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AfD-Landrat in SonnebergSesselmann darf im Amt bleiben

AfD-Landrat Sesselmann besteht den „Demokratie-Check“. Der Fall zeigt rechtliche Schwachstellen. Auch bleiben Zweifel an der Neutralität des Landrats.

Darf Landrat bleiben, obwohl die AfD in Thrüringen als „gesichert rechtsextrem“ gilt: Robert Sesselmann Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Die Wahl Robert Sesselmanns zum ersten Landrat der extrem rechten AfD im thüringischen Sonneberg wirft weiter Fragen auf: Tatsächlich darf der AfD-Politiker nach einer Einzelfall-Prüfung seiner Verfassungstreue das Landrat-Amt behalten, obwohl die Partei in Thüringen unter dem Vorsitz von Björn Höcke als gesichert rechtsextrem gilt und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das hat das zuständige Landesverwaltungsamt nach einer Abfrage auch beim Verfassungsschutz entschieden. Damit gibt es zwar eine Entscheidung, aber die Rechtslage scheint in einigen Fragen weiter unsicher.

Fraglich ist nach dem AfD-Erfolg, wie tiefgreifend eine solche Prüfung sein sollte, aber auch, warum erst nach einer Wahl die Verfassungstreue eines Kandidaten geprüft wird und wie künftig mit ähnlichen Konstellationen umgegangen wird.

In der Pressemitteilung des zuständigen Landesverwaltungsamts vom Montag heißt es lediglich, „dass die Wahlvorschriften bezüglich der Feststellung der Wählbarkeit eingehalten wurden.“ Eine weitere Prüfung oder ein rechtsaufsichtliches Eingreifen sei derzeit nicht notwendig: „Unter Einbeziehung der Erkenntnisse des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen werden beim neu gewählten Landrat von Sonneberg, Robert Sesselmann, derzeit keine konkreten Umstände gesehen, die von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen“, heißt es.

Gleichwohl habe die Rechtsaufsicht aufgrund der konkreten Anhaltspunkte in diesem Fall von Amts wegen prüfen müssen – eben weil die AfD in Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt. Zugleich hält sich das Landesverwaltungsamt weitere Schritte bei etwaigen Verfehlungen vor: „Bei Bedarf stehen jederzeit geeignete aufsichtliche Mittel zur Verfügung, um die Durchsetzung aller in Thüringen geltenden rechtlichen Regelungen zu sichern.“

Schwachstelle im System

Bezüglich der offenen Fragen schreibt das Justiz-Portal LTO etwa von einer „Schwachstelle im System“, weil der Wahlausschuss, der vor dem Urnengang die Wählbarkeit der Kan­di­da­t*in­nen abklären soll, mit einer tiefgehenden Prüfung der Verfassungstreue überfordert sein dürfte. Der nämlich besteht aus Ehrenamtlichen und nicht Verwaltungsjuristen, die innerhalb sehr kurzer Zeit eine Entscheidung über die Eignung von Kan­di­da­t*in­nen treffen sollen.

Im Fall Sesselmann habe der Ausschuss laut LTO keine „öffentlich verwertbare Erkenntnisse“ zu Sesselmann eingeholt. Bisher stellt der Ausschuss lediglich fest, ob formelle Vorgaben erfüllt sind wie Mindest- oder Höchstalter sowie stimmige Unterlagen. Im konkreten Fall gab es auch wie bei allen anderen Kan­di­da­t*in­nen eine Prüfung einer früheren Zusammenarbeit mit der Stasi und eine Selbsterklärung, für ein Beamtenverhältnis geeignet zu sein.

An Sesselmanns Gesinnung gibt es indes wenig Zweifel: Er wird zwar gemeinhin als eher blass umschrieben, war aber nichtsdestotrotz unter Höcke Teil der AfD-Fraktion im Landtag und sprach vergangenen Herbst bei einer „Friedensdemo“ in Sonneberg im Reichsbürger-Sound davon, dass die Bundesrepublik als „Marionettenstaat der US-Politik“ dienen solle. Die USA führe einen Stellvertreterkrieg gegen die europäische und deutsche Wirtschaft, so der jetzige Landrat. Auf Anfrage der taz, ob etwa diese Rede in die Prüfung eingeflossen ist, gab es zunächst keine Antwort vom Landesverwaltungsamt.

Der Deutsche Landkreistag will nun laut T-online prüfen, „ob ein Wahlausschuss künftig mehr leisten muss, um eine umfassendere Prüfung zu realisieren“. Die Frage stelle sich erst mit dem Erfolg der AfD, weil jetzt Bewerber ins Amt kommen könnten, bei denen die Frage nach der Verfassungstreue nicht einfach zu beantworten sei. Möglich sei laut Verwaltungsamt auch, eine solche Prüfung per Gesetz verbindlich an den Anfang zu legen. Dafür sprach sich auch der Verfassungsrechtler Michael Brenner aus, weil dann die Überprüfung einer Entscheidung auch vor der Wahl möglich sei.

Zweifel an Neutralität

Dass Zweifel an Sesselmanns Amtseignung berechtigt erscheinen, zeigte unterdessen einer seiner ersten öffentlichen Auftritte, von dem ein Videomitschnitt in den sozialen Medien kursiert: Dort betrieb der eigentlich zur Neutralität verpflichtete Landrat während einer Ansprache auf einem Grundschulhof wenig verhohlene Wahlwerbung für die AfD: Wer mit der „bisherigen Politik“ nicht einverstanden sei, solle das Kreuz bei der Landtagswahl 2024 „an einer bestimmten Stelle oder einer richtigen Stelle“ machen, so der AfD-Landrat inmitten von Grund­schü­le­r*in­nen und Lehrkräften. Gerade die AfD klagte in Vergangenheit gerne und häufig gegen über Verletzungen der Neutralitätspflicht – etwa wenn Staats­die­ne­r*in­nen angesichts einer sich gefährlich normalisierenden extrem rechten AfD ihre Besorgnis um die Demokratie formulierten.

