: Nicht nur Wortgefechte in Ukraine
EU reagiert noch nicht unmittelbar auf Russlands Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Ukrainische Behörden rufen zum Verlassen der Frontstadt Awdijiwka auf, dementieren aber Einkesselung
Von Barbara Oertel
Die EU hat mit Konsequenzen gedroht, sollte Russland tatsächlich wie angekündigt taktische Atomwaffen in Belarus stationieren. Das sagte der Sprecher der EU-Kommission, Peter Stano, am Montag. Konkretere Angaben machte er nicht, verwies jedoch darauf, dass Brüssel noch auf eine entsprechende Stellungnahme aus Belarus warte. Einen entsprechenden Schritt hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am vergangenen Samstag angekündigt. Der Bau entsprechender Lagerkapazitäten solle bis zum 1. Juli abgeschlossen sein.
Am Montag forderte Lettland die EU und die G7 dazu auf, wegen dieser Ankündigung weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen und bei bereits verhängten Strafmaßnahmen bestehende Löcher zu schließen. Die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen in Belarus beweise, dass Belarus nur ein weiterer Militärbezirk der russischen Streitkräfte geworden sei, schrieb Lettlands Außenminister Edgars Rinkēvičs auf Twitter.
Eine ähnliche Forderung hatte zuvor auch Litauen erhoben. Eine Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus werde eine neue Welle der Spannungen und Destabilisierung in Europa auslösen, hieß es in einer Erklärung, aus der das ukrainische Webportal Ukrainska Pravda (UP) zitiert. Laut UP-Kolumnist Wladimir Krawtschenko verfolge Putin mit der Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus drei Ziele: Eins davon sei, im „Westen Ängste vor einer nuklearen Eskalation zu schüren, um Zwietracht zwischen den westlichen Demokratien zu säen und die Unterstützung für die Ukraine zu verringern“.
Unterdessen wurde auch am Montag im Osten der Ukraine heftig gekämpft. Der Chef der ukrainischen Militärverwaltung des Gebietes Donezk berichtete am Mittag auf Facebook von mindestens zwei Toten und 29 Verletzten beim russischen Beschuss der Stadt Slowjansk, fünf davon schwer. Diese seien am Morgen Opfer eines Raketenangriffs geworden. Zu den Angriffszielen hätten fünf mehrgeschossige Wohn- sowie sieben Einfamilienhäuser gehört.
Der Chef der ukrainischen Militärverwaltung in der Frontstadt Awdijiwka, Witali Barabasch, rief die Bewohner*innen der Stadt zur Evakuierung auf. „Ihr müsst gehen, ihr müsst eure Sachen packen, vor allem mit euren Kindern“, schrieb er auf Telegram. „Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber Awdijiwka gleicht immer mehr einem Ort aus postapokalyptischen Filmen.“ Die Evakuierung der noch in der Stadt verbliebenen Mitarbeiter von Versorgungsunternehmen habe begonnen und der Mobilfunkempfang werde bald abgeschaltet, „weil es in der Stadt Spitzel der russischen Besatzer gibt“. Offiziellen Angaben zufolge leben von einst über 30.000 noch etwa 2.000 Zivilisten in Awdijiwka, das in der Region Donezk etwa 90 Kilometer südwestlich des umkämpften Bachmut liegt. Die Stadt ist für die russischen Truppen von strategisch wichtiger Bedeutung, da sie unmittelbar westlich der seit 2014 von Russland kontrollierten Gebietshauptstadt Donezk liegt und den Weg aus Donezk nach Westen blockiert.
Der ukrainische Militärexperte Aleksandr Kowalenko bezeichnete russische Meldungen, wonach Awdijiwka immer weiter eingekreist werde, als Propaganda. „Mir scheint, dass die Verstärkung der russischen Propaganda in Bezug auf Awdijiwka darauf zurückgeht, dass sie in Bachmut nicht in der Lage sind, eine Entscheidung herbeizuführen“, sagte Kowalenko laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian. „Es ist daher notwendig, die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf anderes Informations-Fastfood zu lenken.“
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