Diversität bei der FDP: Keine Zeit für Vielfalt
Der Verein Liberale Vielfalt möchte offizielle Vorfeldorganisation der FDP werden. Aber das klappt nicht – obwohl sich die Mehrheit dafür ausspricht.
taz |
Die Delegierten haben abgestimmt und über 70 Prozent befürworten das Anliegen. Der Antrag sei erfolgreich, heißt es zunächst. Doch kurz darauf wird diese Aussage widerrufen. Doch nicht. Es brauchte für diese Satzungsänderung eine doppelte Mehrheit, also zusätzlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Stimmberechtigten. Dafür waren aber nicht genügend Delegierte im Raum. Kurz kommt die Idee auf, die Wahl zu wiederholen. Aber das passiert nicht. Keine Zeit.
Wer sich allerdings im Saal umschaut, könnte durchaus meinen, dass sich die Partei diese Zeit nehmen sollte. Es ist schließlich die Partei, an der ohnehin das Image klebt, ein porschefahrender Männerverein zu sein. Mirwais Wafa ist jedenfalls enttäuscht.
Er selbst konnte nicht mit abstimmen, er ist kein Delegierter. Wafa ist seit 2021 FDP-Mitglied – und er ist Mitglied bei der Liberalen Vielfalt. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Antrag abgelehnt wird“, sagt er. Im Vorfeld habe es geheißen, der Antrag werde durchgehen. Auch der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist Mitglied bei der Liberalen Vielfalt und unterstützt deren Anliegen. „Ich finde es schade. Vielfalt muss doch im Vordergrund stehen“ sagt Wafa und möchte, dass man über den Vorgang nochmal diskutieren sollte. „Ein Weltuntergang“ ist es für ihn dennoch nicht. Beim nächsten Bundesparteitag könnte man den Antrag erneut stellen.
Ähnlich gelassen zeigen sich die beiden Bundesvorsitzenden der Liberalen Vielfalt, Julian Barazi und Irene Schuster. “Obgleich nicht so viele Delegierte im Raum gewesen sind, wie es wünschenswert gewesen wäre, trotzdem hat ein Großteil für uns gestimmt, das ist ein positives Signal“, sagt Schuster. Barazi sieht das auch so. Zudem findet er: “Das Image der alten weißen Männerpartei ist falsch. Die FDP war die erste Partei mit einem Deutschen mit Migrationshintergrund an der Spitze, die erste mit jemanden, der homosexuell war, an der Spitze“, zählt er auf. Es ist eine Anspielung auf Philipp Rösler und Guido Westerwelle.
Schaut man sich den aktuellen Bundestag an, sieht es in puncto Diversität eher mau aus – nicht nur was den Frauenanteil angeht. Einer Recherche des Mediendienstes Integration zufolge haben nur 11,3 Prozent aller Abgeordneten im Bundestag einen Migrationshintergrund. Die FDP-Fraktion schneidet dabei ziemlich schlecht ab. Nur 5,4 Prozent der Fraktionsmitglieder haben einen Migrationshintergrund, in der Unions-Fraktion liegt der Anteil bei 4,1 Prozent. Zum Vergleich: In der Linksfraktion sind es 28,2 Prozent, bei der SPD 17, bei den Grünen 14,4 Prozent.
Die beiden Co-Vorsitzenden der Liberalen Vielfalt betonen, dass ihr Verein sich bewusst an drei Gruppen richtet: Menschen mit Migrationsgeschichte, Jüdinnen und Juden und Spätausiedler und Spätaussiedlerinnen. „Wir wollen uns damit abgrenzen von den eher linkeren Migrantenorganisationen, die direkt Terminologien aus der USA importieren und zum Beispiel von Bipocs sprechen“, erklärt Barazi. Bipoc steht für Black, Indigenous, People of Color. „Mit Blick auf die deutsche Geschichte kann man doch nicht über Menschen mit Marginalisierungserfahrungen reden, ohne deutsche Juden mitzudenken“ erklärt Barazi. Er ist überzeugt, es gäbe “noch viel zu tun“. Aber er ist sich auch sicher, beim nächsten Mal wird es klappen mit der Vorfeldorganistion.
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