piwik no script img

Kindergrundsicherung im BundestagMütter sollen mehr arbeiten

Am Donnerstag ist die erste Lesung der Kindergrundsicherung im Bundestag. Die FDP will mehr „Erwerbsanreize“ für Eltern.

Baustelle Kindergrundsicherung: Am Donnerstag wird im Bundestag weiter gestritten Foto: Christoph Soeder/dpa

Während in der Koalition noch über den Umgang mit Migration gestritten wird, steht der nächste Konflikt bereits auf der Tagesordnung: Die Kindergrundsicherung hat am Donnerstag ihre 1. Lesung im Bundestag. Dabei wird es aller Voraussicht nach um den Bürokratieaufwand, die Regelungen für Kinder im Asylbewerberleistungsgesetz sowie die von der FDP geforderten Erwerbsanreize gehen.

„Als Abgeordnete feilen wir nun an Details des Gesetzentwurfs, um ihn noch besser zu machen“, heißt es in einem Pressestatement der Grünen-Abgeordneten Nina Stahr. Dabei hatten die Koalitionspartner_innen um die federführende Familienministerin Lisa Paus (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) monatelang um einen Kompromiss gerungen. Ende August hatten sie sich auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf geeinigt, im September hatte das Kabinett den Entwurf beschlossen.

Zufrieden scheinen die Mitglieder der Koalition nicht zu sein: Johannes Vogel, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, kündigte Anfang Oktober an, dass weiterhin Erwerbsanreize gesetzt werden müssen. „Wer arbeitet oder mehr arbeitet, muss immer auch mehr Geld zur Verfügung haben als jemand, der nicht oder weniger arbeitet“, sagt auch Katja Adler (FDP) der taz. „Daher müssen die Grundlagen geschaffen werden, dass beide – Eltern und Alleinerziehende – vollumfänglich arbeiten können. Dazu zählt insbesondere auch, gute und in Platzzahl und Zeitumfang ausreichende Kinderbetreuung sicherzustellen.“

Dass die FDP sich auf diesen Aspekt fokussiert, stößt innerhalb der Koalition auf Kritik: „Alleinerziehendenfamilien sind die Gruppe, die am meisten von Armut betroffen sind – trotz Erwerbstätigkeit“, sagt Jasmina Hostert (SPD). „Es ist diskriminierend, von Erwerbsanreizen zu sprechen, während Alleinerziehende tagtäglich den Spagat zwischen Kinderbetreuung, Erwerbstätigkeit, systemrelevanter Care-Arbeit und vielen weiteren Verpflichtungen managen. Wir müssen ihre enorme Leistung anerkennen und aufhören, sie noch mit Erwerbsanreizen zu diskriminieren.“

Die Linkspartei sieht das Konzept verfehlt

Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linken, kritisiert das derzeitige Konzept der Bundesregierung als „Etikettenschwindel“: „Nicht mal das Minimalziel, nämlich niemanden schlechter zu stellen, erreicht der Gesetzesentwurf“, so Reichinnek.

„Nach aktuellem Stand droht beispielsweise, dass bei manchen Kindern von Alleinerziehenden und Kindern im Asylbewerberleistungsgesetz am Ende weniger Geld ankommen wird als bisher.“ Letztere bekamen bislang einen Sofortzuschlag von 20 Euro, der wegfallen soll. Bei Alleinerziehenden ist nun vorgesehen, dass ein Unterhaltsvorschuss für Eltern von über 6-Jährigen nur dann ausgezahlt wird, wenn sie über 600 Euro verdienen.

Nina Stahr teilt die Kritik teilweise: „Als Bündnisgrüne hätten wir gerne Verbesserungen für Kinder im Asylbewerberleistungsgesetz erwirkt.“

Am Montag ist eine Anhörung im Familienausschuss angesetzt, bis Mitte Dezember soll der Bundestag das Gesetz beschließen. Anfang Februar soll das Gesetz durch den Bundesrat.

Mit der Kindergrundsicherung will die Ampel Leistungen bündeln und Bürokratie abbauen. Ab dem 1. Januar 2025 soll sie in Kraft treten. Dafür ist ein Grundbetrag vorgesehen, das heutige Kindergeld. Dazu kommt ein Zusatzbetrag, den Menschen beantragen können, die Kinderzuschlag, Kinderfreibetrag und Bürgergeld bekommen. Darüber sollen Berechtigte künftig informiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Aus dem paradiesischen RLP in den Bund hineingerufen: Kostenlose Kitaplätze kann man wollen und umsetzen! Hier im Land ist noch vieles nicht gut - zu wenig Plätze, enge Zeitbemessung, Ganztag nicht in jeder Kita, Tageseltern Mangelware, aber immerhin können wir Eltern in RLP seit über 10 Jahren unsere Kinder ohne Betreuungskosten von ausgebildeten Erzieher*innen begleiten und bilden lassen. Kosten für Frühstück, Mittagessen, Getränke sind zu verschmerzen.

