Alternativen für WM-Muffel: Ab aufs Pferd

Man hat es nicht leicht als Mutter eines Pferde-Mädchens. Aber vielleicht gibt es ja doch so etwas wie Freiheit auf eines Rosses Rücken.

Ein weißes Pfers schaut durch ein Fester aus dem Stall heraus

Pferde sind schon schön – aber darauf reiten? Foto: Wesdtend 61/imago

Warum hatte ich mich darauf eingelassen? Natürlich, um dem Kind den Gefallen zu tun. Aber schon der Aufstieg war eine einzige Demütigung. Mit geübtem Blick hatte der Trainer die Gruppe gescannt und erkannt, wer wohl einen ordentlichen Schubs brauchen würde. Ich gehörte dazu.

Nun saß ich oben, und das ganze Tier war bereits in Bewegung, obwohl es noch gar nicht losgegangen war. Das aber würde es sofort tun, denn dies war eine Reitstunde, wenn auch nur eine Behelfsreitstunde für Mütter von Pferdemädchen, um die ganze Herrlichkeit einmal zu nachzuempfinden, die unsere Töchter so sehr beschäftigte: die Wunderbarkeit des Reitens.

Es war die Mutter der besten Freundin meiner Tochter, die damals sagte: „Komm, wir melden sie für die Ferien beim Reiten an – wenn sie 14 sind, hängen sie dann nicht nur bekifft herum.“ Nun waren die Kids damals erst in der ersten Klasse und ich hatte noch keinen Gedanken an ihre Pubertät verschwendet, aber Reiterurlaube waren Thema unzähliger Bücher aus meiner Grundschulzeit gewesen – warum also nicht.

Im Zeichen des Pferdes

Seither aber stand mein Kleinstfamilienleben im Zeichen des Pferdes. Meine Tochter plante ihr Jahr von Reiterurlaub zu Reiterurlaub. Ausgaben wurden neu bemessen: „Die Lampe hat einen halben Reiterurlaub gekostet!“ Dazwischen war die wichtigste Frage, wie häufig sie reiten könne. Reiterhöfe liegen nicht innerhalb, sondern außerhalb von Städten. Ich lohnarbeite, und ich habe kein Auto. Im Ergebnis wurde meine Tochter in Rekordzeit autonom mobil; fuhr mit Reithelm, Bahn und Bus und nochmal Bahn oder umgekehrt in öde Regionen, wo einsam ein Reitstall sich neben einem dampfenden Pferdemisthaufen abzeichnete.

Natürlich aber war ich dann doch gefragt. Wenn ich meine Tochter im Winter abholte, weil es so früh dunkel wurde, merkte eine Reitlehrerin an, dass andere Mamas ja durchaus auch mal Stalldienste schöben. Und erinnern wolle sie mich an den Kuchenbasar im Advent. Andere Mamas schwangen ihre Beine in 400-Euro-Lederstiefeln aus SUVs und schienen ganze Nachmittage Zeit zu haben, Hufe auszukratzen. Wir fanden einen anderen Reiterhof, wo Muttis zu meiner Erleichterung sogar eher störten und auch günstigere Stiefel getragen wurden.

Dieses eine Mal aber sollte ich reiten, und ich wollte es ja auch. Aus den Büchern meiner Grundschulzeit hatte ich Versatzstücke im Kopf – „tadelloser Sitz“ oder „wie in den Sattel gegossen“. Im Blick meiner Tochter schräg hinter mir las ich, dass ich eher einer auf das Pferd gegossenen Masse ähnelte. Doch das Tier war schön, das musste ich zugeben, und so geduldig! Und als es losmarschierte, erreichte er mich dann doch, der Funke: ein Hauch von Naturerfahrung, eine Idee von Wildheit in der wallenden Bewegung unter mir. Freiheit? Vielleicht.

Noch freier allerdings fühlte ich mich, als ich wieder absteigen durfte. „Mama, das war nicht so schlecht!“ Unterdrücktes Kichern. Hauptsache, das Kind hat seinen Spaß.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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