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„Das ziemt sich nicht für einen Regierenden Bürgermeister“

Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch über die Dauerangriffe auf ihre Partei, die Forderung nach mehr Polizeipräsenz und von CDU-Senatschef Kai Wegner verbreitete Fake News

Interview Rainer Rutz

taz: Frau Jarasch, CDU und SPD beschwören ständig das heitere Miteinander im Senat als Gegensatz zum alten Zank und Streit und der Spaltung der Stadt, woran einzig und allein eine Partei schuld gewesen sei: die Grünen. Nervt Sie das permanente Grünen-Bashing?

Bettina Jarasch: Das neue Miteinander besteht bislang nur aus gemeinsamen Ankündigungen. Da hat die Stadt relativ wenig davon. Sich nicht zu streiten, heißt noch lange nicht, dass endlich mal angepackt wird, und das war doch das Versprechen dieser neuen Koalition.

Trotzdem geht es mantraartig gegen die Grünen, zuletzt vor einer Woche beim Sicherheitsgipfel. Da stehen Sie jetzt ernsthaft drüber?

Es sagt doch mehr über Schwarz-Rot als über uns Grüne aus, wenn die einzige Gemeinsamkeit in dieser Koalition ist, dass sie beide gegen die Grünen sind. Hinter den Kulissen ist da nichts, was die Koalition gemeinsam will. Aus dieser destruktiven Grundhaltung kann keine produktive Politik für die Stadt werden.

Sie betonen immer wieder, dass Sie konstruktive Oppositionsarbeit machen wollen. Reizt Sie angesichts des Dauerbeschusses nicht manchmal die Fundamentalopposition?

Nein, das reizt mich null. Wir sind nach der Wiederholungswahl aus dem Regieren rausgerissen worden. Wir wollten gestalten, wir waren ja mit vielen Dingen noch nicht fertig. Und wir wollen weiterhin gestalten. Das heißt, wir werden auch aus der Opposition heraus Sachen vorantreiben. Beispielsweise bei der Absenkung des Wahlalters haben wir jetzt drei Monate Druck gemacht, weil sich die Koalitionsfraktionen nicht einigen konnten.

Ein Gesetzentwurf hierzu ist ja jetzt auch auf den Weg gebracht worden. Aber doch nicht nur auf Druck der Grünen?

Ich will mit Lösungsvorschlägen kommen, nicht nur mit Kritik. Fundamentalopposition wäre mir zu billig. Oder nehmen Sie den Sicherheitsgipfel. Da waren es die grünen Bezirksbürgermeisterinnen, die Vernunft in die Debatte gebracht haben, indem sie offensiv auf den Regierenden Bürgermeister zugegangen sind und gesagt haben: Wenn Sie wirklich Sicherheit im öffentlichen Raum wollen, dann geht das nur, wenn Land und Bezirke gemeinsam handeln.

Clara Herrmann, die grüne Rathauschefin von Friedrichshain-Kreuzberg, scheint nicht sonderlich zufrieden damit, dass der Görlitzer Park nach dem Willen von CDU und SPD mit einem Zaun und nächtlicher Schließung beglückt werden soll. Das soll das neue Miteinander sein?

Auf dem Gipfel ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet worden, wobei 90 Prozent der Forderungen der grünen Bürgermeisterinnen Clara Herrmann und Stefanie Remlinger aus Mitte zugesagt wurden. Da geht es um Drogenkonsumräume, Notschlafmöglichkeiten für obdachlose Süchtige, die Umgestaltung von Parks und Plätzen, auch um mehr sichtbare Polizeipräsenz. Ich erwarte, dass der Senat diese Zusagen einhält.

Das hätte es in den Anfangsjahren der Grünen auch nicht gegeben, dass Ihre Partei mehr Polizeipräsenz fordert.

Das wünschen sich alle da, nicht nur die Anwohnenden und die, die den Görlitzer Park oder den Leopoldplatz in Mitte nutzen wollen. Das wünschen sich auch die Sozialarbeiter:innen. Und ja, auch wir wollen dort mehr Polizeipräsenz.

Initiativen wie Wrangelkiez United kritisieren, die Polizei ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Stichwort: Racial Profiling.

Racial Profiling muss im Zuge der Reform des ASOG, des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, endlich verboten werden. Da sind wir unter Rot-Grün-Rot nicht bis ans Ende gekommen. Es ändert aber nichts daran, dass alle Prak­ti­ke­r:in­nen vor Ort und auch die Wohlfahrtsverbände sagen: Wir brauchen vor Ort Polizei, aber Polizeibeamt:innen, die sie kennen, feste Ansprechpersonen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeiten können.

Sie haben erklärt, der eigentliche Erfolg des Gipfels sei die Erkenntnis, dass es mehr Sicherheit nur mit sozialer Hilfe gebe. Hat Sie diese Auch-Fokussierung auf den Bereich Prävention bei Schwarz-Rot überrascht?