    Als fast Vollzeit erwerbsarbeitende "Alleinerziehende" (stimmt so nicht, ich bin eher die Alleinorganisierende und Überwiegend-allein-Verantwortliche) bin ich regelmäßig angenervt von Formulierungen wie "Eltern und Alleinerziehende" und von dem Blick von oben herab samt Pseudofürsorge.



    Wo ist denn eine echte Steuererleichterung für uns, angelehnt an Klasse III, und zwar auch für Ein-Eltern, die z.B



    noch eigene Eltern oder WG-Mitbewohner haben (da greift sonst Klasse I, witzig, gell!). Wo sind extra Urlaubstage, die zumindest einen kleinen Teil von Ferien und Kitaschließtagen auffangen, nicht nur Kinderkrankengeld?



    Wo sind z.B. kostenlose Betreuungsstunden, die übers Jahr verteilt von AErziehenden in Abendstunden für Elternabende, eigenen Sportverein, politischen Stammtisch oder, Gott behüte, für einen Kinobesuch verbucht werden können? Na, meinetwegen auch bloß easy bezuschusst und bürokratiegering.

    Ich sage euch, es ist ein organisatorischer Akt, als Allein-Alltagsverantwortliche*r auch noch gesellschaftlich engagiert mitzumischen in Elternausschuss, BI etc.

    Mal abgesehen von denen, die sich echauffieren, weil Eltern (Mütter) arbeiten gehen - als ob die Ramafamilie jemals real gewesen wäre.



    Den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, ist schon ein gutes Gefühl, gesellschaftliche Wertschätzung dafür machte es noch besser.

  • Ja wo kommen wir denn hin, wenn Mütter jetzt dem Erwerbskreislauf entzogen werden ?

    Kinder erziehen schafft ja schließlich keinen Unternehmergewinn !

    Und wenn Frau unbedingt Mutter sein will, soll sie gefälligst die Doppelbelastung aus Kindererziehung und Erwerbstätigkeit meistern. Verdammt noch Mal !

    Denn FDP - Das steht auch für

    F amilien



    D oppelt



    P elasten

  • Geil: Diejenigen, die weniger als 600 Euro verdienen, sind ganz besonders auf Hilfe bei zahlungsverweigernden Expartnern angewiesen. Muss man die Lust am Drangsalieren eigentlich nachweisen, bevor man in die FDP eintritt? Die aggressiv-schikanöse Selbstherrlichkeit dieser Leute ist abstoßend. Nicht weit weg von der alten deutschen Mentalität des Kaiserreichs. Mal nachdenken, wer die Gesellschaft auseinander treibt und dabei ganz konkret Menschen das Leben immer noch schwieriger macht.

  • Die Politik arbeitet hier völlig am Bedarf vorbei. Als ob es daran liegt, dass Mütter nicht arbeiten WOLLEN! Mütter würden sehr gerne wieder arbeiten gehen, allerdings ist die Kinderbetreuung vielerorts so teuer, dass es sich kaum lohnt zu arbeiten! Wir werden bald für beide Kinder an die 1000€ Betreuungsgebühr (in stinknormalen städtischen Einrichtungen) zahlen, da überleg ich es mir natürlich zweimal, ob es nicht mehr Sinn macht, die Kinder selbst zu betreuen!



    Außerdem sollten nicht die Mütter dauernd beschuldigt werden. Was wirklich fehlt sind Anreize für ArbeitGEBER, Mütter einzustellen. Ich kenne genug Mütter, die arbeiten wollen, aber keiner stellt sie ein, weil ArbeitGEBER Angst hat, die Mütter würden wegen der Kinder regelmäßig ausfallen oder wer weiß was. Ich bin Mutter und kenne die täglichen Schikanen der Arbeitgeber und Kollegen nur zu gut! Hier gilt es ein Umdenken zu schaffen und nicht den Müttern dauernd ein schlechtes Gewissen zu machen indem man "Erwerbsanreize" schafft. Das wird das Problem nicht lösen!

  • Die Lobbygruppe aka FDP ist und bleibt die quertreibende Kraft in der Koalition. Die arbeiten nicht (mehr) redlich. Offenbar stimmen sie Gesetzesvorlagen nur zu, um sich dann um so besser "profilieren" zu können. Mit Krawall werden die ursprünglich getroffenen Vereinbarungen torpediert. Wenn sie unbedingt Opposition betreiben wollen, warum sind sie dann in eine Koalition eingestiegen? Weil es die Wahlregebnisse nicht zugelassen haben mit ihren Wunschpartneren Union zusammen zu gehen? Das nennt man demokratisch und wenn sie das mit ihren paar Prozentpünktchen nicht verstehen, dann verstehen sie das System nicht.