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) kritisierte den Auftritt umgehend: „Dieser Einstand bestätigt alle Befürchtungen.“ Die Kommunalaufsicht müsse einschreiten, wenn der Landtrat keine politische Zurückhaltung übe. Der Auftritt sei keine Lappalie, so Holter. Tatsächlich steht im Thüringer Schulgesetz: „Werbung für politische Parteien und politische Gruppierungen ist in der Schule grundsätzlich nicht zulässig.“

In Sonneberg organisiert sich unterdessen antifaschistischer Protest gegen die rechte Hegemonie: Letzten Sonntag demonstrierten mehrere hundert Personen „für eine lebenswerte Provinz für alle – ohne Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus“. Das Bündnis „Sonneberg gegen rechts“ forderte die Zivilgesellschaft auf „zu verhindern, dass rechte Hetzer den Diskurs in der Stadt bestimmen“ und zog vor das Landratsamt. Das Bündnis kündigte weitere Aktionen an. Letzte Woche hatte bereits die Punk-Band Feine Sahne Fischfilet mehrere Solidaritätskonzerte für antifaschistische Menschen vor Ort gespielt.

Die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss kommentierte die Zulassung Sesselmanns mit einem Zitat von der vor zwei Jahren verstorbenen Antifaschistin und Shoah-Überlebenden Esther Bejarano: „Wer gegen die Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen.“

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6 Kommentare

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  • "Auf Anfrage der taz, ob etwa diese Rede in die Prüfung eingeflossen ist, gab es zunächst keine Antwort vom Landesverwaltungsamt."

    Gibt es mittlerweile eine Antwort?

  • Es ist doch gelinde gesagt ein Unding, dass auf der einen Seite, die gesamte AfD in Thüringen als rechtsextrem, und dies auch noch gesichert, gilt, aber der Herr Sesselmann da augenscheinlich eine Ausnahme bildet. Es kann nicht sein, das ein Mitglied einer gesichert rechtsextremen Partei, wie der AfD in Thüringen, solch einen Posten ausüben kann. Wie blöd muss man sein, so einen Typen in solch einem Amt zu belassen. Die Antifaschistische Aktion Ostrhauderfehn fordert das sofortige Verbot dieser Partei, Gründe gibt es genug dafür, aber augenscheinlich wollen das die sog. demokratischen Parteien nicht. Kommt uns bekannt vor, auch vor 33 hat man über Adolf und seine Jünger gelacht, insbesondere die SPD und hat behauptet "die sind schnell wieder weg". Leider erst nach 12 Jahren, 6 Millionen Ermordeter in den KZ´s und 60 Millionen durch den 2. Weltkrieg zu Tode gekommener Menschen.

  • 0G
    09399 (Profil gelöscht)

    Gegenfrage: Dass ein AfD-Landrat an einer Grundschule unverhohlen Wahlwerbung betreibt - das siehst Du nicht als Verletzung des Neutralitätsgebots?

    Das Neutralitätsgebot sieht vor, dass unter anderem an Schulen keine Werbung für Parteien gemacht wird. Dieser Fall ist also ein eindeutiger Verstoß dagegen. Klassische faschistische Propagandaaktion.

  • Achtung Satire!



    AFD kümmert sich rührend um unsere Kleinsten.



    Knapp 2 Wochen nach dem ein Mann in Camoflage-Bekleidung viele blaue AFD- Luftballons in einem Kindergarten an die staunenden Kinder verteilte, besuchte heute der neugewählte Landrat des Kreises Sonneberg Robert Sesselmann eine Grundschule in Mengersgereuth-Hämmern. Die Schüler lauschten sehr aufmerksam und motiviert den Ausführungen des Landrats.



    Dieser erzählte dann, "wie wichtig es sei, bei der Wahl zum Landtag im nächsten Jahr, die rechte, äh richtige Partei zu wählen".



    Auch wenn die meisten Schüler erst in etwa 10 Jahren wählen dürfen, "kann man nicht früh genug beginnen, die Schüler für Politik zu instrumental, äh zu interessieren", so Sesselmann.



    Wo bitte ist da jetzt ein Vertreter einer sogenannten rechtsextremen Partei, wie die Lügenpressse immer behauptet

  • Dass man bei Sesselmann wie bei anderen Amtsträgern und der AfD insgesamt genau hinsehen muss, uneingeschränktes Ja. Aber ehrlich: Dass ein Landrat, sogar ohne Nennung für die Wahl seiner eigenen Partei wirbt –das säht Ihr schon als einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht? Habt Ihr denn den selben Maßstab schon mal an die Landräte und Landrätinnen aller anderen 293 Landkreise angelegt? Oder, falls das so nur im Thüringer Kommunalgesetz stünde, wenigstens an die 16 Kolleg:innen von Sesselmann dort? Und andres herum: Habt Ihr es als Bruch der Neutralitätspflicht zurückgewiesen, wenn ein Landrat mal vor der Wahl der AfD (oder einer anderen Partei) „gewarnt“ hätte?

  • In solchen Fällen zeigt sich, wer bei der Linkspartei links ist, und wer lediglich link. ¡No pasarán!