Das ist in der Tat neu. Besonders was die SPD betrifft, eine Partei, die sich doch das Soziale so sehr auf die Fahnen schreibt: Da bin ich doch erstaunt, dass erst mal die grünen Bezirksbürgermeisterinnen daherkommen mussten und der Regierende von der CDU einen Sicherheitsgipfel macht, bevor auch die SPD entdeckt, dass man soziale Konflikte nur mit sozialen Maßnahmen lösen kann.

Nun sollen aktuell ausgerechnet in der Drogen- oder Wohnungslosenhilfe Gelder gekürzt werden. Die Linke befürchtet bereits, dass vom ganzen Katalog am Ende nur der Repressionsteil und der Zaun übrigbleiben. Teilen Sie die Befürchtung?

Ganz klar: Ich lasse nicht zu, dass Schwarz-Rot billig davonkommt mit einem Stück Maschendrahtzaun, das ist nicht der Kern des Maßnahmenpakets. Wenn tatsächlich nur der Teil Repression finanziert wird, wäre das ein persönliches Versagen des Regierenden Bürgermeisters. Denn Kai Wegner hat mit dem Sicherheitsgipfel das Versprechen gemacht, dass man die Verelendung im öffentlichen Raum jetzt endlich gemeinsam und umfassend angeht, und das bedeutet eben Sicherheit und Soziales zusammen. Wenn Schwarz-Rot dafür nicht ausreichend Geld im Haushalt zur Verfügung stellt, dann hat Wegner ein leeres Versprechen an einem Punkt gemacht, der die Menschen in dieser Stadt richtig umtreibt. Das kann er sich nicht leisten.

Wegner hat jüngst gesagt, er erwarte von den Grünen mehr Pragmatismus. Was erwartet Bettina Jarasch von der CDU?

Dass die CDU endlich mal ins Machen kommt. All diese Angriffe auf die Grünen sind immer noch Wahlkampfrhetorik. Das ziemt sich nicht für einen Regierenden Bürgermeister, der seit über vier Monaten im Amt ist. Kai Wegner hat beim CDU-Parteitag am letzten Wochenende ja verkündet, jetzt käme die große Zeit des Sowohl-als-auch. Ich kann nur sagen: Wenn er an solchen Stellen wie den Sicherheitsgipfelankündigungen nicht liefert, dann haben wir am Ende kein Sowohl-als-auch, sondern ein Weder-noch.

Kaufen Sie der CDU Berlin eigentlich ihr fesches neues Image als Allesversöhner und soziale Kümmerer und moderne Großstadtpartei ab?

Bettina Jarasch, 54, führt seit März zusammen mit Werner Graf die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Im rot-grün-roten Vorgänger­senat unter Franziska Giffey (SPD) war sie Umwelt- und Mobilitäts­senatorin

Foto: Maurizio Gambarini/Imago

Das wird Kai Wegner erst beweisen müssen. Eines zumindest möchte ich aber an der Stelle anerkennen: Er hat sehr klare Kante gezeigt in Sachen Zusammenarbeit mit der AfD und in der Hinsicht den Kurs von CDU-Bundeschef Friedrich Merz unmissverständlich zurückgewiesen. Das glaube ich ihm. Das halte ich für wichtig, und ich bin sehr froh, dass er das gemacht hat. Gleichzeitig bin ich gerade ratlos, was Kai Wegner mit seiner offenbar erfundenen Geschichte über 14-jährige Mädchen im Görli erreichen möchte.

Sie meinen die Behauptung Wegners, dass 14-jährige Mädchen von Dealern in Drogensucht und Prostitution getrieben werden?

Genau. Polizei und Staatsanwaltschaft widersprechen dieser Darstellung, Wegner hält trotzdem daran fest. Die Lage im Görlitzer Park ist schlimm genug. Eine solche Lage verträgt keine Fake News aus dem Roten Rathaus.

Wie werden sich die Grünen mit Blick auf das Gutachten zu den CDU-Parteispenden des Bauunternehmers Christoph Gröner verhalten? Klagen?

Die Aussagen des Immobilienlobbyisten und des CDU-Chefs Wegner sind sehr widersprüchlich, erst hatte Gröner Bedingungen an seine Spende über 800.000 Euro geknüpft, dann angeblich doch nicht. Kai Wegner darf sich dazu nicht weiter ausschweigen. Bereits der böse Schein der käuflichen Politik zerstört Vertrauen in die Demokratie. Deshalb erwarte ich, dass sich Kai Wegner und die Berliner CDU dazu verhalten und die Zeit der CDU-Spendenskandale und schwarzen Koffer hinter sich lassen. Unsere Partei prüft das Gutachten und berät noch die nächsten Schritte. Kai Wegner sollte uns allen eine weitere Hängepartie ersparen und selbst für vollständige Transparenz sorgen – indem er die Stellungnahme veröffentlicht, die die CDU im Rahmen der Überprüfung der Spende abgegeben hat.

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