Medien zu Trumps Anklage: Ein reines Spektakel

Mit Live-Berichterstattung und Helikoptern begleiten US-Medien Donald Trumps Anklage. Dabei wiederholen sie journalistische Fehler aus dem Wahlkampf 2016.

Silhouette des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump

Vor der Verhandlung: Donald Trump im Rampenlicht in Palm Beach, Florida Foto: Marco Bello/reuters

BERLIN taz | In einem Konvoi schwarzer und weißer SUVs bricht Donald Trump am Montag von seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida zum Flughafen von Palm Beach auf. Am Straßenrand jubeln ihm Un­ter­stüt­ze­r*in­nen mit ihren wiedererkennbaren roten Mützen zu, unzählige Jour­na­lis­t*in­nen verfolgen und kommentieren die Fahrt der Kolonne live. Dann: Trump kommt am Flughafen an, er besteigt das Flugzeug, er landet in New York City. Die Ankunft und Fahrt vom Flughafen zum Trump Tower in Manhattan wird von Helikoptern verfolgt, CNN setzt zusätzlich ein Speedboat ein, um ja keine Ampelpause zu verpassen. Die detailreiche Berichterstattung mit aufgeregten und sich ständig wiederholenden „Da ist er!“-Rufen erinnert eher an eine Verfolgungsjagd als eine journalistische Berichterstattung zur Anreise zu der Verlesung der gegen ihn erhobenen Anklage.

Die Anklage eines ehemaligen Präsidenten ist in den USA ein Novum. Doch die Medienberichterstattung zu einer bürokratischen Formalität artete in einem Medienspektakel mit 24 Stunden Live-Berichterstattung, Helikopter-Einsätzen und mehr oder weniger Expert*innen-Stimmen aus. Dass am Dienstag im Gerichtssaal selbst keine Kameras erlaubt waren, spielte letztlich auch keine große Rolle. Die Sender filmten stattdessen Wege und Türen, die Trump irgendwann später betreten oder durchschreiten wird – mit Off-Kommentaren, wie das denn nun alles zu deuten sei.

In rechten Medien, wie Fox News oder Breitbart, wurde das Narrativ verbreitet, das Trump auch selbst bedient: er als unschuldiges Opfer der Justiz. Der bekannte Moderator Tucker Carlson sagte, Trumps Mugshot (Polizeifoto) werde ein Symbol der Freiheit werden. Dass aus logistischen Gründen überhaupt kein Mugshot von Trump gemacht wurde, erwähnt er nicht. Zu diesem Zeitpunkt verbreitete sich schon ein gefakter Mugshot in den Sozialen Medien.

Nun ist derlei Berichterstattung mit voreingenommenen „Expert*innen“ von Sendern wie Fox News nicht überraschend. Doch auch seriöse Medien, wie die New York Times und Washington Post oder Sender wie CNN und ABC, machten bei dem ganzen Zirkus mit. Auch deutsche Medien trumpften mit Live-Tickern, Videos und Einschätzungen auf. Innerhalb eines Tages veröffentlichte Spiegel.de mehr als ein Dutzend Beiträge zu der Anklage.

Diese Dauerbeschallung der vergangenen Tage erinnert an die Berichterstattung zu Wahlkampfzeiten 2015/2016. Damals war die mediale Landschaft von Polarisierung, Meinungskämpfen und Desinformation geprägt. Fast jede Äußerung von Donald Trump war einen eigenen Bericht wert. Jede Provokation von ihm wurde zum Stöckchen, über das Jour­na­lis­t*in­nen nur zu gerne sprangen. Die Medien profitierten damals von Trump in Form von überdurchschnittlich hohen Klickzahlen, Quoten und Werbegeldern – doch für den Journalismus an sich war es kein Gewinn.

In der Rückschau kritisierten viele Medien ihre eigene Berichterstattung und gelobten Besserung. Sie versprachen weniger und dafür differenziertere Berichte, mehr kritische Einordnung und Fakten-Checks statt direkter Wiedergabe von Desinformationen. Und die Versprechen damals führten zu positiven Veränderungen in der Medienlandschaft.

Doch die Berichterstattung zu Trumps Anklage lässt erahnen, dass diese Versprechen langsam in Vergessenheit geraten. Am Dienstagabend hielt Donald Trump, zurück in Florida, eine Rede. Darin verbreitete er Lüge um Lüge, beispielsweise dass die vergangene Präsidentschaftswahl manipuliert war. Sender wie CNN strahlten die Rede live aus – ohne Fakten-Check.

Für den anstehenden Wahlkampf – Trump hatte vor einigen Monaten schon verkündet, 2024 erneut kandidieren zu wollen – bedeutet das nichts Gutes. Denn letztendlich können Medien zwar kurzzeitig durch Klicks davon profitieren, am Ende gewinnt aber vor allem Trump selbst, der 24/7 landesweite Aufmerksamkeit für sich und seine Narrative bekommt.

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Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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