: Lützerath in der Wuhlheide
Aus Protest gegen das Straßenbauprojekt Tangentiale Verbindung Ost haben Dutzende Aktivist:innen die Wuhlheide besetzt
Von Erik Peter und Tobias Bachmann
Etwa 200 Menschen haben sich am Sonntagnachmittag zu einer spontanen Demonstration am S-Bahnhof Wuhlheide versammelt. Nur einige hundert Meter geht es die Rudolf-Rühl-Allee entlang, ehe die Demo auf Trampelpfade in die Wuhlheide einbiegt und zum Waldspaziergang wird. Das Ziel: ein in der Nacht zu Samstag entstandenes Baumhausdorf.
Im Mittelpunkt dieser Besetzung hängt ein Baumhaus in etwa sechs Metern Höhe an Seilen zwischen den Kiefern und schwingt sachte hin und her. Unter dem Fenster ist ein Transparent befestigt, auf das die Kinderfigur des kleinen Maulwurfs gemalt wurde, dazu die Forderung: „Wuhlheide bleibt!“ Die Besetzer:innen, es sind mehrere Dutzend, protestieren damit gegen den geplanten Bau der Schnellstraße Tangentiale Verbindung Ost (TVO).
In Hörweite des Stadions Alte Försterei hängen zudem vier Plattformen in den Bäumen, die höchste von ihnen in mehr als acht Metern Höhe. An den beiden Seiten des Trampelpfads, der zum Kern des Baumhausdorfs führt, sind zwei große Tripods aufgestellt; dreibeinige Holzkonstruktionen, in denen sich Besetzer:innen mit Seilen festgemacht haben.
Carlo, eine der Besetzerinnen, sagt, man sehe sich „in der Tradition anderer Waldbesetzungen und von Lützi“, also jenem inzwischen von RWE für den Kohleabbau zerstörten Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen, das über den Winter zum Symbol der Klimabewegung wurde.
Am späten Samstagnachmittag, kurz nachdem die Besetzung öffentlich wurde, ist Carlo aufgeregt, wie die Polizei reagieren wird. Sobald eine Sirene zu hören ist, setzt sie sich eine pinkfarbene Perücke auf. „Eine Besetzung in der Stadt hat ein riesiges Potenzial, dass Menschen einfach vorbeikommen können, aber auch ein größeres Risiko, schnell geräumt zu werden“, sagt sie. Später am Abend werden die ersten Polizist:innen Holzbarrikaden auf den Wegen zur Seite räumen und das Camp in Augenschein nehmen.
Mehr passiert allerdings auch am Sonntag nicht. Zwar begehen Beamt:innen erneut das Gelände, nach eigener Aussage aber nur in Vorbereitung der Demo. Dass es zunächst nicht zu einer Räumung kommt, liege an der fehlenden Beschwerde des Försters, heißt es. Die Besetzer:innen haben dem zuständigen Förster der Wuhlheide eine Mail geschickt, in der sie ihn einladen und darauf verweisen, für den Erhalt seines Reviers zu streiten. Eine Entscheidung, wie es mit der Besetzung weitergeht, wird wohl am Montag fallen.
Unterstützung zumindest haben sich die Aktivist:innen organisiert. Die Klimaszene reagiert begeistert, die Bürger:inneninitiative gegen die A100 rief spontan zur Demo auf. Auch Abgeordnete von Linken und Grünen sind vor Ort, darunter von Beginn an Ferat Kocak (Linke). In einer Mitteilung schreibt er: „Alle reden von einer klimafreundlichen Stadt und doch soll dieses Wahnsinns-Projekt durchgezogen werden.“ Kocak will vor Ort bleiben, auch damit es nicht zu einer gewaltvollen Räumung wie in Lützerath komme.
Verhindern wollen die Aktivist:innen das größte Straßenprojekt der Stadt nach der A100: die seit Jahrzehnten geplante TVO zwischen Biesdorf im Norden und der Spindlersfelder Brücke in Köpenick, deren Planfeststellungsverfahren in diesem Jahr abgeschlossen werden könnte. Es ist ein etwa 350 Millionen Euro teures Mammutprojekt, dem 16 Hektar Wald – die Halbe Fläche des Zoologischen Gartens – zum Opfer fallen würden, ein Drittel davon wertvoller Eichenwald. „Die Straße soll zwar die Viertel entlasten, aber neue Straßen führen immer zu mehr Verkehr“, sagt Carlo. Außerdem sei die Wuhlheide ein „Wasserschutzgebiet und wichtig fürs Stadtklima“:
Schwarz-Rot will den Bau des sieben Kilometer langen Verkehrsprojektes vorantreiben. Jeweils zwei Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr sollen entstehen; eine angedachte parallele Schienen-TVO scheint dagegen vom Tisch. Der Baubeginn ist noch in dieser Wahlperiode bis 2026 vorgesehen. Die Aktivist:innen wollen genau das verhindern und dafür in der Wuhlheide bleiben, „solange es nötig ist“, wie Carlo sagt.
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