Studie über Sexismus: Antifeminismus im Familiengericht

Eine Studie zeigt auf wie sexistische Narrative Frauen in Gerichtsverfahren schaden. Die Bundesregierung scheint keinen Handlungsbedarf zu sehen.

Ein Kind zwischen zwei Erwachsenen

„Viele Entscheidungen orientieren sich nicht am Kindeswohl“, sagt Gökay Akbulut Foto: Veam/imago

BERLIN taz | An Familiengerichten und in Jugendämtern begünstigen „ideologische antifeministische Narrative“ Entscheidungen. So lautet ein Ergebnis der im Frühjahr erschienenen Hammer-Studie „Familienrecht in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“. Doch die Bundesregierung scheint diese Erkenntnisse wenig bis gar nicht zu berücksichtigen.

So urteilt Gökay Akbulut, familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag nach einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Aus der Antwort geht hervor: Laut Justizministerium „liegen keine Erkenntnisse vor, dass häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch nicht angemessen berücksichtigt würde“.

Die Hammer-Studie bilanziert, dass Umgangsentscheidungen an Familiengerichten regelmäßig zur Gefährdung von Frauen und Kindern beitragen. Wolfgang Hammer untersuchte dafür etwa 1.000 familiengerichtliche Fälle – davon 92 Verfahren, die am Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof verhandelt wurden.

In einem zweiten Teil untersuchte er etwa 1.000 Fälle von Inobhutnahmen. Vier Narrative seien dabei entscheidend – unter anderem, dass Mütter Gewalt und Missbrauch erfinden. Oftmals wird Partnerschaftsgewalt deshalb verschwiegen. „Ich kann euch echt empfehlen, wenn ihr Gewalt erfahren habt – thematisiert das nicht vor Gericht“, sagte Autorin Jacinta Nandi dazu in einem taz Talk Ende November. Damit stünden die Chancen für das Sorgerecht besser.

Ministerium plant keine Studie

Das Justizministerium werte im Moment die Studie aus und prüfe weitere Maßnahmen, heißt es weiter. Auch weist es in der Antwort auf die entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag hin: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“ Momentan werde die „bestmögliche Umsetzung“ dieses Vorhabens geprüft.

„Viele Entscheidungen orientieren sich nicht am Kindeswohl und gefährden dieses sogar“, so Akbulut. „Beispielsweise gibt es Entscheidungen, in denen mit einer zu engen Mutter-Kind-Bindung argumentiert wird. Die Bundesregierung hat allerdings auf viele meiner Nachfragen zur Studie keine Erkenntnisse.“

Das Familienministerium fördere jedoch im Rahmen des Bundesinnovationsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ ein Projekt, das zu bestehenden kommunalen Verfahren zur Berücksichtigung von häuslicher Gewalt bei Sorge- und Umgangsregelungen im familiengerichtlichen Verfahren forsche. Im Moment wird das Projekt ausgewertet und einzelne Vorhaben werden diskutiert.

Die Antwort lässt aber auch erkennen: Es ist kein Forschungsvorhaben geplant in Bezug auf die „Umplatzierung von Kindern in den Haushalt des anderen Elternteils“ mit Begründung eines „entfremdenden Verhaltens“ eines Elternteils. Auch dies ist ein Narrativ, das Hammer in seiner Studie in Urteilsbegründungen herausarbeitete. In 90 Prozent sei das die Begründung: Die Mutter würde durch eine zu enge Bindung das Kind vom Vater entfremden.

Auch liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu diskriminierenden Vorfällen in Jugendämtern gegenüber Eltern aufgrund ihrer Herkunft vor.

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