Alternativen für WM-Muffel: Skigymnastik

Eigentlich hat unser Autor Skifahren hinter sich gelassen. Aber eine alte Platte erinnert ihn an die beschämende Skigymnastik seiner Kindheit.

Personen auf Skiern auf einer verschneiten Piste

Bevor es auf die Piste geht, hält man sich mit Gymnastik fit Foto: Christoph Schmidt/ dpa

Eigentlich habe ich das Skifahren hinter mir gelassen. Es fehlt mir nach den 25 Jahren, die ich nun schon in Berlin lebe, nicht mehr. Meistens jedenfalls. Wenn ich im Winter in meine ehemalige Heimat fahre und schon am Hauptbahnhof sehe, wie glücklich abgeschuftete Menschen mit ihren Skiern aus den Zügen steigen, die sie von den Münchner Hausbergen zurück in die platte Stadt gebracht haben, dann erinnere ich mich daran, wie schön doch so ein Tag auf zwei Brettern in den Bergen sein konnte. In Berlin gibt es eigentlich nichts, was mich an meine Zeit als Skifahrer zurückdenken lässt. Das war jedenfalls bis zum vergangenen Sonntag so.

Da habe ich auf einem Flohmarkt im Südosten Berlins die Schallplatte „Trimm und tanz dich fit“ gesehen. „Die gesündeste Platte des Jahres“, stand noch auf dem Cover aus dem Jahr 1973. Vor meinem inneren Augen begann sofort ein mir wohlbekannter Film abzulaufen, den ich eigentlich nie mehr sehen wollte. Er spielt im Wohnzimmer der Wohnung im Münchner Norden, in der ich aufgewachsen bin. Die Hauptrollen spielen meine Eltern, meine Schwester und ich. Es ist ein bedrückendes Kammerspiel.

„Top-fit in den Schnee“

Es zeigt, wie der kleine Andreas gemeinsam mit seiner Familie Skigymnastik macht – angeleitet von Max Greger, dem in der frühen Bundesrepublik weltberühmten Big-Band-Leader, der auch das Cover der Trimm- und Tanzplatte ziert, die ich am Sonntag gesehen habe. „Eins, zwei, eins, zwei!“ Greger gibt den Takt zu den Übungen vor. Denn: „Mit Musik geht alles besser“, wie er nicht müde wird zu betonen.

Das gemeinsame Turnen zur Scheibe mit dem Titel „Top-fit in den Schnee“ gehört zu meinen Kindheitserinnerungen mit dem größten Schampotenzial. Immer wieder habe ich bei den Übungen (Zehengang, Fersengang, Rumpfbeugen, Wedelhüpfen, Pflugstand, Bauchschaukel, Hockfedern oder wie sie alle hießen) aus dem Fenster unserer Erdgeschosswohnung geschaut. Ich hatte beinahe schon panische Angst. Was wenn gerade ein Schulkamerad am Fenster vorbeiging und mich auf frischer Tat beim Familiensport ertappen würde? Als uns Max Greger in den Erholungspausen zwischen anstrengenderen Übungen zum Entspannen aufgefordert hat („An nichts denken!“), konnte ich an nichts anderes denken als an den Spott, den man über mir auf dem Schulhof ausgießen würde.

Die Trimm-und-Tanz-Scheibe kann man sich auf Youtube anhören. Und man kann mitturnen. Ich habe es mal versucht. „Nun tun wir etwas für unsere geplagten Füße. Wir stellen uns auf die Zehenspitzen und federn.“ Es sieht bestimmt nicht allzu elegant aus, wie ich da so turne. „Federn, nicht hüpfern!“, ermahnt mich Greger. Es ist eine Tortur. Die habe ich als Kind oft über mich ergehen lassen, um fit für den Schnee zu sein. Da war es dann meistens schön. Wenigstens das.

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