Immobilienkonzern droht Insolvenz: Poker um Hamburgs Holstenareal

Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler will das brachliegende Spekulationsobjekt verkaufen. Die Stadt hofft auf ein öffentlich-privates Konsortium.

Altes Logo der Holsten-Brauerei an einer Mauer

Fassade am leerstehenden Holstenareal in Hamburg: Wer kauft es nun? Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Der strauchelnde Immobilienkonzern Adler hat angekündigt, nun doch eines der größten Bauprojekte Hamburgs zu verkaufen: Beim Holstenareal in Altona, wo früher Bier gebraut wurde, ist der Konzern offensichtlich nicht mehr in der Lage, die anvisierten rund 1.200 Wohnungen sowie Büros und Geschäfte zu bauen. Stattdessen muss der Konzern dringend Geld auftreiben, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Die Bürgerinitiative „Knallt am dollsten“, die seit Jahren die Entwicklung des Holstenareals kritisch begleitet, sieht nun die Gelegenheit für die Stadt aufziehen, das zum Spekulationsobjekt verkommende Gelände per Vorkaufsrecht zu erwerben. Doch die Stadtentwicklungsbehörde scheint das vermeiden zu wollen und hofft auf eine andere Lösung.

Am Dienstag hatte die Adler Group ihren – bislang noch von keiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierten – Jahresbericht für 2022 bekannt gegeben: Der Nettoverlust der Adler Group hat sich im vergangenen Geschäftsjahr auf 1,7 Milliarden Euro erhöht. Ursachen seien die Abwertung des Immobilienportfolios sowie Wertberichtigungen auf Forderungen. Auch im Jahr zuvor hatte es schon nicht rosig ausgesehen, da hatte der Verlust 1,2 Milliarden Euro betragen.

Schon seit 2021 wird die Kritik am Konzern wegen seiner Geschäftspraktiken laut: Immobilien der Adler Group seien überbewertet, Beteiligungen und Übernahmen würden gemacht, um an Kredite heranzukommen, Geldflüsse würden an Privatpersonen verschoben.

Insolvenz bislang vermieden

Tatsächlich stemmt sich der aus Luxemburg stammende, von Berlin aus operierende Konzern derzeit gegen die Pleite: Erst kürzlich hatte er ein Konzept vorgelegt, wie er eine drohende Insolvenz noch verhindern will. Darin war der Verkauf vieler Immobilien bereits anvisiert. Anfang April gab ein Londoner Gericht grünes Licht dafür, nachdem Gläubiger des Konzerns gegen das Vorhaben geklagt hatten.

„Das Gericht hat dem Konzern so eine Gnadenfrist verschafft, der damit zumindest kurzfristig die unmittelbare Insolvenz abwenden konnte“, sagt Theo Bruns von der „Knallt am dollsten“-Initiative.

Dass Adler in der Krise steckt und ein neues Rekord-Minus bekannt geben musste, verwunderte daher kaum. Für Hamburg hatte der Jahresbericht jedoch eine Überraschung parat: Erstmals setzte der Konzern das Holstenareal auf die Liste der Immobilien, die er verkaufen will. Bisher hatte er stets beteuert, das Areal selbst bebauen zu wollen.

„Jetzt muss die Stadt handeln“, fordert Bruns. Schließlich besteht nun erstmals seit 2016 die Chance, dass die Stadt wieder Zugriff erlangen kann: Als der Brauereikonzern Carlsberg seinerzeit das Gelände verkaufte, verzichtete der Senat auf sein Vorkaufsrecht, was ihm ermöglicht hätte, dort städtebauliche oder wohnungspolitische Ziele durchzusetzen.

Zeit fürs Vorkaufsrecht?

Zuvor war der Wert des knapp neun Hektar großen Geländes noch auf rund 65 Millionen taxiert worden. Für den Verkauf an den Düsseldorfer Projektentwickler Gerch kassierte Carlsberg schon satte 150 Millionen. Seither ging das Grundstück durch vier weitere Hände und sein Wert stieg in großen Sprüngen. Zuletzt stand die Immobilie mit mehr als 360 Millionen Euro in den Adler-Büchern.

Im vergangenen Mai erklärte der Hamburger Senat bereits schmallippig, dass er auch über den Rückkauf des Holsten­areals mit der Adler Group verhandeln will, weil eine Bebauung immer unwahrscheinlicher erschien. Dass er dafür aber keinen „Mondpreis“ von 360 Millionen Euro zahlen dürfe, sagte damals die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann, sei aber natürlich auch dem Senat klar.

Gerade deshalb versteht die Bürgerinitiative nicht, warum die Stadt seither nicht längst eine sogenannte städtebauliche Entwicklungsmaßnahme eingeleitet hat. Mit diesem In­strument könnte die Stadt hohe Anforderungen an die Bebauung stellen. „Das Areal wäre damit für Investoren, die allein auf maximale Rendite setzen, uninteressant und damit der weiteren Immobilienspekulation entzogen“, sagt Bruns.

Doch die zuständige Stadtentwicklungsbehörde ist weiter der Ansicht, dass die Maßnahme im vorliegenden Fall nicht angewendet werden darf. Stattdessen ruhen die Hoffnungen nun darauf, dass die Adler Group an ein der Stadt genehmes Konsortium verkauft.

Am Mittwochmittag erklärten die Saga, Hamburgs kommunales Wohnungsunternehmen, und der auch in Hamburg ansässige private Immobilieninvestor Quantum in einer Mitteilung ihr Interesse am Kauf: „Wir sind unverändert zuversichtlich, durch den Ankauf und die Entwicklung dieses für die Stadt bedeutenden Areals in bewährter Partnerschaft unseren Beitrag zu leisten.“ Bereits im vergangenen Jahr hätten sie ihr Interesse bekundet, das Holstenareal gemeinsam zu erwerben.

Vorkaufsrecht gilt nicht bei Insolvenz

„Das sind gute Neuigkeiten zur Zukunft des Holstenareals“, erklärte daraufhin Stadtentwicklungssenatorin ­Karen Pein (SPD). Die Hoffnung ist klar: Durch die Saga wäre so ein Mindestmaß an vergleichsweise günstigen Mieten gesichert, die Quantum AG würde durch die Planung hochpreisiger Miet- und Eigentumswohnungen genug Geld zur Finanzierung einwerben. „Ganz offenbar kommt nun wieder Bewegung in den Prozess“, sagt Pein erfreut.

Ob der Prozess wie gewünscht ausgeht, bleibt nun weiter unklar. Sollte Adler doch noch in die Insolvenz rutschen, hätte die Stadt jedenfalls kein Vorkaufsrecht mehr auf das Gelände: „Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn der betroffene Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder aus einer Insolvenzmasse erfolgt“, antwortete der Hamburger Senat bereits auf eine parlamentarische Anfrage von Linken-Politikerin Sudmann.

Dann würden mit einem neuen Privatinvestor alle Verhandlungen von vorn beginnen müssen – und das Holstenareal vorerst weiter brach liegen.

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