RBB-Literatursendung „Studio Orange“: Zu sehr gewollt
Die neue Literatursendung mit Sophie Passmann beim RBB will anders sein als ihre Vorgänger: Entspannter und lustiger. Das gelingt nur bedingt.
Obwohl die Hochzeiten des „Literarischen Quartetts“ längst vorbei sind, gibt es immer wieder Versuche, eine Konkurrenz zur TV-Literatursendung zu etablieren. Letztmals hatte es der BR 2019 mit Thomas Gottschalk probiert – doch schon nach vier Sendungen kam das Aus für „Gottschalk liest?“. Jetzt versucht der RBB sein Glück mit der Autorin und Schauspielerin Sophie Passmann.
In „Studio Orange“ will Passmann mit ihren Gästen über Klassiker, Kinderbücher und Popliteratur sprechen. Sie wollen es anders machen als andere Literatursendungen. Sie wollen keine Fremdwörter wie Intertextualität nutzen, sie wollen lustig sein und entspannt. Und so, wie das hier klingt, ist es dann leider auch: ziemlich gewollt.
In der ersten Folge sind die Immer-noch-Skandalautorin Helene Hegemann und der Schauspieler und Drehbuchautor Dimitrij Schaad (bekannt durch seine Hauptrolle in der Netflix-Serie „Kleo“) zu Gast.
Obwohl die Gäste sympathisch sind, ist der Start einigermaßen holprig. Passmann macht Witze, über die niemand im Publikum lacht. Der Vorschlag, den Plot des ersten Buches („2666“ von Roberto Bolaño) mit Lego-Figuren nachzustellen, geht voll in die Hose. Hinzu kommen technische Probleme: Die Soundqualität ist mäßig, ständig hallt es. Und im Schnitt geht es so rabiat zu, dass Hegemanns Antwort einfach abgeschnitten wird, als sie von ihrer Zeit bei „Star Search“ erzählen will.
Dass die Sendung trotz allem Potenzial hat, zeigt sich dann aber doch noch in der Diskussion über das Buch „Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao“ von Junot Díaz. Während Schaad das Buch als kurzweiliges 300-seitiges Familienepos verteidigt, geraten Hegemann und Passmann in eine Diskussion über die Darstellung von Elend- und Gewaltszenarien – die auch dann interessant ist, wenn man noch nie von Oscar Wao gehört hat.
Leser*innenkommentare
Lindenberg
Drehort: eine aufgelassene Fabrik, wo der letzte "coole" Tatort gedreht worden sein könnte.
Industrial-Chic soll die Sendung aufmotzen, zeigt, dass die TV-Redaktion keinerlei visuelle Phantasie in Bezug auf Literatur hat.
Dazu passt, dass Frau Passmann ihre Sendung mit einem Monolog im Gehen beginnt, bei dem nichts hängenbleibt, weil die Hand-Kamera ihr wie bei der Fußball-Live-Berichterstattung folgt.
Sie macht sich über einen Literatur-Fachbegriff lustig, den sie ihren Zuschauern leicht erklären könnte. Aber darum geht es nicht. Das hat etwas von Geistfeindlichkeit und dem Unsäglichen sagen wir es mal einfacher, wozu das Spiel mit Legosteinen passt.
Passmann hört nicht zu, unterbricht, rattert ihr gelerntes Scribt durch, was schade ist, da Helene Hegemann interessante Dinge zu sagen hat.
Sie ist die eigentliche Entdeckung dieser Sendung, mit der ein Literaturtalk abseits der Konventionen wirklich interessant wäre.
Hier wird cooles Fernsehen simuliert und das nächste Grab für anspruchsvolle Literatur im Fernsehen geschaufelt!
Jim Hawkins
Literatur ist eine feine Sache, der Literaturbetrieb und damit auch Literatursendungen sind die Pest.
Wenn die Anführerin dann auch noch solche Weisheiten zum Besten gibt:
"Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interviewmikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben."
Dann ist Matthäi am Letzten.
www.rnd.de/promis/...BPE7HKQ7QYAEU.html
Mondschaf
@Jim Hawkins "der Literaturbetrieb und damit auch Literatursendungen sind die Pest."
Aber woher soll das Publikum denn sonst wissen, was es gut finden soll? So ein Aufkleber "Spiegel-Bestseller" allein reicht doch nicht.
Beim der Bewertung von Fußball benötigen die Menschen doch auch Experten wie Uli Hoeneß. [/ironie off]
Jim Hawkins
@Mondschaf Da ist etwas dran.
Man kann sich natürlich auch an der Höhe der Bücherstapel in den Buchhandlungen der Einkaufszentren orientieren.
Ich sehe es so:
Neunzig Prozent der deutschen Kulturproduktion, ob Literatur oder Film, ist Mist. Das ist eine späte Folge des Nationalsozialismus, der die Kultur aus dem Land gefegt hat.
Nach dem Krieg haben dann bräsige Schreiberlinge wie Grass und Walser den Ton angegeben und die Höhe der Latte bestimmt.
Im Laufe der Jahre wurde die dann immer weiter abgesenkt, bis auch Leute wie Juli Zeh weitgehend anstrengungslos drüber kamen.
Mich interessiert der ganze Mist nicht die Bohne.
Ringelnatz1
@Jim Hawkins Ick knispele gerade herum wie det allet gemeint ist. Na egal!
Vergiß Juli Zeh und wende dich Ulrich Plenzdorf zu.
Kenne sie Urban?!
www.youtube.com/wa...V7nmGVy15e&index=1
Ein schöner Tripp zurück! Ville Bekannte!
Schauen sie gefälligst zu!
Jim Hawkins
@Ringelnatz1 Ach, nicht so wichtig, ich höre mich eben gern reden.
"Das ist ein Fixer, muss aber noch ein bisschen auf die Weide."
Herrlich, ich liebe diese alten DEFA-Sachen.
Und Jenny ist auch drin.
Wenn man die mit den zur selben Zeit produzierten Fassbinder-Filmen vergleicht, bekommt man den Eindruck, dass die DDR-Gesellschaft eine entspanntere war.
Wen sollte ich gleich vergessen?