Führungskraft über Frauen im Sportbusiness: „Ich musste mich erst beweisen“

Im Nachwuchsleistungszentrums des Hamburger SV ist Eva Lotta Lockner oft allein unter Männern. Ein Gespräch über das Haltungzeigen.

Eine junge Frau mit einer schwarzen Mütze, auf der "Hamburg" steht, steht auf der Tribühne im HSV-Stadion

Wird heute als Führungskraft beim HSV akzeptiert: Eva Lotta Lockner Foto: Matthias Scharf

taz: Frau Lockner, seit Ihrem Praktikum in der elften Klasse arbeiten Sie schon beim HSV. Als Sie 2017 die Administrative Leitung des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) in Norderstedt übernahmen, kannten Sie viele Kollegen noch als junges Mädchen. Was glauben Sie, wie Sie damals wahrgenommen wurden?

Eva Lotta Lockner: In meinen ersten Jobs beim HSV – etwa als Stadionführerin oder im Service Center – haben viele Mädels gearbeitet. Da bin ich nicht weiter aufgefallen. Als ich dann aber als Werkstudentin ins NLZ gewechselt bin, wurde mir klar: Hier bin ich als Frau in der absoluten Minderheit.

Woran haben Sie das gemerkt?

Ich wurde geprüft, ob ich – als Frau – auch wirklich Ahnung von Fußball habe. Viele wussten damals noch nicht, dass ich selbst Fußball gespielt und schon seit Jahren beim HSV und als Sportjournalistin gearbeitet hatte. Das musste ich erst beweisen. Bei Männern in der Branche wurde das immer vorausgesetzt, bei mir wurde es zunächst leider angezweifelt.

Das ist jetzt acht Jahre her. Ist das heute anders?

Im HSV habe ich mittlerweile das Gefühl, gleichberechtigt zu sein. Meine Meinung wird eingeholt und hat Gewicht, sie wird von niemandem relativiert. Für manche externe Fußball-Funktionäre scheint es aber noch immer ungewöhnlich zu sein, dass sie es mit einer Frau zu tun haben, wenn es um meine Position geht. Einmal war ich zum Beispiel in einer Videokonferenz mit Verbandsvertretern und wurde gefragt, wo denn mein Chef wäre. „Ich vertrete das NLZ“, antwortete ich. Er guckte verdutzt.

Sind das Ausnahmen?

33, baute 2017 das HSV-Nachwuchsleistungszentrum in Norderstedt auf. Als Administrative Leiterin organisiert sie heute, dass der U11- bis U15-Nachwuchs trainieren kann.

In den letzten Jahren bekomme ich sowas immer seltener zu hören, insgesamt nimmt die Vielfalt im Fußball zu. Wahrscheinlich auch, weil meine männlichen Kollegen immer jünger werden. Für diese Generation ist es ganz normal, dass ich als Frau das NLZ in Norderstedt leite.

Trotzdem sitzen Sie heute noch manchmal nur mit Männern an einem Tisch.

So ist es. Letztens war ich in einem externen Workshop zum Thema Kommunikation und Macht mit 25 Männern und nur einer anderen Frau. Das schlägt sich schnell in der Gesprächsdynamik nieder. Es gibt Männer, die unterbrechen einander häufiger als Frauen. Damit demonstrieren sie meiner Meinung nach Macht. Das beobachte ich auch in der Körperhaltung: Während Frauen oft die Beine überschlagen und möglichst wenig Platz einnehmen, machen Männer das komplette Gegenteil. Zum Teil Breitbeinig, auch mal mit verschränkten Händen hinter dem Kopf, sitzen sie mir gegenüber. Ob sie das auch machen, wenn sie unter sich sind, kann ich natürlich nur mutmaßen.

Setzen Sie sich dann auch breitbeinig hin?

Das habe ich ausprobiert – und dann schnell wieder Abstand davon genommen. Das passte einfach nicht zu mir als Person. Stattdessen versuche ich darauf zu achten, mich nicht klein und schmal zu machen. Sondern eher neutral hinzusetzen. Und mittlerweile hinterfrage ich mein Auftreten: Wie wirke ich auf mein Gegenüber?

Und?

Häufig sind es banale Situationen: Früher habe ich noch eine Kaffeekanne mit in Besprechungen gebracht. Damals habe ich mir keine Gedanken gemacht, dass es komisch aussieht, wenn ich für den Kaffee sorge. Wenn dies allerdings eher wahrgenommen wird, als meine Wortbeiträge, muss ich als Frau solche Aufgaben an meine Kollegen delegieren. Die Wirkung war mir vorher nicht bewusst. Ich kaufe etwa auch kein Waschmittel mehr für die Trainer, um zu zeigen: Ich bin hier nicht die Frau für alles. Durch solche Entscheidungen habe ich eine Haltung entwickelt. Mit der traue ich mich nun auch in Gesprächen einzuschreiten, wenn jemand der sprechenden Person ständig ins Wort fällt.

Wie sind die Gespräche, wenn mehr Frauen daran teilnehmen?

Meine Erfahrung ist: Frauen unterbrechen andere weniger. Schon dadurch sind die Gespräche respektvoller, es gibt mehr Wertschätzung. Und mit jeder neuen Perspektive werden die Diskussionen reichhaltiger. Deswegen ist es auch so wichtig, dass es mehr Frauen im Fußball gibt.

Und wie kann das Sportbusiness für Frauen attraktiver werden?

Es geht um Sichtbarkeit. Im Sport arbeiten ganz viele Frauen, von denen wir gar nicht wissen. Sie sind einfach nicht zu hören und zu sehen – auch, weil wir untereinander so schlecht vernetzt sind. Jungen Mädels fehlt es dadurch an Vorbildern. Wir müssen ihnen zeigen: Auch als Frau kann man eine Bundesliga-Mannschaft trainieren, auf dem Spielfeld pfeifen oder ein Nachwuchsleistungszentrum leiten.

Das versuchen Sie zu leben.

Ja, mittlerweile. Vor zwei bis drei Jahren hätte ich dieses Interview noch nicht gegeben – damals wollte ich nicht so sichtbar sein. Das ist nun anders. Jetzt möchte ich den Frauen und Mädels zeigen: Ich werde hier beim HSV, meiner Leidenschaft dem Fußball, nicht aufgefressen, sondern als Führungskraft respektiert.

Dieser Text wurde nachträglich geändert.

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