Angst vor TikTok: Wichtige Fragen, komische Ansätze

TikTok zieht Lebenszeit und birgt Gefahren. Wollen Staaten dagegen vorgehen, müssen sie Gesetze verabschieden.

Ein Junge mit Kopfhörern starrt auf sein Smartphone

2021 verbrachten Kinder und Jugendliche durchschnittlich 91 Minuten pro Tag auf TikTok Foto: imago

Datenweitergabe, China, Spionage! Die Denkrichtung beim Thema TikTok ist oft festgefahren, anderes wird übersehen. Nicht so bei der Anhörung von TikTok-Chef Shou Zi Chew am Donnerstag vor dem US-Kongress. Da ging es auch um die Auswirkungen der Plattform. Die Republikanerin Cathy McMorris Rodgers sagte, TikTok würde „die Unschuld der Kinder ausbeuten.“

Klar, im Anti-TikTok-Rausch der US-Politik wird ein übertriebenes Horror­szenario skizziert. Die Frage ist aber wichtig: Was macht es mit Menschen, wenn sie viel Zeit auf TikTok verbringen? 2021 waren das durchschnittliche 91 Minuten pro Tag bei Kindern und Jugendlichen. Und wie könnten Staaten mit diesem Einfluss umgehen?

Die große Verweildauer bei TikTok kann nicht nur zu Unterhaltung führen, sondern auch zu gefährlichen Challenges und Annahmen über die Welt und sich selbst. Insbesondere die Wahrnehmung des Körpers, die herausgefordert wird durch Filter wie jenen, der die Knochenstruktur von Gesichtern so verändert, dass sie attraktiver werden.

TikTok weiß um diese Gefahren. Seit Kurzem können deswegen Nutzungszeiten von Use­r*in­nen eingeschränkt werden. Man wird gewarnt, wenn man die selbst festgelegte Zeit überschreitet. Außerdem arbeitet TikTok laut eigenen Angaben gerade an einer Funktion, mit der Use­r*in­nen ganz einfach den Empfehlungsalgorithmus dazu bringen können, die Hunderte von Stunden personalisiertes Training mal eben auszublenden. In einer digitalen Welt wäre das eine psychische und soziale Notbremse, die jede Plattform beinhalten sollte. Genug Schutz ist das aber noch lange nicht!

Das neue Gesetz ist gefährlicher Humbug

Der Gouverneur von Utah unterzeichnete am Donnerstag ein Gesetz, das Plattformen unter anderem verpflichten soll, bei Neuanmeldungen das Alter der User zu überprüfen und Minderjährige nachts von Plattformen auszuschließen. Es ist gefährlicher Humbug.

So könnten Nut­ze­r*in­nen­da­ten direkt verknüpft werden mit legalen Identitäten, und das ausgerechnet bei Minderjährigen, deren Datenleben ja noch einige Jahre länger ist. Targeting und Doxing könnten so noch gefährlicher werden. Zum anderen würde die Sperrstunde bedeuten, dass man eine ganz bestimmte Menschengruppe stundenlang der Möglichkeit und des Rechts beraubt, sich frei zu informieren und frei zu äußern.

Wenn Staaten wirklich etwas unternehmen wollen, müssten sie Filter regulieren, starke Moderationspflichten festlegen und die Plattformen dazu verpflichten, ihren Use­r*in­nen eine Option anzubieten, Daten zurückzubekommen und Algorithmen zurückzusetzen. Und das auch durchsetzen.

Wenn sie sich fragen, wer denn Minderjährige beeinflussen will, dürfen sie nicht zuerst an andere Staaten denken, sondern an Unternehmen und Extremist*innen, die Menschen bis zum Gewaltexzess mit Hass füttern. Das trifft übrigens nicht nur Minderjährige. Extremisierungstreiber sind auch anderweitig unterwegs, etwa auf: Face­book, der Plattform der Alten.

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Redakteur für Medien und Digitales. Ansonsten freier Journalist und Teamer zum Thema Verschwörungserzählungen und Fake News. Steht auf Comics, Zombies und das Internet. Mastodon: @drosdowski@social.anoxinon.de

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