Thriller „Hinterland“ auf DVD: Das Trauma einer verdrehten Welt
Im Film „Hinterland“ von Stefan Ruzowitzky jagt ein Weltkriegsveteran einen Serienmörder. Die schiefe Kulisse stammt aus dem Computer.
Der Krieg hinterlässt Spuren an der Wand: Gewehre, Kampf, Blut als Spiel der Schatten. Die Spuren an der Wand sind Bilder des Albtraums, aus dem Perg schweißgebadet erwacht. Der Krieg ist vorbei, es ist der Erste Weltkrieg, Perg ist zurück in seiner Heimatstadt Wien, aber in seinem Inneren ist der Krieg noch lange nicht vorbei.
Murathan Muslu gibt dem Protagonisten des Films „Hinterland“ von Stefan Ruzowitzky eine enorme körperliche Präsenz, dieser Perg ist ein Kriegsmännerkörper, der eine furchterregende Entschlossenheit in die Zivilisation zurückgeschleppt hat.
Er ist, anders als viele der hier zu sehenden anderen Männerkörper, nicht am Körper versehrt, muss nicht äußerlich wieder zusammengeflickt werden. Dass Theresa Körner (Liv Lisa Fries), die Tote und Lebende flickt, ihn an der Seele zu heilen versucht, gehört zu den Klischees, die die Freude am Film doch ein wenig verderben. Dabei ist er in einer ästhetischen Grundentscheidung originell, beinahe kühn.
Der Krieg nämlich, der den Körper der Stadt so sehr wie den des Protagonisten als Trauma weiter im Griff hat, hat die Häuser kreuz und quer gebogen, alle geraden Winkel gekrümmt, es ist eine verdrehte, verzogene Welt. Und zwar ganz buchstäblich, alle Hintergründe sind am Computer nach Art von Gemälden erstellt, die Künstlichkeit ist mit Augen und Händen zu greifen.
An den expressionistischen Stummfilmklassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920 soll man dabei denken; in der Machart ähnelt es mehr Eric Rohmers „Die Lady und der Herzog“. Die Bögen, Säulen und Balustraden in den Caféhäusern torkeln, die Häuser und Dächer und Straßen und Gassen scheinen nur für den Moment innezuhalten in einem ständigen Rutschen. Diese Stadt ist aus den Fugen, Menschen in Kostümen stehen und schleichen darin auch nur halbwegs gerade wie auf Theaterbühnen herum.
Ein Wien als Gemälde
Wie auf der Bühne und vor Kulissen, zu denen ihnen, weil diese beim Dreh ja nicht da sind, jeder Körperbezug fehlt: ein Problem, das jeder Superheldendarsteller nur zu gut kennt. Es ist ein Wien als Gemälde, artifiziell, atmosphärelos auch, vor den CGI-Hintergründen bewegen sich Entfremdete im Vertrauten.
Das ist so weit ziemlich gut, bis zum Ende sieht man sich an der sterilen Hintergrundwelt aus dem Computer nicht satt. Leider hat der Film aber nicht nur Kulissen und Körper, sondern auch nicht zu knapp Drehbuch, papierene Dialoge und Plot, gegen Ende hin reichlich Matthias Schweighöfer dazu.
Und dieser Plot, der sich um einen ausgesprochen brutalen Serienmörder dreht, tut im Grunde nur eins: Er verdoppelt und verdreifacht die düstere Atmosphäre und nimmt der ästhetischen Konstruktion dadurch einiges von ihrer Faszination. Ins Bild gesetzte gepfählte Oberkörper, von Ratten abgenagte Beine und abgeschnittene Finger à la David Finchers „Seven“ fügen ihr auch nicht mehr als die grafische Gratislust am Verstümmeln hinzu.
Perg, so geht die Geschichte, war vor dem Krieg ein Star der Wiener Polizei und steigt nun, von der Seite, über den Serienmörderfall wieder in den alten Beruf ein. Angehimmelt von Dr. Körner, beargwöhnt von Kollegen, die ihm nicht trauen, als Einziger, der die Kriegs- und Verwandtschaftshintergründe des Mordens erahnt, ist er als Axt im Wald des Verbrechens unterwegs. Er lebt in einem schaurigen Haus, führt Gespräche mit einer schaurigen Concierge und trauert um Frau und Kind, die, ohne Hoffnung ihn wiederzusehen, aufs Dorf gezogen sind.
Am Ende stehen die Häuser und Hütten wieder gerade. Die Welt atmet auf, scheint von den Schrecken des Special-Effect-Hintergrunds und des Krieges befreit. Zu schön, um wahr zu sein, das versteht sich von selbst.