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Leipzig nach dem „Tag-X“Noch am frühen Morgen im Kessel

Die Proteste gegen das Lina-E.-Urteil haben die Nacht über angedauert. Die Polizei kesselte 500 Menschen ein, fünf sind wegen Landfriedensbruch in Haft.

Die Polizei im Einsatz gegen die linke Szene Foto: Sebastian Willnow/dpa

Leipzig dpa/afp | In Leipzig hat die Polizei bis in die frühen Morgenstunden Demonstranten eingekesselt. Das teilte ein Sprecher der Leipziger Polizei am Sonntagmorgen mit. Am Samstagabend hatte die Polizei begonnen, Personalien aufzunehmen. Insgesamt seien schätzungsweise 500 Menschen eingekesselt worden, hieß es. Um Identitäten festzustellen, seien auch Demonstranten mit auf die Polizeiwache gebracht worden.

Nach den Demonstrationen in Leipzig-Connewitz hat ein Haftrichter bis zum Samstagabend fünf Haftbefehle erlassen. Das teilte eine Sprecherin der Polizei am Samstagabend auf Anfrage mit. Betroffen seien fünf Männer im Alter zwischen 20 und 32 Jahren, die bereits in der Nacht zum Samstag bei Ausschreitungen festgenommen worden seien, sagte eine Sprecherin am Sonntagmorgen. Demnach wird ihnen Landfriedensbruch vorgeworfen.

Weitere Proteste gegen Urteil

In Leipzig waren die gewalttätigen Proteste nach dem Hafturteil gegen die Linksextremistin Lina E. in der Nacht zum Sonntag weiter gegangen. In der Stadt gebe es „an verschiedenen Stellen Zusammenrottungen von augenscheinlich gewaltbereiten“ Menschen, teilte die sächsische Polizei am Samstagabend im Onlinedienst Twitter mit. Einsatzkräfte seien attackiert sowie Barrikaden errichtet und in Brand gesetzt worden. Die Polizei räume die Barrikaden im Süden der Stadt mit Sonderwagen.

Feuerwehr und Polizei löschten demnach gemeinsam die Barrikaden. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehreren Hundertschaften im Einsatz und stellte sich „auf einen gewalttätigen Verlauf in dieser Phase des Einsatzes“ ein. „Wir rufen zur Besonnenheit auf, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen“, hieß es in der Twitter-Mitteilung.

Zwei Polizeibeamte verletzt

In einer Mitteilung der Polizeidirektion Leipzig war ebenfalls von der Errichtung von Barrikaden die Rede. Um die brennenden Barrikaden zu löschen, habe die Polizei Wasserwerfer eingesetzt. Betroffen von den Krawallen war demnach insbesondere der Stadtteil Connewitz. Ein Polizeiposten sei mit Steinen attackiert worden. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden, teilte die sächsische Polizei Sonntagfrüh auf Twitter mit.

Lina E. und drei mitangeklagte Männer waren am Mittwoch vom sächsischen Oberlandesgericht in Dresden wegen gewalttätiger Überfälle auf Rechtsextremisten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die linke Szene mobilisierte aus Protest bundesweit für eine sogenannte „Tag-X-Demo“ am Samstag.

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7 Kommentare

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  • wunder voll diese polizeilichen Massnahmen. Meinungsfreiheit ist wohl doch nicht so frei ..

  • Noch leben wir in einer Demokratie. Hier sind Gesetze, die von unserem gewählten Bundestag erlassen werden zu beachten. Nur so funktioniert eine demokratische Gesellschaft. Wo kämen wir hin,



    wenn jeder meint es geht nur nach seinem Empfinden und Gesetze werden nur beachtet wenn es ihm in den Kram passt.

    • @Filou:

      AH, Sie sind also dafür endlich den rechtsradikalen Überfall auf Connewitz vernünftig juristisch aufzuarbeiten? Gratuliere, das wird auch endlich mal Zeit denen den Rechtsstaat zu zeigen die die letzten 200 politischen Morde auf dem Gewissen haben.

  • Eingekesselt bis zum "frühen" Morgen, um Identitäten festzustellen? Wo leben wir und was nimmt sich die Polizei heraus? Okay, staatliches Gewaltmonopol auf der einen Seite und auf der anderen Seite scheinbar eine Polizei in Leipzig, die auf Eskalation setzt. Einfach unglaublich.



    In einem anderen Artikel in der taz habe ich gelesen, Lina E. wie auch wahrscheinlich oder eventuell die verurteilten Mittäter seien bei den Demos nicht anwesend gewesen. Was wird erwartet? Ich hoffe sehr die betreffenden Personen haben gute BeraterInnen. Das Verfahren gegen Lina E. ist nicht abgeschlossen, soweit ich weiß. Bei den anderen weiß ich es nicht. Aus meiner Sicht gilt, Füße stillhalten, raushalten. Manchesmal überraschen mich die Autor*innen der taz mit ihrer Naivität. Wer weiß, ob Lina E. nicht überwacht wird ...

  • Das ist also die berühmte Deeskalationstaktik der Leipziger Polizei. Ich finde allmählich keine Worte mehr. Die Demo war zum Nachmittag angemeldet.



    Das Vorgehen der Polizei ist eines Rechtsstaats nicht würdig.

  • ...sehen so die Deeskalations Maßnahmen der Politik aus ???

    Zum F R E M D S C H Ä M E N ...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Es scheint das Deeskalationsverständnis des Polizeipräsidenten zu sein, der vom MDR Sachsen Ticker heute um 14:30 Uhr wie folgt zitiert wird: "Polizeipräsident René Demmler verteidigte das Vorgehen: Es sei erforderlich gewesen, auch durch Stärke zu deeskalieren."

      Als ob auf die gewaltaffinen Menschen dadurch eine deeskalierende Wirkung ausgehen würde. Die Praxis zeigt das völlige Gegenteil.

      Der Herr PP hat meiner Meinung nach entweder keine Ahnung oder er lügt. Ich persönlich halte beides für möglich.