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Neues Album von Alice BomanKuscheln mit Tiefgang

Die Singer-Songwriterin Alice Boman wurde durch Netflix berühmt. Auf ihrem neuen Album „The Space Between“ verfeinert sie den introspektiven Indiepop.

Standhaft behauptet Alice Boman weiterhin, für einen intimen Rahmen zu komponieren Foto: Angelina Mamoun

Das Wort „Lagom“ bezeichnet eine Lebenseinstellung, die sich in der schwedischen Gesellschaft großer Beliebtheit erfreut. Im Kern ist damit ein erstrebenswertes und überaus positiv konnotiertes Mittelmaß gemeint, das nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig sein will; sämtliche Lebensbereiche sollen dabei in ausgewogener Balance sein.

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Auch die Musik der schwedischen Singer-Songwriterin Alice Boman, aus der südschwedischen Großstadt Malmö stammend, ließe sich als „Lagom“ charakterisieren. Schafft sie es doch, in ihren Songs eine Balance von Spannung und Entspannung herzustellen, von gesanglicher Intensität und instrumentaler Reduktion.

In ihren Songtexten verarbeitet die 34-jährige Künstlerin häufig inniges Verlangen, unerwiderte Liebe oder gescheiterte Beziehungen – und die damit einhergehenden Gefühlswelten bettet sie auf sanfte, atmosphärische Melodien. Dafür ist die Instrumentierung meist zurückgenommen, dezent und harmonisch.

Bomans Debüt-EP mit dem Titel „Skisser“, veröffentlicht 2013, bedeutet auf Deutsch „Skizzen“. Ursprünglich hatte die Musikerin nur vor, diese Songskizzen in einem Studio professionell aufzunehmen, für den Eigengebrauch. Ein Mitarbeiter schickte die Demos jedoch an das Malmöer Indielabel Adrian Recordings, das sie dann gleich in größerem Maßstab veröffentlichte.

Das Album

Alice Boman: „The Space Between“ (Play it Again Sam/PIAS)

Songs für die Leinwand

Nach diversen Singleauskopplungen und einer weiteren EP erschien 2020 das Debüt­album „Dream On“ bei PIAS. Sieben Jahre hatte die Schwedin nach einem geeigneten Label für ihre Musik gesucht.

Weiterhin behauptet die Künstlerin standhaft, eher im intimen Rahmen für ein überschaubares Publikum zu komponieren. Doch ihre Songs erreichen mittlerweile eine große Zuhörerschaft, vermittelt über den Soundtrack diverser TV-Serien und Filme. Ihr Song „Waiting“ erklingt etwa in der Matthias-Schweighöfer-Produktion „100 Dinge“ und der US-TV-Serie „Transparent“. Andere Songs Bomans sind in der Anwalts­serie „Suits“ und der Netflix-Teenagerserie „Tote Mädchen lügen nicht“ zu hören.

Nun hat sie ihr neues, zweites Album veröffentlicht, „The Space Between“. Auch darauf finden sich Lieder, die sich gut auf der großen Leinwand machen würden, aufgrund ihrer Emotionalität und Intensität. Wie bereits bei „Dream On“ arbeitete Boman mit dem schwedischen Produzenten Patrik Berger zusammen, der schon Hits von Superstars wie Lana Del Rey und Charli XCX produziert hat.

Die dezente Musik von Boman fällt in dieser Liste allerdings als vollkommen gegensätzlich auf. Denn am meisten überzeugt die Singer-Songwriterin nicht durch aufwendig produzierte Technicolorsound, sondern durch Reduktion und scheinbarer Natürlichkeit.

Auf „The Space Between“ verfeinert die Musikerin den introspektiven Indiepop, den sie bereits auf ihrem Debüt vorgelegt hat. Ihre Songtexte sind erneut simpel gehalten und zugleich von enormer emotionaler Intensität geprägt. Ein wiederkehrendes Motiv in den Songs ist die intime Innenschau.

