkel/imago

Brüssel taz | Neuer Rückschlag für die europäische Umweltpolitik: Das Europaparlament hat ein Gesetz zur Einschränkung von Pestiziden gekippt. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Straßburg mehrheitlich gegen den Vorschlag der EU-Kommission, die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um die Hälfte zu senken. Weitere Verhandlungen lehnte das Parlament mit knapper Mehrheit ab.

Damit wird die Umweltgesetzgebung bereits zum zweiten Mal ausgebremst. Im Sommer hat das EU-Parlament eine Verordnung zur Renaturierung verwässert. Zuvor hatten Christdemokraten, Rechtskonservative und Nationalisten eine massive Kampagne gegen den Entwurf gestartet – und sich auf den (angeblichen) Schutz der Landwirte berufen. Ähnlich ist es auch diesmal gelaufen.

Konservative Abgeordnete warnten vor Problemen für die Bauern, wenn sie die Nutzung von Pestiziden einschränken müssten. „Wir müssen Lösungen gemeinsam mit und nicht gegen die Landwirtschaft finden“, erklärte der CDU-Abgeordnete Norbert Lins. Seine Fraktion habe konstruktive Änderungen an dem Entwurf der EU-Kommission gemacht. Dies habe die linke Mehrheit jedoch abgelehnt. Ganz anders stellt sich die Sache aus Sicht der Grünen dar. „Heute ist ein schwarzer Tag für die Natur und die Landwirtinnen und Landwirte“, erklärte die grüne Abgeordnete Sarah Wiener. Das EU-Pestizidgesetz sei „bis zur Unkenntlichkeit zerlöchert“ worden und deshalb durchgefallen. „Die Konservativen setzen die Gesundheit und die Artenvielfalt aufs Spiel“, so Wiener.

Von einem „katastrophalen Signal für Umwelt und Gesundheit“ spricht der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Pestizide gefährden Ökosysteme und natürliche Ressourcen, von denen unsere Ernährungssicherheit abhängt“, erklärte BUND-Chef Olaf Bandt. Nach der verlängerten Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat durch die EU-Kommission sei dies ein weiterer herber Rückschlag.

Ein neuer Anlauf für ein Pestizidgesetz ist angesichts der Europawahl unwahrscheinlich. Bis zur Wahl im Juni 2024 bleibt nicht genug Zeit, um es durch die EU-Gremien zu bringen.

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12 Kommentare

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  • Der Mensch, in absoluter Unterzahl auf dem Planeten, besteht darauf, weiterhin alles zu zerstören und zu vergiften. Immer noch im festen Glauben, alles um ihn herum sei lediglich auf der Welt, um ihm zu dienen.



    Man weiter so. Je eher haben wir es hinter uns.

  • Die Entscheidung ist richtig. Pauschale Reduktionsziele sind in der Realität oft nicht verbindlich umsetzbar, auch wenn alle das wollen.



    Die Landwirte setzen sowieso nur so viele Pflanzenschutzmittel ein, wie nötig. Sie arbeiten über Generationen mit Ihren Böden und werden die Fruchtbarkeit auch für die nächsten Generationen erhalten. Reduzierung der Erträge hier, würde nur noch mehr Importe aus anderen Ländern zur Folge haben, in denen noch weit mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

  • Es ist eine gute Nachricht, dass dies pauschale Kürzungsidee vom Tisch ist. Kein Landwirt setzt chemische Mittel zum Spaß ein. Diese Mittel kosten auch eine Menge Geld. Der Einsatz hängt regelmäßig auch von der herrschenden Witterung ab und ist damit auch nur begrenzt beeinflussbar.



    Die Alternative wäre stark schwankende Erträge, damit einhergehende schwankende Preise und Erlöse und vermutlich dann auch steigende Unterstützungszahlungen für Landwirtschaft. Und das alles für einen stark begrenzten Nutzen. Nein, danke.

  • Gruselig. Jetzt wird die Europa-Wahl noch wichtiger.

    • @Anidni :

      Wen wollen sie denn wählen? Die Grünen, die für LPG und Kohlestrom sind, weil es ja so unausweichlich ist?



      Die SPD, welche der Industrie Stromrabatte gibt, damit sie auch ja keinen Strom sparen müssen?



      Ich habe keine Partei mehr, die ich wählbar finde.

      • @Rudi Hamm:

        Kleine Korrektur. Die Idee mit dem Industriestrompreis kommt von Habeck. Scholz war dagegen. Jetzt trifft man sich in der Mitte.

        Aber Sie haben Recht. Es ist wirklich schwer, noch eine wählbare Partei zu finden. Am Ende wird es (wieder mal) das geringste Übel werden.

  • Was essen wir in 20 Jahren?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich hoffe das es dann hier noch ein paar Landwirte gibt, die uns auch weiterhin mit guten Lebensmitteln versorgen. Leider geht die Tendenz in die Richtung hier die Landwirtschaft zurückzudrängen und dann noch mehr aus anderen Länder zu holen. Noch können wir uns das leisten, anderen Ländern Lebensmitteln wegzukaufen. Ob das in 20 Jahren auch noch so ist?

      • @Thomas2023:

        Es ist gut, Bauern im Land zu haben. Aber es wird ein Problem, zu ernten, wenn es keine Insekten mehr gibt, die Pflanzen befruchten.

  • Konservative und Rechtspopulisten ziehen wieder mal an einem Strang; die Formel "Wir müssen Lösungen gemeinsam mit und nicht gegen die Landwirtschaft finden" bedeutet eigentlich: Wir suchen keine Lösungen und erlauben den Landwirten, gegen die Gesundheit der Menschen und gegen die Artenvielfalt (und auch damit gegen die -Gesundheit..) zu agieren.

  • Ws ein Glück, dass dem Bürokratiewahnsinn mal Einhalt geboten wurde.



    Das passiert selten genug!

    • @Andere Meinung:

      So was kommt von zu viel 1,1′-Dimethyl-4,4′-bipyridinium im Essen.