Magazin „DB Mobil“ wird eingestellt: Weniger Papier, mehr Emo

Das legendäre Bahnmagazin „DB Mobil“ wird es ab 2023 nur noch digital geben – und verspricht, „emotionaler“ zu werden. Was das wohl bedeuten mag?

Das Fenster eines ICE

„Dann gucken Sie doch aus dem Fenster – ist eh spannender“ Foto: imago

Da hat das WLAN im ICE offenbar mal funktioniert, schon hat Jürgen Kornmann, Leiter der Marketing & PR der Deutschen Bahn AG, beobachtet: „Wenn man im Zug sitzt, kann man gut beobachten, dass viele Menschen inzwischen bevorzugt Laptop oder Smartphone nutzen. Und diesem Trend folgen wir nun“, heißt es im Marketingfachmagazin Horizont.

Aha, schau einer an. Auf ihren Handys daddelnde Halbjugendliche haben offenbar die Lesenden der DB mobil abgelöst. Die DB macht Nägel mit Köpfen und stellt die Papierausgabe ihrer traditionsreichen Kundenzeitschrift kurzerhand ein. Explodierende Papierpreise und sinkende Anzeigenerlöse sind weitere Gründe für die Einebnung dieses Monuments der niedrigschwelligen Reiseunterhaltung.

Bezieht man die Vorgängerhefte Die schöne Welt (seit 1957!), Intercity und Zug – Für Menschen unterwegs mit ein, endet eine beispiellose Erfolgsstory papierhafter Zerstreuung, die uns fast über die gesamte Geschichte der BRD hinweg begleitet hat.

Was waren das für Zeiten: Die Dampflok pfiff für Prominente wie Anna Karenina, Sepp Herberger, Willy Brandt – sie alle schätzten eine gute Lektüre im wichtigsten Verkehrsmittel ihrer Epoche. Die Pünktlichkeit der Fernzüge lag bei 120 Prozent, und die Winter waren noch echte Gründe für Verspätungen und Zugausfälle; mobile Brezelverkäuferinnen stiegen zu und sangen den Fahrgästen melancholische Weisen aus dem harten Leben der mobilen Brezelverkäuferinnen.

Auch in jüngeren Zeiten war die DB mobil stets eine treue Begleiterin, ob in langen dunklen Stunden im Tunnel bei Stromausfall und Signalstörung oder im gleißenden Sonnenlicht, wenn wir uns beim Ausfall der Klimaanlage mit den herausgerissenen Seiten den Schweiß von der Stirn wischten.

Donnerlüttchen

Wenn ein Magazin eingestellt wird, heißt es gern euphemistisch, man „richte sich neu aus“, „starte digital durch“, „baue neue multimediale Formate aus“ und „werde regionaler, nachhaltiger, hörbarer“. Dieses Wording hat sich nun auch die PR-Abteilung der DB zugelegt. Es klingt natürlich viel besser, als wenn man Omi und Opi erklärt, dass ihre geliebte Zeitschrift nie wieder in der Eisenbahn ausliegt: „Dann gucken Sie doch aus dem Fenster – ist eh spannender.“

Doch weniger digitalaffine Personenkreise werden ausgeschlossen, wenn die DB mobil 2023 auf dbmobil.de umziehen wird. Kornmann verspricht dennoch „ein neues Kapitel in der Geschichte der Bahn“, das „die Bindung zu unseren Le­se­r:in­nen noch emotionaler und interaktiver“ gestalten werde. Donnerlüttchen.

Vor allem „emotionaler“ ist im Grunde kaum vorstellbar: Wer jemals eine Minute vor Abfahrt des Zuges auf einen anderen Bahnsteig geschickt und dort der umgekehrten Wagenreihung ausgeliefert wurde, schwärmt noch lange von den unverfälschten Emotionen der mit Sack, Pack und Kinderwagen abgehängten Schwächlinge. So etwas kann weder der beste Thriller leisten noch die abgefahren neuen Contents einer digitalen DB mobil.

Zuvor gibt es im Dezember noch ein letztes Heft, das „auf die schönsten Geschichten, lustigsten Anekdoten und beeindruckendsten Prominenten zurückblickt“. Was mögen das wohl für Anekdoten sein: die aufregendsten Evakuierungen havarierter ICEs, die am längsten geschlossenen Bordrestaurants, die absurdesten Umleitungen wie von Hamburg nach Lübeck über Nirwana und Mordor-Mitte?

Wir warten mit vorfreudig glänzenden Äuglein darauf, aus denen aber auch die eine oder andere Träne der Wehmut rinnt.

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