Konfliktstoff für Beziehungen

Dabei behandeln sie verschiedene Phasen einer Beziehung. In „Maybe“ besingt Boman unerwiderte Gefühle: „Maybe I know / Deep Inside / That I am just wasting my time / I close my eyes you will never be mine“. Zusammen mit Bläserarrangement und Piano wirkt das sehr zuversichtlich. Gleich mehrmals thematisiert Boman Verletztlichkeit und die Fähigkeit, sich zu öffnen, Konfliktstoff für romantische Beziehungen: „Sometimes, I turn cold / So much to take in / Can I turn to you?“, fragt sie ih­re:n Part­ne­r:in im Song „Where To Put the Pain“.

Anders als in ihren früheren Songs spricht sie nun vermehrt über glückliche Beziehungen und die Schwierigkeiten, solche zu navigieren. Die größte Herausforderung liegt laut Boman darin, nach so viel Herzschmerz positive Kraft in Liebesliedern heraufzubeschwören.

Auch Glückseligkeit versieht die Schwedin mit dem ihr typischen Tiefgang. „It takes time to open up“, singt sie im Auftaktsong „Honey“. Ihre zarte, aber dennoch klare Stimme dominiert dabei über einem simplen Arrangement aus Klavier und Bläsern, das Arrangement fadet zum Ende ätherisch aus. Der zweite Track, „Feels Like a Dream“, ist der stärkste Song des Albums. Es ist eine Kollaboration mit Michael Alden Hadreas alias Parfume Genius. Aus einer Instagram-Freundschaft der beiden Kollegen entstand eine intensive künstlerische Zusammenarbeit.

Glockenspiel und Piano

In „Feels Like a Dream“ besingen Hadreas und Boman eine harmonische Beziehung, musikalische Spannung entsteht durch den Zusammenklang ihrer Stimmen. „Some­times it feels like a dream / To be with you“, singt Boman mit ihrer markanten, zunächst dominierenden Stimme im Wechselspiel mit dem sanften Backgroundgesang von Hadreas. Er wiederholt die Zeilen von Boman, die Harmonien der beiden Künst­le­r:in­nen wechseln sich ab, dazu baut sich ein dramatisches Arrangement mit Perkussion, Glockenspiel und Piano auf.

Das häufige Wiederholen von Textzeilen und das Schichten von Gesangsspuren, Synthesizerhooklines und anderen Instrumenten ist ohnehin charakteristisch für die spröde Klangfarbe Bomans. Der Song „In Circles“ bedient sich ähnlicher Mittel. Im Refrain wiederholt Boman die Worte „In Circles“ beinahe meditativ über gehauchtem Backgroundgesang und klangschönen Pianoakkorden gesungen.

„What Happens to the Heart“ besteht aus einer schwebenden und sphärischen Synthesizermelodie, die wiederum im dezenten Gesang Bomans aufgeht. Bei „On and On“ mischen sich verspielte Beats mit Streichern, hier steht die behutsame Instrumentierung stärker im Vordergrund als ihr Gesang.

Diese gewisse Rohheit

Mit einer vorwärtspreschenden, leicht dissonanten Kombination aus Drums, Piano- und Synthieakkorden erzeugt „Where to Put the Pain“ einen eindringlicheren Sound als die Musik zuvor. Im Finale „Space“ entsteht ein Kontrapunkt zwischen Streichern, Klavier, Gitarre und Bomans repititivem Gesang, der fast hypnotisch wirkt.

„The Space Between“ stellt so insgesamt eine gelungene Weiterentwicklung ihrer Klangvorstellung dar. Auch wenn die Musik komplexer und glatter produziert ist als zuvor, bleibt durch das warme Knistern und den räumlich inszenierten Klang der Instrumente eine gewisse Rohheit bestehen. Und zugleich stotzen ihre Songtexte dank ihres oftmals fragilen Gesangs weiterhin vor Intimität. Das heimliche Talent der Künstlerin liegt in der innigen Ausgewogenheit ihrer Musik, die instrumental und gesanglich einen verwobenen Klangteppich bilden.

Der Sound auf „The Space Between“ kommt wie ein in Watte gebauschter Soundtrack daher. Alice Boman versteht es, genau die Töne zwischen zu viel und zu wenig zu treffen. Ihre Musik entspricht dem gesteigerten menschlichen Kuschelbedürfnis in düsterer Zeit.

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