Großbrand in Johannesburg: Feuerkatastrophe mit Ansage
In einem illegal vermieteten Haus sind zahllose Menschen gestorben. Stadtverwaltung und Menschenrechtler schieben sich gegenseitig die Schuld zu.
Inzwischen ist bekannt, dass es sich dabei auch keineswegs um einen Einzelfall handelt: In Johannesburg allein gibt es nach offizieller Auskunft insgesamt 57 ähnliche Großgebäude im Innenstadtbereich, die zwar der Stadt gehören, aber überwiegend unter Kontrolle verschiedener Banden stehen.
Sie knöpfen den Ärmsten der Armen sogar „Mieten“ ab, leisten jedoch nichts zur Instandhaltung oder gar der Sicherheit der Bewohner*innen. In den meisten dieser Häuser gibt es weder Strom noch Wasser. Nach bisherigen Ermittlungen war deshalb wohl auch ein offenes Feuer zum Kochen oder auch nur eine umgestürzte Kerze die Ursache des Brandes.
Der Bürgermeister von Johannesburg, Kabelo Gwamanda, rechtfertigte die „guten Intentionen“ der Stadtverwaltung, die vor vielen Jahren den fünfstöckigen Komplex an eine NGO gegeben hatte, die es für „obdachlose Frauen und Kinder“ nutzen wollte. „Sie waren jedoch nicht dem Druck krimineller Banden gewachsen, die bald die Kontrolle übernahmen“, fügte er hinzu. Zu Apartheidszeiten war in dem Gebäude die Verwaltung der rassistischen Passgesetze untergebracht, die den Verbleib „nichtweißer“ Menschen regelten, die sich nur zur Arbeit in der Stadt aufhalten durften.
Rassismus wie zu Apartheidszeiten
„Im Prinzip haben wir mit dem gleichen Rassismus bis heute zu tun“, meint Mandisa M., eine Vertreterin von „Abahlali baseMjondolo“, einer Organisation, die sich in Südafrika für obdachlose Menschen einsetzt. „Statt Veranwortung zu übernehmen, schiebt die Stadt die Schuld anderen zu – nicht nur den kriminellen Banden, sondern im gleichen Atemzug auch denen, die sie illegale Ausländer und Obdachlose nennen.“
Tatsächlich sagte die Pressesprecherin der Stadt Johannesburg, Colleen Makhubele, nur Stunden nach dem Großbrand: „Genau diese NGOs machen unser Leben schwer, wenn sie mit ihren sogenannten Menschenrechtsanliegen verhindern, dass wir diese in der Tat zum Wohnen gefährlichen, weil illegal besetzten Gebäude räumen lassen wollen. Dann zerren sie die Stadt vor Gericht – und am Ende geschieht nichts.“
Die Anwältin des Instituts für sozio-ökonomische Rechte in Südafrika (Seri), Khuselwa Dyantyi, widerspricht: „Es ist kein Geheimnis, dass es eine in den letzten Jahren wachsende Gruppe verarmter Menschen in unseren Innenstädten gibt, die keinerlei Miete bezahlen können und die keine andere Option haben, als in leerstehenden städtischen Gebäuden ein Unterkommen zu finden, wie elendig auch immer.“
Fehlendes politisches Konzept für Wohnungsproblematik
Sie erhält Unterstützung von der Organisation des ehemaligen Gefährten von Nelson Mandela, der Ahmed-Kathrada-Stiftung, die erklärt, dass „es schockierend (sei), dass die Stadt ihren Kernpflichten nicht nachkommt: Dem Großbrand und allen, die unweigerlich folgen werden, liege der Mangel eines politischen Konzepts zugrunde, die extremen Gegensätze der reichen Geschäfte und Banken gegenüber den Ärmsten und Rechtlosesten anzupacken – jenseits von Vertreibungen und Verhaftungen.“
Bei seinem Besuch an der Unglücksstelle dankte der südafrikanische Präsident, Cyril Ramaphosa, den spontan helfenden Organisationen wie den Gift of the Givers und der Heilsarmee. Für wichtiger aber noch halte er es, sich auch weiterhin um die Opfer zu kümmern und weitere Vorfälle dieser Art zu verhindern: „Wir sind nicht hier, um Schuld zuzuweisen. Dieser schreckliche Vorfall ist ein Aufruf an uns alle, konkret mitzuhelfen, die Würde der Überlebenden dieser Katastrophe wiederherzustellen – und die Ursachen solcher Brände, so gut es irgend geht, anzupacken.“
Wenig später kündigte Andrek Panyaza Lesufi, Premierminister der Provinz Gauteng, in der Johannesburg liegt, die Bildung einer Kommission an, in der alle „direkt und indirekt Betroffenen zusammen gebracht werden, um einen menschenwürdigen und realistischen Plan für die vielen anderen staatlich ignorierten Elends-Gebäude zu entwickeln.“
Die anwesenden Journalist*innen forderten dafür einen Zeitplan, den der Premier bislang schuldig blieb.
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