Alltag und Wahnsinn: Leben nach dem Reload-Prinzip

Die Digitalisierung hat uns einen entspannteren Umgang mit Problemen gezeigt, die wir ohne sie gar nicht hätten. Inspirierend.

Eine Frau hält ein ausgeschaltetes Smartphone in der Hand

On-off: Immer wieder das gleiche machen und etwas anderes erwarten, wenn das Smartphone nicht funktioniert Foto: Kk Shu/imago

Gerade war es ein Podcast. Mitten im Wort brach die Wiedergabe plötzlich ab, die App zeigte ein rotes Ausrufezeichen als Fehlermeldung. Was tun? Das übliche: Seufzen, neu starten. Erst den Pod­cast, dann die App und wenn das noch nichts hilft, wahrscheinlich das Smartphone.

Und während ich versuchte, die App freundlich zum Abspielen zu bewegen, fiel mir dieser Satz ein, der wohl fälschlicherweise Albert Einstein zugeschrieben wird, aber den weit verbreiteten und etwas verzweifelten Fatalismus technischen Dingen gegenüber so schön auf den Punkt bringt: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun, und andere Ergebnisse zu erwarten.“

Denn klar: Wer beispielsweise immer wieder einen Gegenstand loslässt und erwartet, dass irgendwann mal etwas anderes passiert als ein Fall in Richtung Boden, ist hoffentlich noch sehr, sehr jung und der Gegenstand ein Stofftier. Ein bisschen älter sind wir längst darauf geeicht, dass bei der gleichen Handlung das gleiche Ergebnis rauskommt: Wasserhahn an, Wasser kommt raus. Türklinke drücken, Tür öffnet sich. Tritt auf die Bremse, Auto hält. Herd anschalten, Platte wird warm. Wie irritierend es ist, wenn auf die gewohnte Handlung nicht der gewohnte Effekt eintritt, zeigt sich etwa, wenn nach dem Drücken auf den Lichtschalter das Licht ausbleibt. Was ist da los? Leuchtmittel kaputt, Stromausfall, das erste Blackout-Anzeichen, müssen wir jetzt gleich die Dosensuppe über dem Campingkocher erwärmen?

Der kleine Unterschied

Dabei sind wir es in der digitalen Welt längst gewohnt, das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Webseite erscheint nicht? Noch mal laden. Ton in der Videokonferenz bleibt aus? Noch mal raus und wieder rein. Internet streikt? Router aus und wieder an. Kartenlesegerät im Supermarkt piept ungnädig? Karte nochmal ranhalten, bitte. Mehr noch: Das Gleiche zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten, ist zur ersten Fehlerbehebungsstrategie geworden. Das ist auch total vernünftig. Denn selbst wenn es aussieht, als würden wir immer das Gleiche tun: Im Hintergrund passiert etwas anderes. Da ist ein Server wieder am Netz oder ein Prozessor nicht mehr überlastet oder ein Elefant von der Leitung gestiegen, man weiß ja nie.

Wie schön wäre es, das Reload-Prinzip würde auch in anderen Bereichen funktionieren. Das Verkehrsministerium reißt seine Klimavorgaben? Aus, wieder an, dann läuft es wie vorgesehen. Der Tag beginnt mit dem linken Fuß und einem dicken Flatschen Vogeldreck auf dem Fahrradsattel? Einfach noch mal neu starten. Ein Gespräch läuft irgendwie in die falsche Richtung? Reload. Da bräuchten wir dann aber wirklich Einstein. Und ein paar Tricks im Umgang mit Raum und Zeit.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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