Debatte um Ehegattensplitting: SPD-Politikerinnen für Abschaffung

Führende SPD-Landespolitikerinnen stellen sich hinter den Vorschlag von Parteichef Klingbeil, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Die FDP ist dagegen.

Serpil Midyatli (SPD), Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, spricht auf dem Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein

Serpil Midyatli (SPD) spricht sich für die Abschaffung des Ehegattensplittings aus Foto: Christian Charisius/picture alliance/

BERLIN taz/dpa/epd | Der Vorschlag von SPD-Chef Lars Klingbeil, das Ehegattensplitting abzuschaffen, stößt bei führenden SPD-Landespolitikerinnen auf Zustimmung. Die Vorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, befürwortet eine Abschaffung auch aus volkswirtschaftlichen Gründen. „Bis heute wird selbst noch zu Zeiten des Fachkräftemangels für den Partner oder die Partnerin mit dem niedrigeren Einkommen der Anreiz gesetzt, weniger zu arbeiten.“ Das seien zu einer überwältigenden Mehrheit Frauen, „die in Wirklichkeit gar keine Wahlmöglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wie viel sie arbeiten möchten, denn oftmals lohnt sich Mehrarbeit schlichtweg nicht.“

Wenn die 2,5 Millionen Mütter, die derzeit Teilzeit arbeiteten, ihre Arbeitszeit um nur eine Stunde erhöhten, dann könnten dadurch etwa 70.000 Vollzeitstellen geschaffen werden, rechnet Midyatli vor. „So ginge Fachkräftesicherung in einem modernen Land.“ Das Ehegattensplitting sei nicht mehr zeitgemäß.

Ähnlich argumentiert auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel gegenüber epd. Empirische Untersuchungen zeigten, „dass in Deutschland dieses konservative Steuerrecht eine Vielzahl von Frauen bei der Erwerbsbeteiligung ausgebremst hat“, so Hickel. Wer heute am Ehegattensplitting festhalte, konserviere „dieses die Frauen diskriminierende Familienmodell und verhindert deren berufliche Entfaltung“.

Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen eines Paares halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt, was vereinfacht gesagt dazu führt, dass jede Part­ne­r:in die Hälfte des gemeinsamen Einkommens versteuert.

Das nützt vor allem Paaren, bei denen eine Person viel und die andere wenig verdient. Das Ehegattensplitting wurde 1958 erst auf Veranlassung des Bundesverfassungsgerichts ins Einkommensteuergesetz geschrieben und in Urteilen bestätigt. Unter anderem mit dem Hinweis, der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Zweck sei unter anderem „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“.

Gerechtes Steuerrecht für Familien

Die Abschaffung des Splittings fordern Fe­mi­nis­t:in­nen seit Jahren. Klingbeil hatte die Diskussion in dieser Woche erneut angefacht, als er in einem Interview vorschlug, statt der geplanten Einsparungen beim Elterngeld lieber das Ehegattensplitting für neue Ehen abzuschaffen. Aus seiner Sicht wäre es gut, diesem „antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt“, ein Ende zu setzen.

Unterstützung erhält er auch von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie hat sich dafür ausgesprochen, das steuerliche Ehegattensplitting zu einem Instrument zur Entlastung von Familien umzubauen. „Das Steuerrecht ist schon lange für Familien sehr ungerecht und es wäre sehr fortschrittlich, wenn die Ampel die Kraft findet, das zu ändern“, sagte Schwesig dem Spiegel. Wichtig sei ihr dabei, Kinder stärker zu berücksichtigen.

Schwesig sprach sich dafür aus, das Ehegattensplitting für künftige Ehen abzuschaffen und „stattdessen ein gerechtes Steuerrecht für alle Familien einzuführen“.

Auch Midyatli findet, dass „das Ehegattensplitting unserem gleichberechtigten Familienbild überhaupt nicht mehr gerecht wird.“ Es benachteilige Alleinerziehende und nicht verheiratete Paare. „Wir brauchen endlich einen Aufbruch für Familien. Deshalb reden wir über ein neues Elterngeld, die Kindergrundsicherung und auch über die Abschaffung des Ehegattensplittings.“ Alle drei Maßnahmen seien gleichermaßen wichtig.

Union und FDP gegen Abschaffung

Union und FDP sind gegen eine Abschaffung des Splittings. „Nach dem Chaos beim Heizungsgesetz will die SPD-Spitze nun die Axt an das Ehegattensplitting legen, das insbesondere für kinderreiche Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen von hoher Bedeutung ist“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei dem Spiegel. „Das wäre nichts anderes als eine gigantische Steuererhöhung.“

So sieht es auch die FDP. „Die SPD wäre gut beraten, den politischen Krawall jetzt gut sein zu lassen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer der dpa. Mäßigung sei das Gebot der Stunde. Der Koalitionsvertrag sei beim Ehegattensplitting klar, und Steuererhöhungen werde es nicht geben.

In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP eigentlich eine Reform und keine Abschaffung vorgenommen: Nur die Steuerklassen beim Ehegattensplitting sollen geändert werden. Beide Partner würden dann in Steuerklasse 4 einsortiert, was die monatliche Steuerlast etwas anders verteilt. Eine Abschaffung, wie Klingbeil sie vorschlägt, wird die FDP nicht zulassen.

(Mit Agenturen)

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