Permakultur-Designer über Ökolandbau: „Polykulturen statt Monokulturen“
Auch in der Biolandwirtschaft werden oft Pflanzen nur einer Art angebaut, kritisiert Permakultur-Designer Kennedy. Die Insektenvielfalt geht verloren.
taz: Herr Kennedy, immer mehr Bauern stellen auf Ökolandbau um. Sind damit die Umweltprobleme der Landwirtschaft gelöst?
Declan Kennedy: Zum großen Teil. Wenn man nicht mehr chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger verwendet, nützt das der Natur. Aber auch im Ökolandbau kommen oft künstlicher Dünger und für Bio zugelassene Pestizide zum Einsatz, die das Bodenleben zerstören und Gifte in den Böden, Pflanzen und im Grundwasser hinterlassen. Die landen dann durch den Verzehr im menschlichen Körper.
89, ist einer der Permakultur-Pioniere in Deutschland. 1972 bis 1985 war er Professor für Städtebau an der Technischen Universität (TU) in Berlin. Seit 1996 ist er nach eigenen Angaben zusätzlich als „geistiger Heiler“, Mediator und Konfliktmanager tätig. Er gehört zu den OrganisatorInnen des Kongresses „Ökolandbau-Convergence“ vom 19. bis 22. Oktober in Steyerberg, Niedersachsen.
Was sind die drängendsten Umweltprobleme im Ökolandbau?
Die Monokultur-Systeme, die großen Äcker, sind eigentlich gegen die Natur. Getreide wird auf großen Äckern angebaut. Aber jede Pflanze bringt ihre eigenen Insekten mit, sogar eigene Vögel. Die helfen den Pflanzen. Aber weil sie in so großen Monokulturen angebaut werden, gibt es zu viel von einer Art und dann bekommen sie den Status eines Schädlings statt eines Helfers. Und dann muss man anfangen zu spritzen.
Wie kann man dieses Problem lösen?
Durch Polykulturen. In der Permakultur versuchen wir, die Natur nachzuahmen. Man sollte mehr kleinteilige Strukturen schaffen, zum Beispiel Getreide in Gemüseäckern anbauen. In solchen Pflanzengemeinschaften muss man gar keine Schädlinge bekämpfen. Apfelbäume sollten nicht allein wachsen, sondern zusammen mit vielen verschiedenen Sorten Obstbäumen.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Meine inzwischen verstorbene Frau und ich haben mit einer Landschaftsplanerin einen 20 Hektar großen Permakultur-Park in Dortmund geschaffen. Wir haben die Bäume in Kurven pflanzen lassen, und unter dem Obst kommt mehrjähriges Gemüse. Nur direkt neben dem Hofgebäude gibt es vor allem Gemüse und Kräuter, die man oft pflegen muss. In der Permakultur wird gefragt: Wie oft muss ich die Pflanze pflegen? Einen Apfelbaum muss man nur ein bis zwei Mal pro Jahr pflegen oder beernten, wenn er trägt. Bei Petersilie oder Salat etwa muss man jeden Tag irgendwas machen. Deshalb sollten diese Pflanzen direkt am Hofgebäude, die Bäume weiter weg wachsen. Das spart Zeit und Energie.
Warum werden die Bäume in Kurven gepflanzt?
Wenn alle Pflanzen auf einer Geraden wachsen, sind sie alle gleichzeitig reif und müssen gleichzeitig geerntet werden. Durch die Kurven wird die Ware zu verschiedenen Zeiten reif, wegen des Winkels der Sonneneinstrahlungl. Ein Teil von Permakultur ist, bewusst zu planen.
Was bringt Permakultur dem Landwirt selbst?
Dass er weniger arbeiten muss. Er muss weniger Zeit für Wege aufwenden. Ich habe in meinen Gewächshäusern Feigenbäume, die zu verschiedenen Zeiten reif sind. Der eine ist im Süden, einer im Osten und einer im Westen. Allein das bringt verschiedene Erntezeiten, sodass sich die Arbeit besser zeitlich verteilen lässt.
Welche Nachteile hat Permakultur?
In Polykulturen kann man nicht so gut mit Maschinen arbeiten. Handarbeit ist bekanntermaßen zeitintensiver und auch kostspieliger, aber in unseren Zeiten einer hohen Arbeitslosigkeit vielleicht gar nicht so nachteilig. Außerdem sprechen immer mehr Menschen davon, vor allem junge Menschen, wie gut es ihnen tut und wie gesund es ist, in direktem Kontakt mit der Erde und damit mit der Natur zu sein, also wirklich in der Erde zu wühlen.
Erntet man weniger?
Man erntet weniger von einzelnen Pflanzensorten, aber insgesamt erntet man mehr.
Ist das belegt durch Studien?
Ja, aber bisher gibt es wenig deutsche Studien dazu. Aber: Zahlen bringen uns weg von Verbindungen. Wir müssen die Verbindung zwischen Pflanzen und Menschen und dadurch zur Natur allgemein stärken.
Woher wissen Sie das alles?
Ich war eigentlich Professor für Städtebau, aber ich bin aufgewachsen in Irland mitten im Zweiten Weltkrieg. Wir mussten uns selbst mit Lebensmitteln versorgen. Mein Vater hat als Ingenieur gearbeitet bis halb sechs und dann ging er sofort in den Garten, zum Gemüsefeld, zu den Obstbäumen. Ich war auf seinen Fersen und half ihm. So konnten wir unsere zehnköpfige Familie im Krieg versorgen. Dann habe ich Architektur und Entwurfsmethoden studiert. Bis vor sieben Jahren habe ich selbst jahrelang Gemüse angebaut, ich bin offiziell anerkannter Landwirt geworden. 1981 lud ich Bill Mollison, einen der Begründer der Permakultur, aus Australien nach Berlin ein. Die Begegnung mit diesem Mann hat mein Leben verändert: In den folgenden zehn Jahren habe ich Permakulturkurse in 16 Ländern Europas gegeben und dadurch diese Methode verbreitet, sodass daraus eine weltweite Bewegung entstanden ist.
Warum veranstalten Sie im Oktober in Niedersachsen ein Treffen von Ökobauern und Permakulturfachleuten?
Weil wir eine Menge von kleinen und mittelgroßen Höfen im deutschsprachigen Raum besucht haben, die diese Kombination bereits erfolgreich umsetzen. Aber diese Personen sind oft allein auf weiter Flur. Wir wollen diese Menschen auf unserer „Ökolandbau-Convergence“ zusammenbringen, damit sie voneinander lernen können. Und wir wollen, dass neue Leute Permakultur kennenlernen und umgekehrt die Permakulturisten von den Erfahrungen und Methoden des Ökolandbaus profitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren